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Mehr InformationenIn dieser Episode des Pyjama-Business Podcasts spreche ich mit meiner Kundin und Kollegin Dr. Angelina Bockelbrink über ein Thema, das viele Selbstständige betrifft – und vor allem die, die neurodivergent sind:
- Warum sich Selbstständigkeit oft wie „Schule“ anfühlt,
- welche alten Leistungsfallen wir unbewusst aus unserer Laufbahn mitnehmen, und
- wie wir einen neuen Umgang mit unseren Ressourcen finden können.
Angelina ist Ärztin, Dozentin, Lerncoach und Expertin für Lern- und Entwicklungsprozesse – mit besonderem Fokus auf neurodiversitätssensible Begleitung. Sie teilt ihr Wissen darüber, wie Diagnosen helfen können, wie Maskieren funktioniert und warum das klassische Bildungssystem so viele von uns ausbremst.
Du erfährst in Folge 117 z. B.:
- Was Neurodiversität und Neurodivergenz wirklich bedeuten – und warum es wichtig ist, den Unterschied zu kennen
- Warum Mädchen und Frauen mit ADHS oder Autismus oft erst sehr spät erkannt werden
- Die unsichtbaren Hürden: Wie sich neurodivergente Menschen in Schule, Studium und Job „durchschlagen“
- Maskieren als Anpassungsstrategie – und welche Folgen es für Selbstbild, Energiehaushalt und Gesundheit hat
- Warum Schule oft wie ein „Programm für braves Funktionieren“ wirkt und wenig Raum für Individualität lässt
- Leistungsfallen im Business: alte Glaubenssätze wie „Ich bin nur wertvoll, wenn ich leiste“
- Neue Perspektiven: Wie wir unser Business so gestalten können, dass es zu unserem Nervensystem passt
- Warum nicht die Diagnose allein zählt – sondern das Verstehen der eigenen Funktionsweise
💡 Einige Highlights der Folge:
- Das Bild vom „Windows- vs. Mac-Betriebssystem“ als Metapher für unterschiedliche Denk- und Lernweisen
- Die „heimliche Leistungsgesellschaft“ im Online-Business – und wie wir uns davon befreien können
- Ressourcenschonung statt Selbstoptimierung: Was es braucht, um nachhaltig erfolgreich zu arbeiten
- Maskieren vs. Authentizität: Wie wir uns Schritt für Schritt mehr erlauben können, so zu sein, wie wir sind
Diese Folge ist perfekt für neurodivergente Selbstständige, aber auch für Coaches und Berater*innen, die ihre Arbeit neurodiversitätssensibler gestalten möchten … und für alle, die verstehen wollen, warum Leistungsdruck und alte Muster uns oft im Business blockieren.
Angelinas Website: http://angelina-bockelbrink.de
Angelinas Workshops: https://angelina-bockelbrink.de/workshops/
Angelina auf Linkedin: https://www.linkedin.com/in/angelina-bockelbrink/
Lies hier das Trankript der Folge von Cockatoo (Werbung):
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Hallo und schön, dass du wieder im Pyjama-Business Podcast eingeschaltet hast. Ich habe heute eine liebe Kundin und Kollegin von mir wieder mitgebracht, Angelina Bockelbrink, und wir werden heute darüber sprechen, wie neurodivergente Selbstständige, also zum Beispiel mit ADHS oder Autismus, im Business, in ihrem Businessalltag unbewusst in alte Leistungsfallen tappen können. Also wenn sich der Businessalltag quasi wie Schule anfühlt. Angelina ist Ärztin, Dozentin, Lerncoach und Expertin für Lern- und Entwicklungsprozesse und das Ganze neurodiversitätssensibel. Schön, dass du da bist,
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liebe Angelina. Danke für deine Zeit. Ja, ich danke dir für die Einladung. Freue mich sehr. Magst du kurz sagen, wie du zu deinem aktuellen Thema gekommen bist? Also du hast ja viele Erfahrungen, Perspektiven. Wie hat sich das dann quasi zugespitzt zu dem, was du heute machst? Das könnte ich jetzt so beschreiben, dass es klingt wie ein ganz großer Irrweg mit vielen Umwegen und Abwegen. Oder ich kann jetzt so tun, als sei das total klar gewesen. Also wie du es lieber hättest. Im Prinzip ist es schon so gewesen,
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dass, weil ich halt selber mich auch immer irgendwie gefragt habe, warum alle anderen irgendwie Dinge verstehen, die ich nicht verstehe. Warum irgendwie manche Dinge für manche Leute so leicht zu sein scheinen und nur für mich nie, habe ich mich schon immer mit Menschen befasst. Mit der menschlichen Psyche. Ich wollte dann auch nach dem Abitur Psychologie studieren, habe ich da nicht gemacht. Ich habe dann Medizin studiert, gewissermaßen auch einfach, weil ich es konnte. Also für mich war die Zulassungshürde jetzt keine Hürde. Es war immer so dieser Fokus, ich will verstehen, wie funktionieren eigentlich die Menschen? Was geht denn in den Menschen ab?
