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Mehr InformationenLeben und Arbeiten mit Multipler Sklerose und Muskeldystrophie – darüber spreche ich in dieser Folge mit Pinterest-Expertin Bianca Schönbucher und Life Coach Eva Hunger.
Erfahre im vertrauensvollen Round Table,
- wie sich Biancas und Evas Krankheiten im (Business-)Alltag äußern und ihn beeinflussen,
- welche Erfahrungen sie im Berufsleben damit gemacht haben,
- inwiefern die Selbstständigkeit (nicht) hilfreich in Bezug auf ihre chronischen Krankheiten war,
- wie Bianca und Eva kommunikativ damit umgehen, z. B. mit ihren Kund*innen,
- was sie sich von ihren Mitmenschen in Bezug auf chronische Krankheiten wünschen und
- welche guten Seiten die beiden an ihren Krankheiten sehen.
Transkript der Folge:
Lilli: Herzlich willkommen zurück zu einer neuen Folge im Pyjama-Business-Podcast. Ich habe heute zum ersten Mal gleich zwei Gäste bei mir. Und das sind auch Gäste, die mir ganz stark am Herzen liegen, die ich schon lange kenne, mit denen mich viel verbindet, wo ich von ihnen Kundin bin und sie von mir.
Und ja, alles vermischt sich miteinander. Und die beiden haben auch etwas gemeinsam, nämlich dass sie beide selbstständig sind und eine chronische Krankheit haben. Und genau darüber wollen wir heute in einem Roundtable sprechen.
Und Eva, vielleicht fange ich gleich mit dir an, magst du dich kurz vorstellen und uns erzählen, wer du bist und an welcher Krankheit du leidest?
Ach ja, und was ich noch sagen wollte, wenn ich irgendwas sage oder frage, wo ihr euch denkt, das hätte man anders formulieren können, das ist mir unangenehm oder das sagt man eigentlich nicht, dann wäre ich euch dankbar, wenn ihr das gleich live sagt.
Erstens weiß ich es dann und zweitens wissen es dann auch gleich alle Zuhörer*innen und können das mitnehmen. Genau. Eva, wie schaut
Eva: Ja.
Lilli: es bei dir aus?
Eva: Vielen Dank liebe Lilli für die Einladung, ich freue mich total hier zu sein. Ich bin Eva Hunger. Die erste Sache ist tatsächlich, Worte schaffen ja Realität. Und wenn man sagt, an welcher Krankheit leidest du
Lilli: Ich habe es mir gedacht, als ich gefragt habe.
Eva: es ist voll okay, wenn das passiert. Und wenn man drauf aufmerksam gemacht wird, dann versteht man auch warum. Weil dann hat man ja direkt eine Wertung darüber, dass jemand eine Erkrankung hat oder mit einer Behinderung lebt oder wie auch immer. Das ist ja dann direkt gesagt, dass es irgendwie negativ sein müsste.
Und deswegen sagt man eher: mit welcher Krankheit lebst du? Oder was hast du? Also in einer Form, die neutral ist. Genau. Ich lebe und habe eine chronische Erkrankung, die heißt FSHD. Und das ist die Abkürzung für Fazio-scapulo-humerale Muskeldystrophie.
Das muss man sich nicht merken. Was man sich merken kann, ist, dass die Muskeln in meinem Körper schwächer sind und auch immer schwächer werden. Das heißt, ich habe das schon seit Geburt. Und es gibt dann immer wieder Schübe, wo bestimmte Muskeln schwächer werden. Jetzt sieht man mich ja nicht.
Aber die, die mich sehen oder schon mal gesehen haben, sehen, dass zum Beispiel meine Mimik betroffen ist. Das heißt, ich kann nicht lächeln. Und es ist jetzt auch alles digital, aber wer mich schon mal gehen sehen hat, ich kann auch nicht mehr so gut gehen. Und so Treppensteigen ist schwierig.
Das ist aber jetzt nicht etwas, was lebensbedrohlich ist. Das heißt, meine Lebenserwartung ist genauso wie bei anderen Menschen. Die Nichte meines Freundes hat es letztens so gut ausgedrückt. So: ja, ich finde es gar nicht so schlimm, dass du nicht so viele Muskeln hast. Und damit kann man es eigentlich zusammenfassen.
Ich habe nicht so viele Muskeln. Das ist die Form, mit der ich lebe. Und meine Selbstständigkeit: ich arbeite als Life-Coach und auch Trainerin für Workshops und auch Online-Workshops. Und das mache ich jetzt seit dreieinhalb Jahren. Und das macht mega Spaß. Ich liebe es total. So viel zu mir.
Lilli: Cool, dankeschön. Ja, da werden wir dann noch genauer drauf eingehen, wie so dein Arbeitsalltag ausschaut. Bianca, stelle dich auch gerne vor. Und sag uns, welche Krankheit du hast.
Bianca: Ja, danke, für die Einladung zu dem Podcast. Ich freue mich sehr, dass wir auch mal über dieses Thema sprechen. Wir haben vorhin schon gesprochen, dass wir da noch nie etwas ähnliches gehört haben. Deshalb freue ich mich wirklich total, heute dabei zu sein.
Ich bin Bianca Schönbucher, komme aus Niederösterreich und habe MS. Das heißt, Multiple Sklerose. Es ist eine chronisch-entzündliche neurologische Krankheit. Das bedeutet, meine Krankheit ist auch schubweise. Wir kommen wahrscheinlich eh später noch darauf zu sprechen. Aber sie zeigt sich in Schüben.
Das heißt, ich merke nicht immer was davon. Ja, zu meiner Selbstständigkeit: ich bin Expertin für Pinterest-Marketing, arbeite mit Pinterest schon seit 2019, aber seit März 2020 bin ich selbstständig. Genau.
Lilli: Cool, vielen Dank. Das heißt, eine Nerven- und eine Muskelerkrankung. Das sind wahrscheinlich Krankheiten, die den ganzen Körper betreffen, oder? Weil sich das überall durchzieht.
Eva: Ja.
Lilli: Wie äußern sich diese Krankheiten denn im Alltag und auch Business-Alltag? Inwiefern ist euer Leben vielleicht anders als das von mir zum Beispiel? Bianca, magst du vielleicht gleich anfangen?
Bianca: Ja, wie ich vorhin schon gesagt habe, meine Krankheit äußert sich in Schüben. Das heißt, wenn ich keinen Schub habe, dann merke ich eigentlich nicht viel davon. Man sagt, dass MS die Krankheit der tausend Gesichter ist. Das heißt, nur weil ich es im Alltag so wenig spüre, muss es nicht heißen, dass eine andere Person, die auch MS hat, das genauso empfindet.
Meine Ärztin hat mir gesagt, dass ich einen sehr leichten Verlauf habe. Das heißt, meine Symptome oder die Anzahl der Schübe sind viel weniger als bei anderen Leuten wahrscheinlich. Das heißt, wenn ich im Alltag keinen Schub habe, merke ich, dass ich manchmal schneller erschöpft bin als meine Mitmenschen. Meine Konzentration leidet öfter darunter.
Ich kann mich vielleicht nicht so intensiv konzentrieren, wie vielleicht andere Leute. Ich brauche mehr Pausen. Im Sommer muss ich total viel drauf achten, dass mein Kopf nicht in der Sonne ist, weil im Gehirn entstehen Entzündungen und die Sonne ist da jetzt nicht mein größter Freund. Ich muss immer bedeckt sein.
Ich sollte auf die Ernährung achten, nicht rauchen. Und das sind Dinge, die ich schon beachte. Aber es sind hauptsächlich Dinge, die eigentlich einen gesunden Lebensstil unterstützen. Nicht rauchen, sich zu bewegen, nicht zu viel in der Sonne zu sein, sind auch Dinge, die ein gesunder Mensch beachten sollte.
Wenn ich einen Schub habe, dann bin ich da schon beeinträchtigt. Aber nicht wegen der Symptome. Vielleicht kurz zu den Symptomen. Es gibt verschiedene Arten von Schüben. Eine Art davon ist ein Kribbeln zu spüren. Bei mir hat es Kribbeln auf meinem linken Arm und linken Beinen begonnen.
Bei meinem ersten Schub konnte ich auf einmal nicht mehr so schnell gehen wie vorher. Und das war für mich total überraschend. Das habe ich noch nie gespürt.
Lilli: Wann war dein erster Schub?
Bianca: 2012. Da war ich 22, kurz vor 23, im Sommer. Genau. Und da war dieses Kribbeln auf einmal da. Und das war ganz komisch, weil ich habe sofort „Symptome MS“ gegoogelt. Und ich hatte aber davor noch nie wirklich Kontakt mit Multiple Sklerose. Deshalb ganz überraschend.
Ja. Und genau, zuletzt hatte ich einen Schub, wo ich Sehstörungen hatte und das Kribbeln im Gesicht gespürt habe. Und mich beeinträchtigen nicht die Symptome. Das Kribbeln spürt man natürlich. Aber eher die Behandlung davon. Ich bekomme dann immer Cortison, um diesen Schub dann zu behandeln.
Und das ist eher das, was mich dann beeinträchtigt. Ich bin müder als normalerweise. Und genau, das beeinträchtigt mich dann eher als so die Krankheit beim Alltag.
