Lilli Koisser

So kannst du mit Schreibblockaden umgehen: Gastartikel von Ricarda Kiel von „Die gute Website“

Viele Schreib-Apps machen den Eindruck, als wäre das Vorhaben, längere Texte für das eigene Business zu schreiben, vergleichbar damit, einen Marathon zu laufen.

Und als wäre dafür wiederum die beste Unterstützung wahlweise eine strenge Trainerin mit Trillerpfeife oder ein tollwütiger Wolf, der hinter dir her rennt.

Die Bandbreite reicht von

  • Schreib-Apps mit täglichen Erinnerungen an die Anzahl Wörter, die du noch schreiben musst, um dein Ziel zu erreichen,
  • über Challenges, bei denen du öffentlich postest, wie viele Wörter du heute geschafft hast,
  • bis hin zu einer Software, die wieder löscht, was du bereits geschrieben hast, wenn du nicht schnell genug weiter schreibst (!).

 

Ein Stück weit verstehe ich Teile dieser Ansätze: Schreiben kann mühsam sein, weil Denken mühsam sein kann, und manchmal fühlt man sich einfach nicht danach, und spielerische Herausforderungen können einen natürlich über eine ganze Reihe von Widerständen tragen. Und Ziele erreichen macht, na klar, immer Spaß.

(Es gibt übrigens auch die umgekehrte Richtung, die Karotte statt der Peitsche: zum Beispiel Software, die dir alle 100 Wörter, die du schreibst, ein Bild von einem Kätzchen zeigt.)

Du bekommst hier einfach so ein Kätzchen! Bild: Unsplash

Und! So richtig nachhaltig fühlen sich all diese Herangehensweisen für mich nicht an.

Ich glaube nämlich daran, dass Widerstände im Schreiben und im Denken mir etwas zu sagen haben, was ich hören sollte.

Vielleicht, dass mein Körper gerade nicht kann, dass er vielleicht vor dem Schreiben ein Glas Wasser oder einen Snack oder einen Spaziergang oder ein Nickerchen braucht.

Vielleicht, dass der Text sich verknotet hat, dass ich meinen Plan nochmal anpassen muss, dass mein Argument oder das Bild nicht trägt. Vielleicht, dass ich gerade nicht bei mir bin, und den Tonfall meines Textes im Moment einfach nicht hören kann.

Über manche dieser Hubbel kann mich ein externer Motivationsschub gut tragen, denn manchmal geht es tatsächlich vor allem um das Anfangen und Loslegen und sich einen Platz schaffen.

Mindestens genau so oft ist es aber vielleicht Zeit für die Art von Nicht-Schreiben, die zum Schreiben immer unbedingt dazu gehört.

Oder, wie die Autorin Jenny Diski das formuliert (Übersetzung von mir):

Wenn du glaubst, du hast eine Schreibblockade, weil du 45 Sekunden lang nichts geschrieben hast, brauchst du keine App, sondern eine Person, die dir sanft sagt, du könntest mal die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass es beim Schreiben nicht nur um das Schreiben geht, sondern auch (und vielleicht vor allem) um die Zeit zwischen dem Schreiben, wenn nichts zu passieren scheint oder zusammenhangslose Gedanken in deinem Kopf wild feiern. Fast immer fängst du irgendwann an zu schreiben, und merkst dabei, dass du wohl doch nachgedacht hattest. Es ist nicht so bequem, wie tausend Wörter in einer halben Stunde zu schreiben, aber es klappt eigentlich ganz gut, solange du es als Teil eines Prozesses und nicht als Schreibblockade ansiehst.

Faszinierend finde ich an all diesen appgesteuerten Ansätzen die Zahlenfixierung – als ob die Menge eines Textes wirklich das Entscheidende sei. Ich verstehe, dass man manchmal unter Deadline schreibt, und ich verstehe, dass manche Menschen ihre Schreibzeit in winzig kleine Fenster pressen müssen, aber ich weiß, dass es auch in diesen Situationen letztendlich nicht nur auf die Textmenge ankommt.

Ich glaube, dass sich so viele Herangehensweisen auf Zahlen konzentrieren, weil die mühelos messbar sind, weil die einen Eindruck von „Erfolg“ machen können, weil wir es gewohnt sind, mit Zahlen zu spielen, Zahlen zu steigern.

(Aber ich will doch eigentlich mit möglichst wenig Zahlen leben.)

Das ist wie mit den restlichen Zahlen in der Selbständigkeit: die Einnahmen und Ausgaben, die Anzahl von Newsletter-Leser:innen oder Website-Besucher:innen, die Anzahl der Likes auf Instagram … 

Manche dieser Zahlen sind super relevant (weil sie über das täglich Brot entscheiden), andere wirken relevant, sind es aber eigentlich gar nicht so sehr (wenn du viele Menschen in deinem Verteiler hast, die sich nicht wirklich für dein Angebot interessieren, ist das weniger hilfreich, als wenn du weniger Leser:innen hast, die sich aber stark für das interessieren, was du verkaufst) – und alle miteinander sagen sie nichts darüber aus, ob du dich mit Freude an deinen Schreibtisch setzt oder nicht, ob du dich in deinem Arbeiten spürst oder nicht.

Diese andere Qualität, die weichere, schwammigere, die sich nicht so gut in Zahlen fassen lässt, ist oft die, die wir eigentlich brauchen. Im Schreiben. In der gesamten Selbständigkeit. Wenn wir bei uns sind, ist das gesamte Arbeiten einfacher, dann können wir unsere Produkte und Dienstleistungen überzeugter anbieten, dann schreiben wir mühelos eine große Menge Wörter auf einmal.

