Sebastian Deubelli, Fachanwalt für Urheberrecht und Medienrecht, berät und vertritt hauptsächlich Kreative aller Art und ist sich sicher, dass es kaum ein Problem im Kreativalltag geben dürfte, für das er keine Lösung findet. Seinen Podcast kreativ(ge)recht habe ich dir schon auf dem Blog vorgestellt.
Im Interview habe ich Sebastian Deubelli Fragen gestellt, die vielen Kreativen schlaflose Nächte bereiten: Brauche ich AGB? Wie kann ich mich rechtlich absichern? Wofür hafte ich? Was soll ich tun, wenn mein Kunde gegen das Recht verstößt? Welche Referenzen darf ich wie auf meiner Website zeigen?
AGB, Vertrag, Nutzungsrecht, Referenzen: 11 Fragen an den Anwalt
Sebastian, darf mein Kunde einen Broschüren-Text, den ich für ihn geschrieben habe, einfach auf seiner Website verwenden?
Hierbei sind die zwei grundliegenden vertraglichen Ebenen zu unterscheiden, die sich im Prinzip wie ein roter Faden durch alle Rechtsgeschäfte ziehen, aufgrund derer Inhalte für Kunden erstellt werden.
Wir haben einerseits die handwerkliche Ebene, also den Vertrag der besagt, was bis wann wie und für welchen Preis erstellt werden soll. Daneben haben wir aber auch noch eine Vereinbarung über Art und Umfang der Verwendung durch den Kunden. Natürlich schließt in der Realität niemand formell zwei Verträge dafür, allerdings kann deine Frage damit schon einmal grundsätzlich in die Richtung beantwortet werden, dass es eben auf die vereinbarten Rechte ankommt.
Wenn du also keine Verwendung mit deinem Kunden besprochen hast, gilt die sogenannte Zweckübertragungstheorie, die besagt, dass bei ebendieser fehlenden Kommunikation aus den übrigen Umständen des Vertrages abgeleitet wird, wofür deine Texte verwendet werden dürfen.
Im konkreten Fall würde ich dazu tendieren, dass der Text nicht einfach auf die Website kopiert werden darf, da ja ein „Broschüren-Text“ vereinbart wurde. Das halte ich für eine klare Grundlage für die Bestimmung des Nutzungsumfangs.
Was ist der Unterschied zwischen Urheberrecht, Nutzungsrecht und Verwertungsrecht?
Das Urheberrecht ist untrennbar mit dem Schöpfer oder der Schöpferin verbunden und entsteht ohne irgendein Zutun durch den Akt der Schöpfung. Wenn wir also den Broschüren-Text von oben noch einmal bemühen, entsteht ein Urheberrecht hieran (wenn die Voraussetzungen der Schöpfungshöhe vorliegen) durch das Niederschreiben des Textes.
Das Urheberrecht gibt dem Schöpfer oder der Schöpferin sehr weitreichende Verfügungsbefugnis. Das bedeutet insbesondere, dass jeder, der das Werk fortan für gesetzlich geschützte Zwecke nutzen möchte, ein Nutzungsrecht braucht. Dieses Nutzungsrecht wird durch den Urheber oder jemanden, der von ihm (evtl. durch ein ausreichendes eigenes Nutzungsrecht) dazu befugt wurde, vergeben.
Da das Nutzungsrecht vertraglich eingeräumt wird, kann der Urheber hier nahezu frei bestimmen, welchen Umfang das Nutzungsrecht haben soll. So kann man beispielsweise
- zwischen einfachen und ausschließlichen Nutzungsrechten unterscheiden,
- einzelne Nutzungsarten (Online, Print, Social Media, etc.) bestimmen oder
- hinsichtlich Faktoren wie Auflagenstärke, Nutzungsdauer und dergleichen Beschränkungen einbauen.
Das Verwertungsrecht beschreibt die Arten der Werknutzung, welche dem Urheber grundsätzlich zustehen. Das sind auch genau die Nutzungen, für die ein Dritter ein Nutzungsrecht benötigt.
Was soll ich tun, wenn ein Text von mir kopiert und unrechtmäßig (z. B. ohne Bezahlung) verwendet wurde?
Natürlich sofort zum Anwalt gehen! 😀
Im Ernst, hier scheiden sich die Geister. Ich habe hierzu einen Artikel veröffentlicht, in dem ich die beiden gängigen Vorgehensweisen der Abmahnung oder dem Angebot einer Nachlizenzierung mal aus meiner Sicht gegenübergestellt habe. Der Artikel bezieht sich zwar auf Fotografen, sollte aber für alle Kreativen wertvolle Anregungen enthalten.