Lilli: Das Cortison stoppt dann das Kribbeln und die anderen Symptome.
Bianca: Genau.
Lilli: Und das musst du dann immer einen Monat oder so nehmen, oder? Kann ich mich erinnern, ja.
Bianca: Genau. Es soll das Kribbeln und die Symptome stoppen. Und es ist unterschiedlich, je nachdem wie stark der Schub ist. Das schätzt dann meine Neurologin immer ein. Und je nachdem bekomme ich dann die Dosierung des Cortisons.
Bei meinem letzten Schub, der leider noch nicht so lange her ist, habe ich jetzt zwei Monate damit gekämpft, dass es weggeht. Seit zwei Wochen bin ich vom Cortison weg, ja.
Lilli: Das heißt, die Schübe können eigentlich jederzeit auftreten, oder? Das heißt, das beeinträchtigt vielleicht auch deine Planbarkeit. Du weißt nie, wann es so weit ist. Und wahrscheinlich musst du dann, wenn sich das ankündigt, zur Neurologin, oder?
Bianca: Genau. Schübe können immer auftreten. Aber bei mir ist es so, dass mein letzter Schub vor sechs Jahren war.
Lilli: Echt?
Bianca: Ja. Ich nehme täglich Medikamente und bin zweimal im Jahr bei der Neurologin, muss dann auch ein MRT machen, wo dann einfach kontrolliert wird: wie schaut es aus? Gibt es gerade aktive Entzündungsherde im Gehirn? Genau. Und so hat man eigentlich mehr die Kontrolle und ein Gefühl dafür: ist es gerade eine kritische Phase oder nicht?
Das war immer mein Glaube. Ich war im Juni wieder bei meiner Ärztin und da hat es eigentlich ganz gut ausgeschaut. Es ist sehr stabil. Und im September ist auf einmal ein Schub da, der nicht so überraschend kam, weil das Jahr ein sehr schwieriges für mich war.
Und ich meine, für uns alle, aber wenn neben Corona auch noch viele Dinge in der Familie und so passieren, dann erhöht sich einfach auch die Schubgefahr. Negative Gefühle und Stress spielt alles mit. Und das war im Juni noch nicht absehbar, dass dann vielleicht irgendwas über den Sommer passiert.
Genau. Ich lebe nicht ständig mit der Angst, dass wieder ein Schub kommt, weil man irgendwie schon die Kontrolle hat, aber dann kann auch unerwartet was kommen. Genau.
Lilli: Und wenn ich das richtig verstanden habe, dann ist es ja eine entzündliche Krankheit. Und du hast ja gesagt, mit Ernährung, Entspannung und so weiter versucht man, die Entzündungen niedrig zu halten. Und Stress ist ja auch ein Entzündungshervorrufer, oder?
Vielleicht geht das dann alles so Hand in Hand? Lebensstil, Ernährung, negativer Stress, wenn irgendwas privat passiert oder man Stress in der Arbeit hat oder so, dass das dann vielleicht einen Schub auslösen könnte. Habe ich so die Zusammenhänge richtig verstanden?
Bianca: Genau so ist es. Es spielt nicht nur damit zusammen, dass ich jetzt zu viel in der Sonne war. Die mentalen Einflüsse spielen auch eine sehr große Rolle, ja.
Lilli: Gut, danke, Bianca. Eva, bei dir kann ich mich erinnern, wir haben uns ja bei einem Retreat auf Mallorca kennengelernt. Ich habe dich schon vorher von Instagram gekannt, aber da haben wir uns dann wirklich kennengelernt.
Und da hast du auch erzählt, dass du dich gerade ganz stark mit veganer Ernährung, überhaupt Ernährung, ganz viele Studien liest und so und dich einfach informierst, wie man entzündungshemmend leben kann. Also wie man über deinen Lebensstil deine Krankheit steuern kannst. Vielleicht kannst du dazu sagen, was deine Erfahrungen sind?
Eva: Ja, danke für die Frage. Erstmal Bianca, ich finde es so schön, jemanden mal darüber sprechen zu hören. Wir haben ja nicht das gleiche, aber es ist so, wo ich einfach denke: okay, es gibt andere, denen geht es auch so. Deswegen vielen Dank, dass du das so erzählst. Und genau, Ernährung ist auch bei meiner Erkrankung wichtig.
Wie Bianca auch schon sagte, auch bei allen Menschen, die gesund sind. Und ich hatte jetzt so eine ganz gute Lösung für mich gefunden. Und ich glaube, es gibt da nicht die eine Lösung, die für alle gut passt. Ich glaube, man muss sich echt damit auseinandersetzen.
Deshalb will ich jetzt auch gar nicht irgendwie genau erzählen, was ich jetzt mache, weil man tendiert ja dazu: oh, sie macht das, dann mache ich es jetzt auch. Aber ich glaube, das funktioniert nicht. Ich glaube, man muss irgendwie echt einen Weg für sich finden.
Aber man kann mit Ernährung auf jeden Fall viel machen. Und das finde ich erstmal irgendwie schön, das zu hören und zu wissen. Aber das finde ich, ist dann auf der gleichen Seite, weil du ja auch nach Herausforderungen gefragt hast.
Ich finde es manchmal total herausfordernd, nicht alles darum rum zu planen, sondern auch zu sehen, dass ich auch noch andere Faktoren mit in meine Planung einbeziehen kann, wie mein Leben aussieht. Natürlich plane ich das mit ein.
Natürlich weiß ich das, aber ich finde es auch wichtig, mich nicht nur zu fragen: was kann ich denn körperlich machen? Sondern auch: was will ich denn machen? Was interessiert mich? Was sind meine Interessen und Stärken? Was will ich machen? Und dann dafür eine Lösung zu finden.
Ich erwische mich da manchmal bei, dass ich denke: nein, das geht nicht, weil ich kann das körperlich nicht. Und ich habe noch nicht recherchiert, ob es nicht auch vielleicht doch eine Lösung gebe, die ich aber noch gar nicht kenne. Es ist so eine Balance.
Und ich finde die manchmal echt herausfordernd so zwischen „ich kümmere mich darum und richte mich danach aus“ und „ich lege aber nicht all meinen Fokus darauf, sondern ich nehme ich als kompletten Menschen wahr, der auch eine Erkrankung hat“. Deswegen finde ich solche Selbstständigkeit eine tolle Berufswahl.
Ich würde jetzt nicht sagen: alle, die eine chronische Erkrankung haben, sollten selbstständig sein. Das ist ja Quatsch. Aber wenn man irgendwie die Lust hat, das zu machen, dann kann man das auch mit chronischer Erkrankung. Und ich finde es total schön, weil ich kann ja alles so legen wie ich will.
Und das ist bei mir genauso. Ich bin schneller erschöpft als andere. Ich habe noch nie wirklich richtig irgendwo gearbeitet. Das war wenn, dann immer ein Praktikum. Aber ich war abends so müde und fertig. Und ich konnte nichts anderes machen als morgens zur Arbeit zu gehen und abends zurückzukommen.
Und da war für mich klar, dieses Standardsystem, was viele machen und irgendwie machen können, passt für mich nicht. Und das, finde ich ganz persönlich, ist echt so mit das Anstrengendste, immer eine Lösung zu finden, die nicht so eine Standardlösung ist. Das ist irgendwie total schön, weil dann passt es perfekt.
Aber ich finde das auch einfach mega aufwendig. Wenn ich jetzt zum Beispiel eine Wohnung in Berlin gesucht habe, Berlin hat in den Altbauten fast keine Aufzüge. Und eine Wohnung irgendwie in Berlin zu finden, ist schon schwer.
Aber dann eine zu finden, die irgendwie entweder ebenerdig oder mit Aufzug ist, das ist manchmal sehr herausfordernd. Und ich habe letztes was entdeckt und habe mich gefragt: wow, warum kannte ich das noch nicht? So die Diskussion über Ableism, so wird es auf Englisch genannt.
To be able, etwas machen können und dann -ism. Ableism bedeutet, dass man davon ausgeht, wenn es normal ist, dass man es tun kann. Und was dann passieren kann und ich auch von mir kenne, ist der internalisierte Ableism. Wenn ich irgendwas nicht machen kann, das ich denke, es liegt an mir und nicht anfange, das zu hinterfragen, wie es ist.
Dass ich zum Beispiel denke: wie blöd, dass ich jetzt nicht so gut Treppen steigen kann, anstatt zu denken: wie blöd ist es eigentlich, dass es so wenige Aufzüge gibt.
Und das finde ich total wichtig, sich immer wieder so ins Gedächtnis zu rufen, dass ganz oft gar nichts mit uns falsch ist, sondern wirklich mit der Umgebung, in der wir sind.
Ich habe das gelesen und dachte: oh mein Gott, das kenne ich voll von mir, dass ich wirklich manchmal auch dachte, das ist so aufwendig und so eine Last, wenn ich zum Beispiel auch mit Freunden unterwegs bin. Ich brauche immer so die Extrawurst.
Aber dann sagen: nein, es liegt vielleicht auch einfach an dem, was wir machen oder wo wir sind und nicht an mir, die irgendwie diese Extrawurst braucht. Das fand ich total gut, sich das nochmal ins Gedächtnis zu rufen.
