Mit großer Belustigung habe ich den Artikel „8 Wege, einen Grafikdesigner in den Irrsinn zu treiben“ von Klaus-Dieter Knoll gelesen. Grafiker sind erfahrungsgemäß am leidgeprüftesten – durch technisches Unverständnis, unrealistische Erwartungshaltungen oder schlicht Unverschämtheiten von Kunden aus der Hölle. Dazu verdienen sie oft am wenigsten in der Branche. Mein großer Respekt an jeden Grafiker!
Doch auch für Texter gibt es einige rote Tücher, die Sie unbedingt kennen sollten. Fassen Sie sich ein Herz und befolgen Sie die nachstehenden Anweisungen, um Ihren Texter in den Wahnsinn zu treiben:
1. Gehen Sie von der vollen Verfügbarkeit des Texters aus.
Briefen Sie heute und erwarten Sie den Text morgen. Verschwenden Sie keinen Gedanken darauf, ob Ihr Texter vielleicht noch andere Kunden oder ein Leben hat. Gehen Sie davon aus, dass der Texter jederzeit für Telefonate und E-Mail-Verkehr zur Verfügung steht und den ganzen Tag lang nur an Ihren Projekten arbeitet.
2. Verlangen Sie Probetexte.
Anstatt sich die bisherigen Arbeiten und Textproben eines Texters anzusehen, fragen Sie nach einem Probetext zu Ihrem eigenen Projekt, möglichst kostenlos. Das signalisiert Vertrauen in die Fähigkeiten des Texters. Verzichten Sie auf durchdachte Briefings und präzise Korrekturschleifen und wälzen Sie die Verantwortung für die erfolgreiche Zusammenarbeit schon im Vorhinein komplett auf den Texter ab.
3. Briefen Sie möglichst unkonkret und vage.
Fordern Sie mehrere Seiten über ein technisches oder hochspezialisiertes Thema, ohne eine Richtung oder einen Fokus vorzugeben. Erwarten Sie, dass der Texter wichtige Informationen von selbst erfrägt oder recherchiert. Regen Sie sich dann auf, wenn die recherchierten Informationen des Texters nicht Ihren Vorstellungen entsprechen. Am besten ist es, wenn Sie nicht genau wissen, was Sie wollen, und es den Texter selbst herausfinden lassen.
4. Haben Sie eine starre Vorstellung vom Text.
Liefern Sie einen langen, umfangreichen Anforderungskatalog an Tonalität, Stil und Schreibweise mit. Am besten, Sie schreiben den Text zuerst selbst, bauen eine starke emotionale Bindung zu Ihrem Werk auf und verlangen dann von Ihrem Texter, dass er den Text in diesem und jenem Stil „überarbeitet und anpasst“. Seien Sie dann mit keiner Änderung zufrieden, weil Sie Ihren eigenen Text am besten finden.
5. Seien Sie nervös und ungeduldig.
Vereinbaren Sie eine Deadline mit Ihrem Texter, fragen Sie dann aber in regelmäßigen Abständen nach, „wie es mit dem Text vorangeht“. Damit zeigen Sie Ihrem Texter, dass Sie ihn für verlässlich und professionell halten. Lassen Sie sich massig Zeit dabei, Infos und Materialien zu liefern, um dann gegen Ende der Deadline nervös zu werden.
6. Erinnern Sie sich nicht an Abmachungen.
Seien Sie überrascht, wenn zuvor Vereinbartes dann auch tatsächlich eintritt. Ignorieren Sie die Existenz schriftlich festgehaltener Vereinbarungen, z.B. E-Mails oder Angebote. Veranlassen Sie Ihren Texter dazu, ernsthaft daran zu zweifeln, dass Sie lesen können.
7. Seien Sie resistent gegenüber Verbesserungsvorschlägen.
Weisen Sie jeden proaktiven Vorschlag, der vom Briefing abweicht, generisch zurück. Lassen Sie sich nicht von einem Profi dreinreden. Behandeln Sie Ihre Texterin wie eine Textmaschine, die Sie nach Ihren Wünschen programmieren und die den bestellten Text auf Knopfdruck ausspuckt. Das fördert kreatives Schreiben und die Beratungsleistung.
8. Behalten Sie Feedback und Kritik für sich.
Nicken Sie alle Arbeitsschritte und Zwischenergebnisse ab und Seien Sie am Ende aber mit dem Ergebnis unzufrieden. Erwarten Sie, dass der Texter Gedanken lesen kann. Nehmen Sie Änderungen selbst vor, ohne dem Texter Bescheid zu geben, und gehen Sie beim nächsten Mal davon aus, dass der Texter diese Korrekturen verinnerlicht hat.
Ich hoffe, dass Sie diese Beobachtungen mit der nötigen Portion Selbstironie lesen können. Ich liebe 99 % meiner Kunden und die meisten Erlebnisse beziehen sich nicht auf aktuelle Anfragen, aber manchmal tauchen doch gewisse Verhaltensmuster auf, die Alarmglocken schrillen lassen. Was mich im Gegenzug interessieren würde: Was treibt Kunden in den Wahnsinn? Hinterlassen Sie unten ein Kommentar, wenn Sie es mir verraten möchten!
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4 Antworten
Also das mit diesen Probetexten ist wirklich katastrophal. Ich hatte mal jemanden, der wollte zwei Artikel mit jeweils 1800 Wörtern und das auch noch SEO optimiert. Ach ich vergaß, es beraf zudem noch zwei neue Produkte, die eingeführt werden sollten ^^ Wie viel nehmt ihr denn bspw. für einen Probeblogartikel von 800-1000 Wörtern?
„7. Seien Sie resistent gegenüber Verbesserungsvorschlägen.
Weisen Sie jeden proaktiven Vorschlag, der vom Briefing abweicht, generisch zurück.“
Sollte das nicht „energisch“ heißen? 😉
Hallo Silvana,
vielen Dank für deine lieben Worte, ich freu mich sehr darüber! Schön zu wissen, dass es Leidensgenossinnen gibt 😉
GLG Lilli
Hey Lilli,
ich bin gerade über einen Facebook-Post von Carina – Um 180 Grad – auf deine Seite und deinen Blog gestoßen. „8 Wege, Ihren Texter in den Wahnsinn zu treiben“ musste ich sofort bei FB teilen, weil alle 8 Punkte sowas von zutreffend sind. Ich habe mich beim Lesen köstlich amüsiert, weil ich das alles nur zu gut kenne.
Deinen Blog werde ich im Auge behalten!
Viele Grüße
Silvana