Man sollte sich aber immer überlegen, ob die Sache nicht am Ende auf den Kunden zurückfällt, der beispielsweise Texte weitergegeben hat ohne zu wissen, dass er gar kein Recht zur Weitergabe hatte. Geht man nun gegen den Dritten vor, der die Texte auf Veranlassung des Kunden nutzt, muss der Kunde diesen unter Umständen von allen Ansprüchen freihalten.
Brauchen freie Texter*innen AGB, Verträge und / oder schriftliche Auftragsbestätigungen, und wenn ja: Was sollte (nicht) drin stehen? Darf ich z. B. meine Haftung beschränken?
Auch das ist schon beinahe eine Glaubensfrage und kann leider wirklich nicht allgemein beantwortet werden. Als „bestes“ Beispiel: meine Kanzlei verfügt ebenfalls nicht über AGB und ich denke, dass unser Haftungsrisiko deutlich höher ist. Wir arbeiten mit kurzen Mandatsvereinbarungen, welche Dinge wie unsere geschuldete Tätigkeit und das Honorar regeln. Mehr nicht.
Daneben kenne ich beispielsweise Fotografen, die ihre Aufträge ausschließlich per Mail abwickeln und das auf einem rechtlich nahezu perfekten Niveau. Einfacher ist es aber sicher, wenn man stets denselben Vertrag oder dieselben AGB verwendet, da man sich dann in der Regel keinen Kopf machen muss.
Im Ergebnis rate ich weder pauschal zu Verträgen oder AGB, noch möchte ich pauschal abraten. Wovon ich aber abrate, ist, sich seine Verträge von einer Kollegin oder einem Kollegen zu übernehmen, der ja auch sowas in der Art macht oder die AGB wild aus dem Internet zusammenzukopieren. Entweder richtig oder gar nicht!
Inwiefern hafte ich als Texterin für inhaltliche oder grammatikalische Fehler in meinen Texten für Kund*innen?
Wenn ich mir von einer Texterin etwas texten lasse, darf ich vermutlich davon ausgehen, dass weder Schreib- noch Grammatikfehler enthalten sind. Daher würde ich davon ausgehen, dass dies durchaus ein Umstand ist, der deine Haftung gegenüber dem Kunden/der Kundin begründen würde.
Die Frage ist aber die Konsequenz. Lieferung des korrigierten Textes? Übernahme des Neudrucks eines Flyers? Entfernen und neu Anbringen von Buswerbung?
An dieser Stelle kommt wieder das Stichwort der Haftungsbeschränkung von oben ins Spiel und man könnte sich überlegen, das in einem Vertrag oder in AGB bestmöglich zu beschränken.
Thema Referenzen: Unter welchen Voraussetzungen darf ich Texte, die ich an Kund*innen verkauft habe, oder Logos meiner Kund*innen als Referenz auf meiner Website abbilden?
Solange ich dem Kunden nur ein einfaches Nutzungsrecht eingeräumt habe, darf ich als Urheber auch weiterhin meine eigenen Texte zeigen. Man sollte das aber dennoch kurz mit dem Kunden absprechen. Das ist eher ein Gebot der Höflichkeit als rechtlich erforderlich. Viele Kunden wissen nichts von Nutzungsrechten und sind sicher sehr irritiert, wenn sie die Texte kommentarlos auf deiner Website finden.
Bei diesem Anlass kannst du dann auch gleich die nötigen Dinge für die Nennung des Referenzkunden klären. Um das Logo, das in der Regel markenrechtlich geschützt sein dürfte, und den Unternehmensnamen zu verwenden, brauchst du ziemlich sicher die Genehmigung deines Kunden.
Darf ich in meinen Referenzen auch Kund*innen aus früheren Angestelltenverhältnissen angeben?
Das ist gerade beim Ausscheiden aus größeren Organisationen und dem Start der eigenen Selbstständigkeit relevant, da man zum Start der Selbstständigkeit ja noch nichts „eigenes“ vorzuweisen hat. Allerdings rate ich davon ab, Kunden aus dem früheren Job für eine andere Firma als eigene Referenz zu verwenden.
Zum Einen weißt du vielleicht gar nicht, welche Nutzungsrechte der Kunde an deinen Texten erhalten hat. Sollten es ausschließliche sein, dürftest du sie ohnehin nicht verwenden.
Daneben brauchst du auch hier wieder die Gestattung des Kunden, Logo und Unternehmensnahmen zu verwenden.
Schließlich kommen hier evtl. noch arbeitsvertragliche Beschränkungen dazu, da meistens auch der alte Arbeitgeber es nicht möchte, dass abtrünnige Arbeitnehmer/-innen mit seinen Kunden werben.