Lilli: Das finde ich voll den guten Impuls, dass man sich fragt: liegt es vielleicht gar nicht an mir, sondern einfach an der Situation, dem System oder Umstand? Weil ganz ehrlich, ich war am Abend auch immer fertig, wenn ich Nine-to-Five gearbeitet habe, eineinhalb Stunden gependelt bin und so weiter.
Da habe ich mich auch immer gefragt: warum bin ich so müde? Was ist falsch mit mir? Die anderen gehen noch feiern, essen und das und das. Und ich will einfach nur ins Bett.
Eva: Ja, sogar noch Sport machen nach der Arbeit.
Lilli: Genau, ja. Danke für den Impuls. Vielleicht knüpfen wir da gleich an. Welche Erfahrungen habt ihr denn in der Berufswelt oder im Studium zum Beispiel gemacht? Du hast es jetzt schon angeschnitten, Eva. Bianca, wie sah das bei dir aus?
Bianca: Ja, in der Arbeitswelt habe ich eine schlimme Erfahrung gemacht, die mich eigentlich bis heute prägt. Als Studentin habe ich auch immer nebenbei gearbeitet. Und ich hatte einen Studentenjob und war eine Woche krank.
Und ich hatte einen Schub und war ganz, ich würde sagen, naiv, aber wahrscheinlich ist naiv das falsche Wort, weil eigentlich sollte das, was passiert ist, nicht passieren. Auf jeden Fall habe ich dort zu arbeiten begonnen und war ganz offen im Umgang mit meiner Krankheit und habe gesagt: das habe ich.
Und dann hatte ich wirklich einen Schub und war eine Woche zuhause. Und dann habe ich einen Anruf von meinem Chef bekommen, der mich angerufen und mir gesagt hat: ja, Bianca, wir haben uns überlegt, vielleicht solltest du dich über den Sommer ausruhen.
Und ich dachte mir im ersten Moment so: voll nett, dass sie irgendwie drauf achten, dass ich wieder gesund werde und sie mir den Sommer freigeben und ich dann ab September wieder arbeiten kann. Aber nein, das war, wie sich herausgestellt hat, eine Kündigung.
Lilli: Oh.
Bianca: Weil ich eine Woche im Krankenstand war. Und ich wäre dann in der nächsten Woche wieder in die Arbeit gekommen. Aber in der ersten Woche war ich einfach aufgrund des Cortisons so erschöpft, dass ich nicht arbeiten konnte.
Und das hat mich so erschüttert. Ich habe mich so schlecht gefühlt. Und es war das erste Mal, dass ich die Krankheit als Schwäche und irgendwie Benachteiligung gesehen habe. Ich werde benachteiligt, weil ich nicht komplett gesund bin.
Und bin dann aber zur Arbeiterkammer gegangen, weil auch der Zeitpunkt, an dem ich gekündigt wurde, war nicht der richtige. Es war Anfang des Monats, aber ich durfte nur Ende des Monats, wenn überhaupt, gekündigt werden. Und habe dann auch gewonnen.
Und sie mussten mich dann wirklich noch drei Monate bezahlen, weil das im Vertrag nicht richtig geregelt war. Und so eine Art Schmerzensgeld habe ich dann auch bekommen, weil es einfach nicht richtig war, wie sie da mit mir umgegangen sind. Und das nehme ich aber bis heute mit.
Ich habe dann in Jobs danach nie wieder darüber gesprochen, dass ich eine chronische Krankheit habe. Und ja, auch in der Selbstständigkeit spreche ich jetzt zum ersten Mal öffentlich darüber. Genau.
Lilli: Das tut mir sehr leid, dass du das erlebt hast. Ich kann mir vorstellen, wie du dich dann gefühlt hast, wenn man so abserviert wird.
Glaubt ihr, dass das in der Arbeitswelt generell ein Thema ist, dass wenn man nicht, sage ich einmal, 100 Prozent gleichbleibend wie eine Maschine funktioniert oder vielleicht eine Frau ist und vielleicht in den nächsten Jahren Kinder bekommen könnte, dann irgendwie so ein Arbeiter zweiter Klasse ist, sage ich mal? Ihr nickt.
Eva: Ja, ich bin so wütend gerade. Mich macht das so wütend, weil es so ungerecht ist. Und vor allem, dass es dich so erschüttert hat, dass es dich heute noch berührt, finde ich wirklich so skandalös. Es macht mich so wütend, das zu sehen, weil es wirklich nicht an dir liegt.
Und das ist so gemein, weißt du? Weil du hast jetzt mental und emotional immer noch diesen Scheiß, sorry, wenn ich jetzt hier ein bisschen fluche, zu kämpfen. Und das finde ich einfach ungerecht.
Und natürlich, ich glaube, wir kennen alle die Studien, die junge Frauen, irgendwie Anfang 30, zeigen, die vergeben oder verheiratet sind, werden jetzt nicht so gerne eingestellt wie, keine Ahnung, junge Männer im gleichen Alter. Und das wissen wir ja alle.
Und ich glaube, es ist total wichtig, sich dafür einzusetzen, auch wenn man nicht chronisch erkrankt ist. Zu schauen: in welchem Arbeitsumfeld arbeite ich hier eigentlich? Und gibt es Menschen in meinem Umfeld, die ich irgendwie dabei unterstützen kann?
Und wie du sagst, Bianca, es war ja nicht korrekt, bei der Arbeiterkammer hast du das durchsetzen können, dass es nicht okay war. Und ich glaube, es ist langer Weg, aber so wichtig, da nicht den Kopf einzuziehen und zu sagen: oh das ist jetzt so gemein, meine blöde MS und jetzt gehe ich mal irgendwie drei Jahre weinen.
Ich glaube, es ist irgendwie ein langer Weg. Aber ich glaube, das ist total gut, was du gemacht hast, nämlich sich da zu wehren und zu sehen, dass es wirklich gesetzlich nicht erlaubt ist. Und trotzdem passiert es ja. Und ich glaube, es gibt da ein großes Potential, sich zu verbessern, sagen wir es mal so.
Das können und sollten wir auf jeden Fall machen. Weil es gibt ja nicht nur chronische Erkrankungen oder Schwangere. Es gibt ja noch so viele andere Sachen mehr. Oder Erkrankungen, die man vielleicht nicht sieht, wie Depression. Ja, auch das sollte dann irgendwie aufgefangen werden können.
Und ich glaube, wir sind intelligent und kreativ genug, Lösungen im Arbeitsalltag zu finden, wie das funktionieren kann. Das kann man zum Beispiel in der Selbstständigkeit schon machen, aber man kann das natürlich auch in Unternehmen machen.
Wer sagt denn, dass alle Mitarbeiter 40 Stunden da sein müssen, um die Top-Leistung zu erbringen? Es ist sogar auch wissenschaftlich bewiesen, dass das nicht so ist. Ich verstehe auch gar nicht, warum wir das alle noch machen. Es ist doch längst bewiesen.
Es gibt auch schon neue Ideen aus Schweden mit dem Sechs-Stunden-Tag oder Freitag frei. Es gibt ja schon Positivbeispiele aus der Forschung, die sogar zeigen, die Produktivität und Leistung von Mitarbeitern geht hoch, wenn sie nicht so viel arbeiten müssen.
Deswegen verstehe ich es wirklich noch nicht. Weil es ist doch eigentlich klar, was gemacht werden muss. Aber alle denken sich abends: boah, bin ich müde. Irgendwas ist mit mir falsch.
Lilli: Ja, genau. Wir sind alle schuld.
Eva: Ja.
Lilli: Ja, die 40-Stunden-Woche ist ja ein Relikt aus der Zeit, als wir noch an Maschinen und Fließbändern gearbeitet haben. Und natürlich, wenn ich dort 40 Stunden stehe, kann ich mehr Stücke produzieren, als wenn ich 20 Stunden dort stehe. Aber wir sind ja längst in einer Dienstleistungs- und Kreativwirtschaftsgesellschaft.
Und da ist es eigentlich total kontraproduktiv, wenn man sich selbst so auswringt, sage ich mal. Und ich glaube auch, dass sich das wandeln wird. Und hoffentlich bald. Eva, du hast es gerade schon gesagt.
Die Selbstständigkeit kann da ein guter Weg sein, seinen eigenen Lösungen zu finden, auch selbstbestimmter zu sein und ich sage einmal, mehr Kontrolle über seine eigene Zeit und Energie zu haben.
Inwiefern war denn die Selbstständigkeit in Bezug auf eure chronische Krankheit hilfreich oder auch nicht hilfreich? Eva, magst du vielleicht gleich anfangen?
Eva: Ja. Ich glaube, diese Form der Selbstwirksamkeit hat mir total gut getan und tut mir total gut. Etwas zu machen und ich weiß, da mache ich das und bin dafür verantwortlich. Und dann funktioniert das oder auch nicht. Aber ich kann das selber steuern.
Ich mag das total gerne, weil ich glaube, ich bin nicht die Einzige, die das sehr unter Druck setzt, aber von außen irgendwie eine Aufgabe zu bekommen. Und ich habe das Gefühl, ich kann das körperlich oder warum auch immer nicht schaffen. Es ist eine der unangenehmsten Gefühle für mich. Vielleicht ist es tatsächlich beides so.