Das ist aber eben keine Qualität, die sich auf Knopfdruck herstellen lässt. Diese Momente, wenn wir fokussiert sind, ohne dass wir dafür Außendruck brauchen, und motiviert, ohne dass wir dafür Außenbelohnung brauchen, lassen sich nur einladen und üben.

Das ist die weiche Disziplin, von der meine Kollegin Kathrin und ich so oft sprechen. Das heißt, dass wir uns nicht ganz diszipliniert einen Platz schaffen, an dem wir arbeiten und schreiben, sondern ganz routiniert, immer wieder, im eigenen Rhythmus.

Das heißt, dass wir uns nicht dauernd selber auf den Kopf hauen, weil wir angeblich zu langsam oder zu doof oder zu seltsam sind, sondern üben anzunehmen, dass nur wir, mit all dem, was wir nun mal mitbringen, genau das schreiben können, was wir schreiben.

Das heißt, dass wir uns nicht laufend mit anderen vergleichen, sondern ehrlich hinschauen, was uns gerade beschäftigt, wo wir gerade sind, was wir gerade brauchen – und damit mehr Möglichkeiten bekommen, passend auf uns und unsere Bedürfnisse zu reagieren, uns wirklich Tag für Tag die Umgebung zu schaffen, die wir zum Arbeiten brauchen.

Dass wir üben, daran zu glauben, dass es wichtig ist, was wir schreiben.

Unsere Werkzeuge spiegeln, was wir üben wollen.

Wenn meine Software mich bestraft, bestrafe ich mich auch selber jeden Tag ein bisschen. Wenn meine Schreibumgebung mich lockt, locke ich mich selber jeden Tag ein bisschen.

Wie ich mich locke, ist natürlich Geschmackssache: die Krimi-Autorin Patricia Highsmith zum Beispiel schrieb im Bett sitzend, umringt von unter anderem einem Donut und einer Untertasse Zucker, die Lyrikerin Gertrude Stein schrieb draußen und schaute dabei gerne Steine und Kühe an (die ihre Partnerin Alice B. Toklas ihr in Sichtweite locken musste), die Schriftstellerin Toni Morrison sortierte tagsüber ihre Gedanken und schrieb ganz früh morgens, „vor dem Licht“, und vor ihrer Brotarbeit als Professorin und Fürsorgearbeit als alleinerziehende Mutter.

(Patricia Highsmith war übrigens großer Fan von Schnecken, und brachte wohl mal auf eine Party einen Beutel mit einem Kopfsalat und Hundert Schnecken – das sei ihre Begleitung für den Abend, sagte sie dazu.)

Wenn man die Schreibroutinen von Autor:innen genauer betrachtet, fällt vor allem auf, wie unterschiedlich sie sind. Manche können nur nachts schreiben, manche auf keinen Fall nach Sonnenuntergang, manche schreiben ungezügelt in intensiven Schüben, andere setzen sich jeden Tag zur gleichen Zeit an den Schreibtisch.

Diese Tatsache finde ich viel inspirierender noch als die einzelnen Routinen selber.

All das gilt natürlich für alle Formen der Arbeit, nicht nur für den Teil des Schreibens: Mit den Gedanken in meinem Kopf, mit meinen Erfolgskriterien und mit der Auswahl meiner Arbeitswerkzeuge schaffe ich mir, bewusst oder unbewusst, eine Arbeitsumgebung.

Und die prägt wiederum ganz stark die Art und Weise, wie ich arbeite und wie und ob ich arbeiten will.

All das kannst du bei unseren Schreibwochenenden im Juni und im Oktober direkt und persönlich mit uns einüben: Denn dort biete ich zusammen mit meiner Kollegin Kathrin Bach einen Raum an, in dem du verschiedene Schreibumgebungen ausprobieren kannst. Ohne fiese Software und externen Druck, dafür mit neuen Möglichkeiten und Orten, an denen du mit deinem inneren Druck umgehen kannst.

Die Option, sich weich innerhalb der Gruppe zu verabreden, gehört für uns genauso dazu wie die verschiedenen Rituale und liebevollen, selbstgestalteten Werkzeuge, die wir anbieten – von Co-Writing Gruppen und wertschätzenden Feedback-Runden für deine Texte über einen poetisch-inspirierenden Workshop bis hin zu einer Zweifelsprechstunde. Damit du wirklich weiter schreiben kannst, und dich dabei selber spüren kannst. Hier erfährst du mehr zum Schreibwochenende.

Und wenn du an dem Wochenende merkst, dass du eine kleine Challenge brauchst, um in Fahrt zu kommen, stellen wir die natürlich auch gerne mit dir zusammen auf 😄 (gern auch mit Kätzchenbildern, aber ohne, dass wir dabei Text von dir löschen!).

 

Über Ricarda Kiel:

Ricarda unterstützt Selbständige mit ihren Websites von der technischen Ebene bis hin zu einem Inhalt, der nicht nur „funktioniert“, sondern auch richtig passt – zu der Person, die die Website erstellt, genau so wie zu der Person, die die Website besucht. Bei Ricarda heißt das dann: „Die Website riecht nach dir“ 🙂 Dafür bietet Ricarda verschiedene Selbstlern– und Gruppenkurse an, sowie einen Blog und zweiwöchentliche, unterstützende Briefe.

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