In welcher Form dürfen Screenshots – z. B. von Texten, Social-Media-Postings oder Webseiten – in redaktionellen Beiträgen veröffentlicht werden?
Das ist entgegen der landläufigen Meinung in deutlich weniger Fällen möglich, als man denkt. Das Urheberrecht sieht an manchen Stellen sogenannte Schranken vor, welche die Verwendung der Inhalte auch ohne Nutzungsrecht gestatten. Wenn die Voraussetzungen einer solchen Schranke erfüllt sind, darf man die Inhalte auch ohne Einwilligung des Urhebers nutzen.
Oftmals höre ich, dass schon die Tatsache, dass ein Beitrag redaktionell ist oder eben nur ein Screenshot verwendet wurde, dafür ausreichen sollen. Dem ist ganz klar zu widersprechen.
Brauche ich einen Disclaimer (Haftungsausschluss) auf meiner Website oder in meinen E-Mails? Hafte ich überhaupt für fremde Inhalte, auf die ich von meiner geschäftlichen Website aus verlinke?
Für verlinkte Inhalte haftet man nur unter ganz speziellen Voraussetzungen, etwa, wenn man die Rechtswidrigkeit der dort vorgehaltenen Informationen kannte. Ansonsten ist mir keine Ausdehnung auf den Verlinkenden bekannt.
Problematisch wird es, wenn ich mir fremde Inhalte zu Eigen mache. Das kann dadurch passieren, dass ich auf einen fremden Text nicht verlinke, sondern diesen auf meine Website kopiere. Hierfür hafte ich vollumfänglich selbst.
Soll man als Texter*in Verträge unterschreiben, in denen hohe Geldstrafen bei Verstößen vereinbart werden? Sind diese überhaupt zulässig?
Die Frage von Wirksamkeit von Vertragsstrafen ist nicht ganz einfach zu beantworten. Dennoch kann es durchaus sein, dass man gerade im B2B-Umfeld solche Strafen wirksam vereinbaren kann. Wenn das Risiko einer solchen Strafzahlung also nicht in Relation zu dem steht, was ich mit dem Auftrag verdiene, würde ich das auf keinen Fall akzeptieren.
Welche Art(en) von Versicherung (Rechtsschutz, Haftpflicht etc.) empfiehlst du freien Texter*innen?
Hier kann ich leider nur etwas zu Rechtsschutzversicherungen sagen, da ich ansonsten selbst relativ versicherungsfaul bin und mich wenig mit diesem Thema befasse. Bei den Rechtsschutzversicherungen sollte man aber wirklich zweimal hinschauen, ob diese auch wirklich das abdeckt, was man braucht. Es sind beispielsweise nicht automatisch urheberrechtliche Streitigkeiten oder vertragliche Ansprüche zwischen dir und deinem Kunden beinhaltet. Überlege dir vorher einfach, wofür du die Versicherung brauchst und dann schau genau hin, ob das auch abgedeckt ist.
Welche rechtliche Beratung bietest du freien Kreativen an?
Wir beraten Kreative vom Freelancer bis zur großen Agentur in wirklich allen Belangen, die etwas mit dem Erstellen und der Lizenzierung ihrer Inhalte zu tun haben. Dabei steht das Urheberrecht naturgemäß im Vordergrund, ist aber längst nicht alles.
Vom Umfang her bieten wir euch unsere Dienste von der kurzen Erstberatung bis zur Begleitung von Großprojekten oder dem Verhandeln von Verträgen mit der Rechtsabteilung eurer Kunden an.
Vielen Dank für das Interview!
Ich danke Dir!
Sebastian Deubelli ist Fachanwalt für Urheberrecht sowie Medienrecht und Inhaber der Kanzlei deubelli. Daneben ist er Justiziar und stellvertretender Vorsitzender des PIC-Verbandes, Kooperationsanwalt des BVPA und Kolumnist für die ProfiFoto. Auf www.deubelli.com kannst du mit ihm in Kontakt treten oder seinen Podcast für Kreativrecht hören.
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4 Antworten
Freut mich, dass der Artikel dir geholfen hat, Neeltje! Viel Erfolg für deine Selbstständigkeit. 🙂 GLG Lilli
Das war eine sehr gute Erklärung zur Zweckübertragungstheorie! Ich habe mich online selbstständig gemacht, aber hatte noch einige Unklarheiten bezüglich rechtlicher Aspekte. Dieser Artikel hat mir schonmal ziemlich weitergeholfen. Ich werde dennoch eine Rechtsanwaltskanzlei aufsuchen, damit ich mir auch wirklich im konkreten Einzelfall sicher sein kann.