Ich habe nicht so gerne irgendwo anders gearbeitet und bin gerne selbstständig. Es hat sich dann irgendwie gut ergeben. Aber tatsächlich, meine Selbstständigkeit nicht als „das ist jetzt meine absolute Erfüllung“, die sie ja auch ist, aber das ist die Art und Weise, wie ich Geld verdienen möchte.
Und ich kann das so gestalten, dass es mir gut geht. Ich mag das Wort Wellness ganz gerne dafür. Ich finde, Wohlbefinden klingt irgendwie so ein bisschen spießerhaft. Dass es mir gut geht und dafür Systeme aufbaue, die das fördern.
Deswegen finde ich zum Beispiel Online-Marketing so genial, weil es ist ja wie Mitarbeiter, die für mich ständig Akquise machen. Ist doch genial. Das begeistert mich so, wenn mein Konto mit meiner Buchhaltungssoftware verbunden ist und die dann automatisch die Gewinn-Verlust-Rechnung machen und ich nur einmal klicken muss.
Ich denke mir: wow, tolle Mitarbeiterin, die mir das jetzt gerade gemacht hat. Man kann sich das ja so schön bauen, dass es wirklich wenig Arbeit im klassischen Sinne ist. Und ich finde das total schön, das dann zu machen. Und was ich vor allem noch mag, ich muss nirgendwo argumentieren, warum ich das so mache und es mir so leicht mache.
So dieses Gefühl von: ich müsste erklären, warum ich jetzt acht Stunden damit verbringe, obwohl ich vielleicht wirklich nur zwei brauche. Und dann nicht irgendwie vor meinem Computer zu sitzen und dann zu sagen: ja, ich habe jetzt acht Stunden das gemacht und war aber irgendwie sechs davon so auf YouTube.
Lilli: Ja, genau.
Eva: Mich macht das glücklich, das dann einfach schnell zu machen. Und dann ist es fertig und dann bin ich irgendwie glücklich.
Auf der anderen Seite, weil wir auch über Stress gesprochen haben, vor allem die Anfangszeit und bis eigentlich vor einem Dreivierteljahr, wo ich gemerkt habe, langsam kann man wirklich sagen, ich lebe davon und das ist jetzt wirklich meine Selbstständigkeit, war super stressig.
Ich hatte in meinem Leben noch nie so viele Selbstzweifel an mir, meiner Kompetenz, an dem was ich irgendwie mache und meinen Ideen. Und natürlich ist das Stress. Ich habe da nie drüber nachgedacht, ob das vielleicht in dem Sinne auch nicht gut war.
Aber ich wüsste nicht, wie man das sonst machen könnte. Aber ja, es ist natürlich deswegen. Ich finde das auch richtig, dass man das so offen zugibt. Eine Selbstständig ist nicht immer irgendwie: ich gehe jetzt mal Rosen im Garten sammeln und werde dafür bezahlt.
Letztendlich ist es ja eine Dienstleistung oder ein Produkt, wie jedes andere auch. Und natürlich ist das auch mit Stress verbunden. Man kann es sich leicht machen, aber trotzdem wird es immer auch stressige Momente geben. Das ist für mich.
Lilli: Und bei der Aufbauphase hilft es, vielleicht zu wissen, es wird nicht immer so sein. Irgendwann fängt es an zu laufen und irgendwann kommen die Kund*innen. Aber man muss da drübergehen. Niemand kann das erste Jahr der Selbstständigkeit überspringen, wo es noch viel zu lernen, tun und überwinden gibt.
Ja, finde ich auch wichtig, dass man das anspricht. Und wenn du in deinem Arbeitsalltag dann Stress hast, merkst du das dann gleich? Und steuerst du dann gleich gegen? Oder sagst du dann: okay, ich akzeptiere es jetzt, ich habe jetzt Stress, ich gehe jetzt da durch. Oder wie gehst du dann damit um?
Eva: Ich gehe dann eher da durch, weil ich finde, dass Selbstständigkeit und Unternehmertum bedeutet, dass man das, was man sagt, auch macht. Und natürlich, wenn es jetzt so überhaupt nicht geht, dann werde ich mich melden und was sagen. Aber ich habe einen hohen Anspruch an mich, das was ich zusage, dann auch zu machen.
Wirklich, wenn jemand von mir eine Nachricht bekommt: ich kann das Coaching jetzt nicht geben, dann muss es mir schon sehr schlecht gehen. Was ich eher mache, ist, dass ich dann reflektiere und sage: was genau war es, was so zu viel war oder nicht funktioniert hat?
Und dann merke ich mir das für das nächste Mal, dass es einfach nicht passiert. Als ich zum Beispiel angefangen habe, habe ich irgendwie so fünf oder sechs Coachings am Tag gegeben. Und ich war danach so fertig. Ich habe mir dann wirklich so aufgeschrieben: nicht mehr als drei Coachings pro Tag.
Und an die Regel halte ich mich bis heute. Das ist einfach dann so rauszufinden. Aber ich finde schon wichtig, das was man verspricht, auch zu machen. Aber es ist Geschmackssache. Man muss es dann auch, glaube ich, selber irgendwie einschätzen können, wie es einem geht.
Und ich nehme zum Beispiel keine Medikamente. Ich kenne das nicht, dass ich zum Beispiel irgendwie so viel Cortison in mir habe, dass ich es wirklich körperlich nicht kann. Und dann finde ich, ist es was anderes. Ja.
Lilli: Bianca, wie ist das bei dir? War die Selbstständigkeit das Allheilmittel? Oder hast du auch Auf und Abs? Und wie gehst du damit um, wenn sich deine Krankheit zeigt?
Bianca: Die Selbstständigkeit ist für mich auch ein Auf und Ab. Ich bin gerade in diesem ersten Jahr der Selbstständigkeit. Zu Beginn war es so ein Gefühl von Freiheit. Ich bin niemanden mehr Rechenschaft schuldig. Ich habe keine Chefin oder Chef mehr, der mir sagt, was ich heute tun muss.
Und bei mir auch das Ding immer, dass ja niemand wusste, welche Krankheit ich habe. Das heißt, ich musste es auch immer überspielen, wenn es mir nicht gut geht. Und das war für mich eines der schlimmsten Dinge im Angestelltenverhältnis, dass ich da nicht so ehrlich sein konnte. Aber es war für mich Selbstschutz.
Lilli: Aufgrund deiner Erfahrung. Du warst ja
Bianca: Genau.
Lilli: einmal transparent und ehrlich und
Bianca: Genau.
Lilli: hast dann eines auf den Deckel bekommen. Und ja.
Bianca: Ja. Genau. Und das ist jetzt in der Selbstständigkeit nicht so. Ich spreche jetzt mit meinen Kund*innen nicht ständig drüber, dass ich das habe. Zum Beispiel bei dem letzten Schub, den ich jetzt hatte, wusste ich zwar, ich nehme jetzt für eine längere Zeit Cortison, aber ich weiß auch, wie mein Körper auf Cortison reagiert.
Und ich weiß, dass es da Phasen gibt, in denen ich aktiv bin. Und ich wollte da nicht Unsicherheiten schüren, die unnötig sind. Weil es hört sich für eine außenstehende Person vielleicht schlimmer an, als es dann eigentlich ist. Und genau. Und da bin ich sehr froh, dass ich jetzt selbstständig bin.
Für mich ist die schon eine große Erfüllung eines großen Traums, den ich jahrelang hatte. Und ich muss aber auch noch in das Thema reinwachsen, es ist mein Business und ich bestimme, wann ich was mache. Und das habe ich aber jetzt auch erst in den letzten Monaten gelernt.
Bis zum Sommer hin hatte ich teilweise schon auch große Tiefs, wo ich auch sehr stark gezweifelt habe. Und ja, die sind jetzt natürlich immer noch teilweise da, aber nicht mehr so extrem. Und ich erlaube mir jetzt auch mehr Ruhephasen, weil ich in mir noch dieses „du musst acht Stunden aktiv arbeiten“ habe.
Und das ist irgendwie schwierig wegzubekommen. Weil wenn ich jetzt nicht von in der Früh bis am Abend am Computer sitze, fühlt sich immer so an, als würde ich mein Geld zu leicht verdienen.
Lilli: Das sind ja diese Glaubenssätze, die wir von der Gesellschaft bekommen. Man muss acht Stunden am Tag arbeiten. Und die Arbeit muss hart sein. Und dann verdient man es, Geld zu bekommen. Und wir nehmen das dann einfach unhinterfragt in unsere Selbstständigkeit mit. Und dabei muss es ja gar nicht so sein. Genau.
Wir haben es schon angesprochen, wir ihr kommunikativ damit umgeht. Wir haben auch ein paar Fragen bekommen beziehungsweise hat die Eva Fragen zu dem Thema auf Instagram gesammelt. Und die Johanna wollte wissen, was ihr zum Beispiel Kunden sagt, wenn ihr mal aufgrund eurer Krankheit nicht arbeiten könnt?