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Was passiert in den Menschen, dass es so läuft, wie es läuft. Und dann bin ich draufgekommen, ganz wichtig ist mir dieses Thema Gesunderhaltung. Also umfassend gesund bleiben und auch selber was dafür tun. Und das hört sich jetzt so an, als hätte es mit dem Lernen eigentlich gar nichts mehr zu tun, aber es hat eine ganze Menge damit zu tun, weil gerade so Systeme wie die Schule oder die Arbeitswelt, die Leute ganz, ganz schön krass auch krank machen können. Und ich dann auch so eine Stress, wie heißt
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das, Stressmanagement-Ausbildung gemacht habe, da auch immer das Gefühl gehabt habe, das setzt alles viel zu spät an. Das setzt immer dann an, wenn die Leute eigentlich schon krank sind, wenn es ihnen eigentlich schon schlecht geht. Und so bin ich dann wirklich dahin gekommen, die Leute möglichst frühzeitig zu unterstützen, ihre Ressourcen so zu nutzen, dass sie sie ideal nutzen. Also nicht im Sinne von Selbstoptimierung, sondern wirklich, um ressourcenschonend
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dahin zu kommen, wo ich selber hin möchte. Das, was in meinem eigenen Leben sinnvoll erscheint, was für mich Erfolg ist, was mir einfach ein handhabbares, verstehbares Leben, also ganz im Sinne der Salutogenese eben auch dieses Gesund-Erhalten gibt. Und so bin ich jetzt tatsächlich dahin gekommen, gerade zum Thema Prüfungsangst und wirklich auch so, wie gehe ich mit mir selbst um, wenn ich vielleicht nicht ganz so tick wie andere Leute.
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Und hast du auch eine Diagnose, wenn ich vielleicht nicht ganz so tick wie andere Leute. Und hast du auch eine Diagnose, wenn ich fragen darf? Nee, ich habe tatsächlich keine, aber ich vermeide auch jeglichen Kontakt zu Ärzten und Psychotherapeuten außer im privaten Kontext. Ja, okay, verstehe. Gut, das heißt du hast den medizinischen Hintergrund und hast dann aber gesagt, also man sagt ja auch oft, die ÄrztInnen behandeln nur Symptome und du setzt aber schon viel früher an, dass gar nicht erst zum Beispiel stressbedingte oder
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lebensstilbedingte Krankheiten entstehen. Ja, das klingt jetzt so, als würde ich die Leute gleich gesund erhalten können und ich glaube, das ist zu groß. Also so toll bin ich nicht, weil da gehört so viel zusammen. Mein Anspruch, mein Ziel wäre da schon. Das wäre so mein Wunsch. So dieses auch wirklich Selbstverantwortung übernehmen können für mein Wohlergehen. Überhaupt zu wissen, was brauche ich denn eigentlich, was ist gut für mich, wo sind meine Stärken und wo darf ich auf mich aufpassen.
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Also, weil das, was du sagst, so gesundheitlich wäre ja auch Ernährung und Bewegung und alles Mögliche und das kommt bei mir immer nur ganz am Rande. Also wirklich nur an dem Punkt, wo es dann so auch eben das Lernen anbetrifft oder halt so die Stressvermeidung anbetrifft. Also alles auf einmal kann ich auch nicht. Ja, verstehe ich. Dein Fokus ist ja auch die Neurodiversität.
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Für alle, die es nicht wissen oder nicht so ganz genau. Was ist denn Neurodiversität, beziehungsweise wie definierst du sie und was ist auch begrifflich einfach die Abgrenzung zwischen Neurodiversität und Neurodivergenz? Zwei wichtige Begriffe, die ja oft irgendwie auch synonym verwendet werden, obwohl es ja eigentlich nicht sind. Also Neurodiversität kann ein einzelner Mensch nicht sein. Die Diversität beschreibt wie immer unsere Gesellschaft.