Oder was macht ihr auch, wenn es euch zwischendurch einfach so schlecht geht, dass es jetzt gerade gar nicht geht? Eva, du schaust dann trotzdem, dass es irgendwie geht. Und wenn nicht, dann sagst du es ab. Bianca, wie gehst du auch kommunikativ damit um?
Bianca: Ja, es kam schon vor, dass ich Kund*innen geschrieben habe, dass es jetzt etwas langsamer geht, weil die Situation mit meiner Krankheit jetzt wieder akut ist. Da war ich schon offen, wenn sich etwas wirklich gar nicht ausging. Und auch so, wenn ich eine Grippe oder Fieber habe, dann kommuniziere ich das auch.
Aber ich arbeite dann nur nicht, wenn es wirklich gar nicht geht. Und ich versuche auch, mehr Pausen einzubauen als ich es früher getan habe, wenn ich merke, es ist zu viel Stress. Ich will auch, ähnlich wie die Eva, alles fristgerecht fertigbekommen.
Da habe ich auch ein sehr hohes Verantwortungsgefühl beziehungsweise wenn es da eine Deadline gibt, dann mache ich das. Oder in meiner Arbeit ist es ja so, dass ich auch eine Dienstleistung anbiete. Und die Pinterest-Pins müssen rausgehen. Und das ist für mich die oberste Priorität.
Ja, da setze ich mich hin und mache das. Genau. Aber ich habe auch einen hohen Qualitätsanspruch an mich. Und wenn ich merke, es geht gar nicht und die Qualität leidet, dann würde ich auch nicht arbeiten.
Ich habe deshalb auch schon Termine abgesagt, weil ich wusste, dass ich jetzt das Mentoring nicht so gut geben kann, wie ich es mir gewünscht habe. Ja, das ist nicht mein Qualitätsanspruch. Dann sage ich das ab.
Lilli: Ja, das mache ich bei meinen Coachings auch so. Wenn ich merke, ich habe irgendwie Migräne, Kopfweh, es geht mir nicht gut, dann verschiebe ich es lieber, weil ich will, dass alle meine Kund*innen ein gleichwertiges Coaching von mir bekommen.
Aber dann hast du dir eigentlich eine schlaue Dienstleistung ausgesucht, weil mit Tailwind kannst du ja die Pins vorausplanen. Das heißt, du musst auch nicht jeden Tag da sitzen und das händisch machen, sondern wenn es dir gut geht oder du dir gerade die Zeit dafür nimmst, dann kannst du es ja vorausplanen. Ist eigentlich voll schlau.
Bianca: Ja, genau. Tailwind ist da ein super Tool. Das kommt mir sehr zugute. Und auch in der Zeit, wo ich die Medikamente genommen habe, habe ich dann schon vorausgeplant. An den Tagen, wo es mir dann gut ging, habe ich einfach mehr gemacht als nach dem mein Wochenplan festgelegt ist.
Da habe ich mich dann einfach selber ausgetrickst und die aktiven Phasen dann mehr genutzt. Und wenn es mir dann weiterhin gut ging, dann war das natürlich ein Plus, weil dann hatte auch noch mehr Zeit für andere Dinge außerhalb von Tailwind. Genau. Das war ganz gut.
Lilli: Eva, du wolltest was sagen?
Eva: Ja, ich wollte auch noch einmal sagen, weil es klang so, als würde ich alles so durchpushen. Ich hatte davor die Coachings abgesagt und dachte: am Donnerstag passt es dann wieder. Und dann war es auch wieder okay. Das war tatsächlich eine Erkältung, da habe sogar im Coaching so nach der Hälfte gemerkt, nein, das geht jetzt nicht.
Und dann habe ich es einfach gesagt. Ich habe so gesagt: hey, mir geht es gerade nicht so gut. Alles ist okay, aber ich merke, dass ich gar nicht so präsent sein kann. Ist es für dich okay, wenn wir dann eine komplette Stunde nachholen, wenn es mir wieder besser geht?
Was ich auch immer eine gute Lösung finde, weil wir alle kennen das, wenn wir mal krank sind, es ist etwas passiert und es geht uns emotional nicht gut, und das dann einfach zu kommunizieren. Man muss ja nicht immer sagen, woran es liegt. Das kann ja auch privat bleiben.
Aber einfach mit einer Lösung kommen und sagen: okay, das kann ich jetzt nicht machen. Wäre es für dich okay, wenn wir es dann machen? Oder ist es okay, wenn die Pins bei Tailwind nächste Woche einpflege oder so.
Einfach eine Information der anderen Person zu geben, wie man es denn alternativ machen kann. Dann, finde ich, ist es voll okay, weil das ist ja das Leben.
Lilli: Ja, genau.
Eva: Das dürfen ja alle irgendwie das so machen. Und weil Bianca vielleicht so ein Negativbeispiel hatte, was ja total erschütternd ist. Vielleicht um dann mal was anderes zu erzählen, ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Menschen total verständnisvoll reagiert haben.
Und es eher so war: gibt es was, was wir tun können? So sehr freundlich. Und ich hatte in meiner Selbstständigkeit auch noch nie eine Kund*in, die in irgendeiner Form gesagt hat, das findet sie irgendwie blöd oder so. Es war sehr verständnisvoll. Und ich gehe ja sehr offen damit um.
Ich glaube, ich muss auch irgendwie, weil bei mir sieht man es ja mehr. Und ich finde, das ist so dieses, wenn man so einen pinken Elefanten dabei hat, sollte man ihn vorstellen, weil sonst gucken alle auf den pinken Elefanten und fragen sich: warum ist ein pinker Elefant hier?
Und deswegen sage ich es einfach. Weil ich möchte ja, dass sich die Leute auf den Inhalt, die Dienstleistung oder was auch immer konzentrieren können. Dass nicht der Fokus zu sehr darauf liegt. Genau.
Lilli: Du hältst ja Online- und Offline-Workshops. Und da sagst du ja auch immer vorher einfach ganz kurz: ich habe eine Muskelerkrankung et cetera, so schaut es aus, los geht’s.
Ich habe das eigentlich auch immer so erlebt, dass die Leute eh Verständnis haben und dann eh nicht wollen, dass ich mich wegen ihnen jetzt quäle und unbedingt die Coaching-Sitzung einhalte oder so. Das habe ich auch noch nie erlebt. Aber ich habe auch eine ähnliche Erfahrung zu Biancas Erfahrung.
Das hat jetzt nichts mit krank sein zu tun. Deswegen war es ja bei dir noch schlimmer und eigentlich unverschämter. Da hat einfach das ganze Arbeitsumfeld und Unternehmen überhaupt nicht gepasst. Aber ich war einmal auch ganz transparent und habe in meiner Arbeit gesagt, dass ich in ein paar Monaten als Au-Pair wohin gehen möchte.
Und ich habe mir gedacht, ich bin voll lieb, freundlich und transparent und sage ihnen schon Bescheid, damit sie schon anfangen können zu suchen. Ich habe noch nicht gekündigt gehabt. Ja, und habe dann dadurch aber nur Nachteile erfahren. Ich habe als Einzige keinen Weihnachtsbonus bekommen und lauter solche Sachen.
Und da habe ich mir damals auch gedacht, wenn das die Konsequenzen sind, wenn man versucht, in der Arbeitswelt ehrlich und transparent zu sein, dann würde ich es auch nicht mehr machen. Und dann ist es auch kein Wunder, wenn es andere Angestellte auch nicht machen.
Braucht man sich nicht wundern. Ich finde, da fehlt oft so ein bisschen die Menschlichkeit und die Einsicht, dass wir alle Menschen sind, dass es jeden mal schlecht geht, nicht nur ein Arbeitstier ist und nicht nur für die Arbeit lebt. Ja. Gut, das ist wieder eine andere Geschichte.
Gut. Genau, dann hat die Natascha noch gefragt: wie bleibst du bei dir, wenn du das Gefühl hast, durch deine chronische Krankheit vielleicht nicht so schnell voranzukommen als andere, wenn es dir Energie zieht? Wer von euch mag darauf eingehen?
Eva: Gerne. Ich finde das so eine gute Frage. Weil ich glaube, dass wir dieses Vergleichen alle machen. Das ist ja letztendlich ein Vergleich. Und ich kenne niemanden, der bei einem Vergleich, den sie oder er selber zieht, gut wegkommt. Es ist eigentlich immer ein Negativvergleich, den man dann anstellt.
Und ich finde das eine so unglaublich wichtige Frage. Und ich glaube, dass wir das alle eigentlich noch so sehr lernen müssen, weil wir ja durch die Schule und Studium so darauf getrimmt sind, uns ständig zu vergleichen. Man kann ja nichts in dem Alter, wo man aufwächst, machen, ohne verglichen zu werden.
Lilli: Und ohne den Fokus immer auf die Schwächen zu legen.
Eva: Ja.
Lilli: Was im Aufsatz alles fehlt und falsch geschrieben ist und so.
Eva: Ja. So habe ja noch keine Eins. Und das finde ich doof.
Lilli: Ist ja so, ja.
Eva: Und ich glaube, das ist tatsächlich Übung. Ich hatte mal so den Vergleich gehört, es ist ein bisschen wie beim Yoga. Wer schon mal Yoga gemacht habt, man hat ja dann so seine Yoga-Matte. Und alle anderen haben auch ihre Matte und machen ihr Yoga.
Und wenn man beim Handstand guckt: wer macht denn so alles Handstand? Dass man das lässt. So dieses: bleib auf deiner Matte. Deine Matte ist so dein Gebiet und du machst deine Yoga-Übungen und bewegst dich. Und das ist alles, was zählt. Und das, finde ich, ist was.
Ich glaube wirklich, ich muss das immer noch üben, dass ich manchmal echt so denke: aber in der Zeit hat doch die Person das gemacht. Dass man damit aufhört. Es ist echt eine Herausforderung. Muss man erstmal machen.
Wenn vielleicht jemanden gut tut, das zu hören, ich habe so den Eindruck, dass ich echt wie so eine Schnecke irgendwie vorangehe. Und mir wird das einfach auch so gespiegelt: so, Eva, ja, du machst ja echt immer so ganz kleine Schritte, aber einfach immer weiter.
Und ich dachte: ja, das stimmt. Und wenn ich dann nur so den kleinen Schritt angucke, komme ich mir echt so langsam vor und denke: okay, jetzt nochmal das. Ja, okay. Hast du das noch nicht verstanden? Nein, okay, dann machen wir es nochmal. Aber dass man mit diesen Schritten ja auch total weit kommt.
Ich glaube, was dann echt hilft, ist, sich immer wieder so zurückversetzen: okay, wie war es denn zum Beispiel am Anfang? Und natürlich hat man Fortschritte gemacht. Und nicht so den Fokus auf den klaren Schritt, den man jetzt gerade macht, zu legen, sondern auf die ganze Strecke, die man schon gegangen ist.
Dass man aufhört, Schritte zu beurteilen. Man ist ja eh immer im Prozess. So diesen einen kleinen Teilschritt im Prozess zu beurteilen, macht gar nicht so viel Sinn. Sondern den ganzen Prozess an sich zu beurteilen.
Lilli: Vor allem, wer ist der Maßstab dafür, wie schnell oder langsam man im Business sein sollte? Vor allem starten wir ja alle mit anderen Voraussetzungen, ja. Wenn ich jetzt auf die Yoga-Matte gehe, um bei dem zu bleiben, ich bin ziemlich unbeweglich und komme nicht ganz runter und so.
Aber ich bewege mich ja dann trotzdem. Ich bewege meinen Körper, es ist gut für mich und es hat ja eigentlich keine Auswirkungen auf mich, wie weit die Yogalehrerin jetzt runterkommt. Ob sie bis zu den Zehen oder dorthin kommt, das betrifft mich ja eigentlich gar nicht.
Und es bringt mir auch gar nichts, wenn ich mich mit ihr vergleiche. Genau. Immer dieses stay in your own lane, bleibe auf deiner eigenen Yoga-Matte.
Eva: Wie ist das für dich, Bianca? Ich bin so neugierig. Kennst du das mit den Vergleichen?
Bianca: Ja, leider nur zu gut. Über den Sommer, hatte ich ja schon vorhin erwähnt, hatte ich ein großes Tief. Und schuld war eigentlich auch das Vergleichen mit anderen. Mein Social-Media-Konsum war zu der Zeit sehr hoch. Eine bestimmte App habe ich sehr viel verwendet.
Und ich musste dann einfach aufhören, weil ich wirklich so eingeschüchtert war und dachte mir so: oh, alle anderen machen so tolle Posts und geben so viel Mehrwert, aber meine Energie war einfach nicht da. Und wenn sie dann da war und ich was gepostet habe, war es aber trotzdem nicht das Gelbe vom Ei oder meinen Ansprüchen gerecht.
Und das hat mich dann noch mehr runtergezogen. Und den einzigen Ausweg, den ich dann gesehen habe, ist einfach, nicht mehr draufzugehen und einfach mal eine große Auszeit zu nehmen und mich auf andere Bereiche zu konzentrieren.
Ich habe mich dann auf den Kundenmagnet-Kurs von der Lilli konzentriert, der mir dann eine komplett andere Welt gegeben hat. Bei mir ist es immer so, weil ich mich so sehr vergleiche, will ich immer schnell vorankommen. Ich habe viele Ideen, die ich schnell umsetzen will, die aber dann vielleicht oft nicht so zu 100 Prozent durchdacht sind.
Und mir hat es total gefehlt, zu Beginn meiner Selbstständigkeit eine Basis zu haben. Und da muss ich sagen, ich habe es zu Lilli eh auch schon öfter gesagt, im ersten Modul des Kurses geht es um Vision, Mission und so weiter. Und das hat wirklich meine Augen geöffnet.
Das war für mich so ein Umbruch, muss ich sagen und hat mein Business komplett verändert. Das hat dann auch angestoßen, dass ich Re-Branding gemacht habe und so weiter. Und jetzt, ein paar Monate später, fühle ich mich viel sicherer und auch das Vergleichen wurde weniger. Genau.
Lilli: Dankeschön. Das ist so schön zu hören. Vielen Dank.
Eva: Ist das schön.
Lilli: Du hast die Arbeit gemacht. Du hast dich hingesetzt, die Videos angeschaut und die Workbooks durchgearbeitet. Und gerade das erste Modul ist das Schwierigste. Da sagen die Leute immer: puh, das war jetzt aber anstrengend.
Oder: du stellst aber Fragen. Aber wenn man das dann mal gemacht und hinter sich hat, dann erleichtert es einiges, weil man dann bei sich bleibt. Und was ist eigentlich mein Warum, meine Vision, Mission und nicht die der anderen?
Ja. Dankeschön. Die Johanna hat auf Instagram noch gefragt, ob es besondere Absicherungen gibt? Ich nehme an, in der Selbstständigkeit. Habt ihr da irgendwelche Zusatzversicherungen? Oder habt ihr euch damit beschäftigt? Eva, wie war es bei dir?
Eva: Ich finde das voll die gute Frage. Bianca und ich schütteln gerade beide so den Kopf. Ich habe dem Gesundheitsamt mal geschrieben. Da gibt es eine Beratungsstelle für chronische Erkrankungen, Behinderungen und noch irgendwas.
Aber da habe ich jetzt nach einem Beratungstermin gefragt, weil ich mir aufgefallen ist, dass ich das ja noch gar nicht irgendwo erwähnt habe. Offiziell habe ich das noch nie irgendwo dann angegeben. Und dann habe ich mich mal gefragt, warum ich das noch nicht gemacht habe.
Weil bei mir und auch Bianca kommen diese Schüben und dann geht es mir irgendwie schlechter. Aber ich gewöhne mich auch irgendwie voll schnell daran. Das ist dann mein neues Normal. Und dann dieses: ja, es ist doch noch gar nicht so schlimm.
Die Frage, die ich mir gestellt habe, ist wahrscheinlich: wie krank muss ich eigentlich sein, um Unterstützung haben zu dürfen? Und die Antwort war immer: nein, noch nicht krank, eingeschränkt und behindert genug.
Ja, ich glaube, dass ich da auch echt so mit diesem Anspruch rumgegangen bin: ich muss es genauso machen und gemessen werden wie andere gesunde Menschen. Das ist so krass. Das ist, glaube ich, wieder dieser internalisierte Ableism, dass ich dachte, ich muss genau so viel leisten wie jemand anderes.
Ich weiß ja noch nicht mal, ob es das gibt. Ich glaube, es gibt steuerliche Vorteile. Ich weiß es nicht so genau. Dass ich das noch nie vorher gemacht habe. Und das hat mich irgendwie so ein bisschen schockiert.
Weil so dieses „ich bin krank und erfolgreich“, „krank und wohlhabend“ oder „krank und reich“ ist irgendwie eine Kombination, die ich jetzt stärker so leben will und so zeigen: ja, natürlich kann man das. Aber ich finde, es gibt gar nicht so viele Vorbilder in dem Bereich. Ich weiß, zum Beispiel bei Game of Thrones gibt es den kleinwüchsigen.
Lilli: Ich habe das leider noch nie gesehen, muss ich gestehen.
Eva: Okay. Es gibt einen Menschen, der irgendwie so eine Einschränkung hat. In dem Fall ist es ein Kleinwüchsiger. Und hat vor allem am Anfang irgendwie ein bisschen auch eine Bösewichtrolle. Am Ende wendet es sich so ein bisschen.
Und dann sagt er in irgendeiner Szene auch: ja, ich bin ein Krüppel, aber ich bin ein reicher Krüppel. So von wegen, das Krüppel-Dasein wäre so schrecklich, aber wenigstens sei er reich und könnte es dadurch irgendwie so kompensieren.
Es wird so selten einfach jemand zum Beispiel im Rollstuhl gezeigt eine ganz normale Person, die einfach total reich ist oder so. Es ist irgendwie so, er wird krank und eingeschränkt sein und irgendwie nicht so gut
Lilli: Nachteil, ja.
Eva: verbunden. Und ich finde, vor allem als Frau kann man eh ein gutes Vorbild sein. Aber ich finde das voll wichtig, das auch zu zeigen und darüber zu reden, dass es möglich ist.
Lilli: Ja, und zu normalisieren. Dankeschön. Bianca?
Bianca: Ich möchte da gleich anschließen. Ich finde, eine chronische Krankheit, Depression oder was auch immer wird immer als Schwäche dargestellt. Aber ich kann jetzt nur von meiner Seite und Krankheit sprechen, wie ich damit umgehe, ich sehe es nicht als Schwäche, sondern auch teilweise als Stärke, weil es mir so viele Bereiche aufgezeigt hat.
Es hat mir aufgezeigt, was mein Körper leisten kann. Er ist krank und kann dann wieder gesund werden. Es hat mich in so vielen Bereichen zum Umdenken gebracht. Bereiche oder Seiten an mir, die ich vielleicht nie hätte kennenlernen dürfen, die ich nicht kennengelernt hätte, wenn ich nicht krank geworden wäre.
Und ich glaube, das muss man auch viel öfter in den Vordergrund stellen, dass krank zu werden nicht nur schlechte Seiten hat. Ich habe in meinem privaten Umfeld jetzt schon öfter gesagt, dass der Schub dieses Jahr das Beste ist, was mir passieren hat können, weil es mich wieder wachgerüttelt hat.
Es hat mich aus einem Tunnel herausgeholt und mir Wege gezeigt, wie ich meinen Alltag besser und positiver gestalten und mehr rausholen kann. Und nicht nur in diesem starren: ich muss jetzt arbeiten, arbeiten, arbeiten und darf mir nichts gönnen. Sondern es hat mir gezeigt, du darfst dir auch was gönnen.
Lilli: Eine Pause machen und so. Ja.
Bianca: Genau. Ja, und zu den Absicherungen noch. Ich habe mich da auch noch nie wirklich damit beschäftigt. Ist jetzt, glaube ich, ein guter Anstoß, mich da vielleicht auch mehr damit zu beschäftigen. Es gibt in Österreich die MS Gesellschaft. Die bieten auch viele Workshops und jetzt Online-Webinare an.
Da schaue ich mir schon immer öfter was an. Ich habe auch schon mal einen Behindertenausweis beantragt, weil da hätte man dann auch Vorteile wie zum Beispiel: man kann am Behindertenparkplatz parken oder was auch immer.
Aber da gibt es verschiedene Stufen. Man wird dann eingestuft. Und meine Stufe war zu niedrig, um jetzt irgendwelche Vorteile zu bekommen. Genau. Das habe ich mal gemacht. Aber sonst eigentlich auch nichts.
Lilli: Und wir haben im Vorgespräch schon besprochen, dass ihr beide auch nicht in Selbsthilfegruppen oder irgendwelchen Facebook-Gruppen und so seid. Könnt ihr dazu noch was sagen? Ist es, weil ihr euch nicht mit Kranken identifizieren wollt? Ja, erklärt ihr das, bevor ich irgendwelche Annahmen mache. Eva, magst du anfangen?
Eva: Ja. Ich bin tatsächlich in einer Facebook-Gruppe und die mag ich total.
Lilli: Dann habe ich das falsch verstanden.
Eva: Ja, nein, ich bin nur nicht in einer Selbsthilfegruppe, genau. Aber das hast du jetzt so richtig verstanden, ja. Aber ich der Facebook-Gruppe bin ich drin. Und das finde ich auch cool, weil manchmal habe ich wirklich eine ganz spezifische Frage, die wirklich nur Menschen damit beantworten können.
Oder jemand stellt eine Frage und ich kann was dazu sagen, weil es so spezifisch ist. Das wirklich nachvollziehen zu können, finde ich schön, dass ich weiß, es gibt Menschen, die mich wirklich verstehen können, weil sie es auch erlebt haben oder erleben. Deswegen finde ich das cool.
Und in Deutschland gibt es die deutsche Gesellschaft für Muskelkranke, wo die FSHD-Gruppe auch ein Teil von ist. Leben mit FSHD heißt die Facebook-Gruppe, falls jemand FSHD hat, gerade zuhört und dann auch rein möchte. Ich finde die schön, weil die ist auch moderiert.
Es gibt Menschen, die da ganz viel ehrenamtliche Zeit investieren, dass es schön funktioniert. Und was ich aber nicht so gerne mag, sind Selbsthilfegruppen, wo man sich irgendwie so einmal im Monat trifft oder so.
Für mich hat es einfach nicht so gut funktioniert, weil ich gemerkt habe, außer dass wir die gleiche Erkrankung haben, haben wir gar nicht so viel gemeinsam.
Und ich dachte eigentlich so, das würden so neue Freunde werden oder so. Aber irgendwie ist das nicht. Ich habe gemerkt, es gibt auch Personen, die haben die Erkrankung und die mag ich nicht. Und das habe ich vorher gar nicht gedacht. Weil ich so dachte, mit jeder Person, die das hat, sind wir bestimmt so auf einer Wellenlänge.
Aber es ist ja überhaupt nicht so. Natürlich gibt es da welche, die ich mag. Aber es gibt auch welche, die ich nicht mag. Und ich habe das eher dann so, dass wenn ich Bedarf habe, dass ich mich an die Facebook-Gruppe wende oder so ein bisschen mitlese.
Da bekommt man auch mit, wenn neue Studien gemacht werden oder Forschungsergebnisse da sind. Und das finde ich voll schön, dass dann da mitzubekommen. Ich habe mal eine Reha vor neun Jahren oder so gemacht.
Und dann war es für mich immer so, immer wenn man jemanden getroffen hat, wurde man auch gefragt: na, warum bist du denn hier? Und so ein bisschen ist das bei Selbsthilfegruppen auch. Warum bist du denn hier? Und ich mag es einfach nicht so gerne.
Lilli: Ja, wenn dieses körperliche Merkmal die einzige Gemeinsamkeit ist, dann ist es wahrscheinlich schwierig, eine Beziehung aufzubauen oder dass es dann auch hilfreich ist, dorthin zu gehen.
Eva: Ja, genau. Wie ist es bei dir, Bianca? Du bist auch nicht in einer Selbsthilfegruppe.
Bianca: Nein, ich habe es noch nie ausprobiert, in eine Selbsthilfegruppe zu gehen. Es sind wahrscheinlich Vorurteile, aber ich habe es mitbekommen als die MS damals diagnostiziert wurde. Ich war zweimal im Krankenhaus. Und da ging es dann immer nur um Krankheiten.
Und ich wollte mich eher auf die positiven Aspekte konzentrieren. An das muss ich mich heute zum Beispiel immer noch erinnern, ich habe meinen Arzt gefragt, welche Auswirkungen die Krankheit jetzt auf mich haben wird?
Und er hat zu mir gesagt: so lange ich immer nur das mache, was mir Spaß macht und Freude bereitet, was vielleicht positiver und kein negativer Stress ist, wird es mir gut gehen. Und das war so. Für mich ist Reisen auch ein ganz wichtiges Thema.
Dann habe ich auch gleich gefragt: ja, und darf ich jetzt nicht mehr reisen oder so? Dann hat er gesagt: nein, machen Sie das, was Sie glücklich macht.
Und da habe ich jetzt irgendwie so das Vorurteil, weil ich jetzt in eine Selbsthilfegruppe gehe und dann treffe ich nur auf Leute, die eine negative Einstellung haben und sich von der Krankheit vielleicht so vereinnahmen lassen oder so. Weil für mich ist es ein Begleiter. Und das bin ich nicht ich, sondern es ist wie so ein Rucksack, den man immer dabei hat.
Oder wie diesen rosa Elefanten, den die Eva erwähnt hat. Ich sehe es eher sehr negativ und nicht, dass es mich aufheitert. Ich konnte am Anfang auch nicht viel über die Krankheit lesen. Weil ich wollte irgendwie so selber einen Weg finden, um damit umzugehen.
Und ich wollte niemanden haben, der mir sagt: so und so geht man damit um. Genau. Ich habe es noch nicht ausprobiert, aber ich merke jetzt auch durch den Austausch mit der Eva, dass es schon gut tut, so gemeinsame Erfahrungen zu teilen.
Und ich habe auch im Umfeld Personen, die auch MS haben, wo ich dann auch einfach meine Ratschläge gebe. Und so gehe ich damit um. Wie ist das bei dir und so weiter? Das tut schon gut. Aber es sind dann Personen, die ich kenne und keine fremden Personen.
Eva: Ja, ich glaube, da würde ich zustimmen. Wenn man die Person mag, dann tut der Austausch darüber total gut.
Aber nur den Austausch des Austausch wegens, weiß ich nicht. Ich glaube, wenn jetzt jemand zuhört und die Person hat noch niemals mit jemanden gesprochen, die auch die Erkrankung hat, die diese Person hat, ich glaube, dass es dann total hilfreich sein kann, echt mal irgendwie bei Facebook zu gucken oder sonst irgendwo.
Also Kontakt zu Menschen aufzunehmen, die eine ähnliche Erfahrung gemacht haben. Weil ich glaube, dann fühlt man sich auch nichts so allein. Weil ich glaube, so dieses: ich fühle mich alleine mit dem, alle in meinem Umfeld sind irgendwie anders, dass es voll wichtig ist, da Kontakt zu suchen.
Und vielleicht ist ja die Selbsthilfegruppe für jemanden genau das richtige. Deswegen finde ich es voll wichtig, das jetzt noch einmal zu betonen. Wenn du, die gerade zuhört, merkt, ich habe noch niemanden, dann auf jeden Fall Kontakt suchen. Weil das auch wirklich sehr erleichternd und tröstlich sein kann, in der Hinsicht verstanden zu werden.
Bianca: Mir hat das auch total geholfen, mit meinem Umfeld darüber zu sprechen. Ich glaube, jeder meiner Freund*innen weiß genau über alles Bescheid, was mir passiert ist. Aber das war dann für mich ein guter Trost, auch mit Familienmitgliedern zu sprechen.
Weil auch die Familien müssen damit umgehen. Und da hilft es vielleicht auch, wenn man als Erkrankte das Thema da offen anspricht und sagt: du kannst mit mir darüber sprechen. Und es soll jetzt kein Tabu-Thema sein. Ja.
Eva: Ja, stimme ich dir total zu. Ich glaube, das dann einmal zu benennen und sagen, es ist okay, wenn ich gefragt werde, ganz wichtig ist, weil ich hatte die Erfahrung, wenn ich das nicht sage, dass die andere Person aus meinem Umfeld sich einfach nicht traut, weil sie mich nicht verletzten will oder nicht weiß, was richtig ist und was nicht.
Dann einfach mal zu sagen: ja, alle Fragen sind okay. Und ich spreche da gerne mit dir darüber. Und ich möchte, dass du das mitbekommst. Ich glaube, dass es total gut ist. Würde ich voll zustimmen, Bianca.
Lilli: Eva, hast du auch gute Seiten an deiner Krankheit entdeckt oder was deine Krankheit dir gelehrt hat?
Eva: Ich glaube schon. Und ich glaube, eine wichtige Sache war, weil ich ja immer wusste, okay, es wird irgendwann schlechter werden, habe ich ganz wenig in meinem Leben rausgeschoben, was das Reisen oder das Studieren, das ich wirklich studieren will oder sich selbstständig machen oder nicht, angeht.
Ich glaube, bei anderen Menschen ist das manchmal: ich habe ja ewig lange Zeit. Und bei mir war das eher, dass ich dachte: ja, vielleicht habe ich ewig lang Zeit, aber ich weiß gar nicht, wie mein Körper dann zu dem Zeitpunkt ist.
Weiß eigentlich kein Mensch so richtig, aber man geht ja immer davon aus, ja, es wird so bleiben, wie es ist. Und das fand ich cool. Auf der einen Seite hat es mich natürlich so ein bisschen gestresst, weil ich wusste: wie wird es denn?
Und super unsicher, so wenig planbar, was Bianca ja auch am Anfang gesagt hat. Aber es hat mich auch dazu gebracht, einfach die Dinge zu machen, weil ich dachte: okay, jetzt oder nie. Das hat es mich auf jeden Fall voll gelehrt. Und auch echt dieses sich nicht mehr zu vergleichen.
Das fällt mir fast, glaube ich, ein bisschen leichter, als vielleicht jemanden, wo die Person ganz gesund ist, weil ich genau weiß, ach, ich kann mich ja gar nicht vergleichen.
Ich habe ja wirklich ganz andere Startbedingungen. So dieses: wenn ich mir eh schon alles selber zusammensuchen muss, dann mache ich es auch so, wie es mir gefällt. Und das hilft irgendwie auch dabei.
Lilli: Ja, voll schön. Du bleibst mehr bei dir und lebst wahrscheinlich auch mehr im Moment.
Eva: Ja.
Lilli: Eine Frage habe ich noch an euch. Was würdet ihr euch denn von euren Mitmenschen wünschen? Ihr habt schon angesprochen, dass ihr ihnen die Möglichkeit gebt: hey, ihr könnt mich alles fragen, es ist okay.
Ich sage euch Bescheid, wenn ihr was Falsches sagt oder so. Gibt es noch irgendwas, was ihr euch wünschen würdet? Oder wo ihr sagt, das sollten eigentlich mal alle wissen? Bianca, vielleicht magst du anfangen?
Bianca: Ja, ich habe es vorhin schon erwähnt, ich würde mir wünschen, dass die Krankheit nicht mehr nur als Schwäche gesehen wird, sondern dass man jetzt vielleicht mehr ein Umdenken erzielen kann und sich die Menschen Gedanken darüber machen: kann das auch eine Stärke sein?
Oder kann eine Krankheit auch positive Seiten haben? Das würde ich mir ganz stark wünschen. Genau.
Lilli: Danke. Eva?
Eva: Ja, kann und würde ich so voll unterstreichen. Was ich schön fände, wäre, wenn jeder oder jede, der oder die zugehört hat, das System ändert. Das kann nicht von den Personen geschehen, die betroffen sind.
Natürlich können sie darauf aufmerksam machen, aber es wird nicht reichen, wenn nur Chronisch-Kranke das so gerne möchten, dass es sich ändert. Und dann fände ich schön, dass sich auch andere Personen für eine Gesellschaft einsetzen, die für viele Personen zugänglich ist.
Und das meine ich jetzt nicht nur irgendwie für mich, dass ich mir wünsche, es gibt mehr Aufzüge oder dass alle Wohnungen, die neu gebaut werden, barrierefrei sind, weil wir werden alle älter. Es macht so viel Sinn, die barrierefreieste Zukunft, die es irgendwie gibt, zu erschaffen. Das macht auf so vielen Ebenen so viel Sinn.
Und da fände ich schön, dass alle da mitmachen und das nicht als „oh, jetzt müssen wir uns irgendwie um irgendwen kümmern“, sondern eher aus einer Absicht heraus, dass es für alle zugänglich ist. Und ich glaube, zum Beispiel eine Freundin von mir arbeitet viel mit hörgeschädigten Personen.
Sie hat jetzt wegen Corona zum Beispiel eine Maske, die ein Plastik vorne hat, weil dann Personen, die hörgeschädigt sind, sie Lippen lesen, dass sie besser damit umgehen können. Und dann denke ich, das wäre so schön, wenn schon daran gedacht wird: wie ist es denn für andere Personen?
Das fände ich einfach besser, wenn mehr Produkte, Dienstleistungen, Häuser, Bahnhöfe, keine Ahnung, wenn alles mehr von Menschen durchdacht ist, die keine Einschränkung haben. Und dann auch echt einfach Fragen stellen. Was gibt es denn überhaupt alles? Weil oft würden die Leute es ja machen, wenn sie es wüssten.
Und ich glaube, manchmal ist so dieser Moment des: okay, nicht direkt machen, sondern erstmal überlegen: wie könnte man es denn zugänglich machen? Ich beziehe mich damit ein. Zum Beispiel wurde ich einmal gefragt: hey Eva, dein Coaching-Programm klingt so toll. Ich kann nicht hören.
Funktioniert das dann für mich auch? Und ich dachte: nein, es tut mir total leid, ich habe da nicht dran gedacht, aber das geht nicht. Ich werde jetzt noch Untertitel machen, dass auch du das irgendwie nutzen kannst. Ich beziehe mich da total mit ein.
Ich würde jetzt nicht sagen, ich weiß alles. Dafür offen zu sein und dass wir alle gemeinsam mitmachen, das fände ich richtig toll und würde ich mir wünschen.
Lilli: Cool. Das war ein Schlusswort. Vielen Dank. Ja, ich glaube, wir alle drei wünschen uns eine Welt, die für alle inklusiv ist und das ganz selbstverständlich und wo die Vielfalt gewertschätzt wird und jeder Mensch gleich ist.
Ja. Ihr lieben, vielen Dank für eure Offenheit und Antworten. Ich hoffe, ich habe nichts Falsches gesagt. Ich hoffe, ihr habt euch wohlgefühlt. Okay.
Bianca: Alles richtig.
Lilli: Sehr gut. Und ich hoffe und wünsche mir, dass das Interview die richtigen Leute erreicht. Und vielen Dank, dass ihr dazu beigetragen habt. Genau.
Eva: Vielen Dank dir, liebe Lilli. Es war sehr schön. Danke auch an Bianca.
Lilli: Ja, danke euch beiden.
Bianca: War ein sehr schöner Austausch, danke euch. Danke auch für die Möglichkeit, dass wir dieses Thema ansprechen konnten.
Lilli: Danke dir für die Idee und auch den Mut, weil du gesagt hast, das war jetzt eigentlich das erste Mal, dass du das öffentlich besprochen hast. Wir klatschen in die Hände.
Bianca: Danke.
Lilli: Gut, dann danke euch. Tschüss.
Links:
- Bianca Schönbucher: https://www.biancaschoenbucher.at/
- Eva Hunger: https://evahunger.com/
- Österreichische Multiple Sklerose Gesellschaft: https://www.oemsg.at/
- Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft: https://www.dmsg.de/
- FSHD Society: https://www.fshdsociety.org/
- Deutsche Gesellschaft für Muskelkranke: https://www.dgm.org/
Lillis kostenloser Jahresplanung-Adventskalender für Selbstständige: https://lillikoisser.at/adventskalender/
2 Antworten
Wow – was für ein tolles Interview! Ich bin ehrlich beeindruckt über eure offenen Worte. Vielen Dank dafür. Von Herzen alles Gute für euch ❤️.
Huhu, sitze mit im Boot … solidarische Grüße!