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Unsere Gesellschaft ist vielschichtig, divers und eben auch im neurologischen Sinne. Also mit verschiedenen Betriebssystemen, die die Leute haben und verschiedener Ausstattung, sodass Menschen einfach unterschiedlich ticken. Und so klassischerweise gehört da eben alles dazu, was wir haben. Und da wird dann eben abgegrenzt von dem quasi neurotypischen, das normale, das was die Mehrheit ausmacht. Oder manchmal auch
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ausgedrückt als neuronormativ, also die Menschen, die quasi die Normen setzen, so wie Dinge zu funktionieren haben, unsere gesellschaftlichen Erwartungshaltungen und neurodivergente Menschen, also Menschen, die eben nicht in diese Norm gehören oder nicht passen. Und zum Beispiel ADHS, Autismus, auch Hochbegabung, LRS, also Lese-Rechtschreib-Schwäche, genauso wie eine Dyskalkulie, also eine Rechenschwäche, gehören da so typischerweise mit rein. Es gibt dann auch Definitionen, die gehen noch viel weiter, aber das möchte ich jetzt gar nicht ins Detail so definieren, weil ich denke, jeder, jede, die sich angesprochen fühlt, ist auch
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gemeint gewissermaßen. Also alles das, was einfach so das Betriebssystem ausmacht. Und in der Welt, in der alles auf Windows ausgelegt ist, ist halt leider schon einfach ein Mac irgendwie außerhalb der Norm. Funktioniert aber deswegen nicht schlechter, sondern nur in mancherlei Hinsicht anders. Wenn ich dann irgendwie auch noch mit einem Linux-Rechner ankomme, dann bestehen irgendwie selbst die, die den Mac haben, unter Umständen gar nicht mehr, wie eigentlich was funktioniert. Und so ähnlich
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ist es halt eben auch mit der Neurodivergenz, weil da gibt es auch verschiedene Kombinationen, wie jetzt eine Hochbegabung kann jetzt durchaus auch gepaart mit dem Autismus in einer und der gleichen Person vorkommen. Das dann so lustige Blüten treibt, wie dass diese Frau in manchen Bereichen unglaublich schnell ist, unglaublich gut versteht und trotzdem in anderen Bereichen, wie im Sozialen zum Beispiel, total naiv, unbedarft und manchmal sogar total ungeschickt wirkt. Also lauter solche Sachen können da einfach vorkommen.
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Ja, es ist ein Spektrum und ich kann aber nicht sagen, ich bin neurodivers als Einzelperson, sondern ich bin neurodivergent. Ja, genau. Und das Neuro bezieht sich eben auf Neurologie, also das Gehirn. Also wir reden hier von Gehirnbetriebssystemen sozusagen. Also Nervschwimm sind es eigentlich, wie es da geht vom Begriff her, aber ja, also quasi das
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nervliche im Gehirn verankerte Betriebssystem der Menschen in dem Sinne. Also wir haben natürlich kein Betriebssystem, aber wir stürzen auch nicht ab und es funktioniert auch nicht, uns einmal auszuschalten und wieder anzuschalten. Nur so, um das nicht so seltsam wirken zu lassen. Aber so ein bisschen, finde ich, ist das ein schöner Vergleich, der recht plakativ ist und ganz gut zu verstehen ist. Ein gutes Bild. Der Großteil der ZuhörerInnen jetzt gerade definieren sich als weiblich.
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Welche Aspekte gibt es denn speziell bei neurodivergenten Mädchen und später Frauen zu beachten? Also wenn wir jetzt da vor allem mal den Fokus legen auf ADHS, Autismus, Hochbegabung, so als die Bereiche, die glaube ich hier am wichtigsten sind, manchmal auch gepaart mit anderen Sachen, dann haben wir hier oft so dieses Phänomen, dass viele Mädchen oder Frauen gar keine Diagnose haben in dem Bereich und sich trotzdem seit Kindheit oder zumindest seit Jugend einfach irgendwie
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anders fühlen, oft fremd fühlen, wie von einem anderen Planeten, so als hätten alle ein Skript in der Hand und wissen, wie das Leben läuft, nur sie selbst nicht. Und ganz oft, was ich auch sehr traurig finde, haben gerade Frauen Diagnosen aus dem psychiatrischen Bereich. Depressionen, Angststörungen, posttraumatische Belastungsstörungen. Also alles Dinge, die schon irgendwie erklären, warum das Leben schwierig ist, warum manche Sachen nicht so funktionieren, aber nie zu diesem Punkt
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kommen, wo sich jemand dann wirklich verstanden fühlt. Oder auch Selbstdiagnosen in dem Bereich. Also ich habe auch ganz lange, ich wusste schon, dass ich introvertiert bin, irgendwie hochsensibel bin. Das gehört im Übrigen auch dazu, auch wenn es keine anerkannte medizinische Diagnose ist. Aber es hat nie alles erklärt. Also tatsächlich nicht. Und da immer so dieses, irgendwo ist da was. Irgendwie bin ich fremd.
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Irgendwie sind die anderen komisch oder ich bin komisch. Entweder ich bin falsch in der Welt oder die Welt ist falsch für mich. Das sind so oft diese Ideen. Und es ist ja immer noch so und war vor allem, als wir Kinder waren, so, dass wir anders sozialisiert wurden als unsere männlichen Klassenkameraden, Geschwister, Freunde. Und gerade Mädchen lernen dadurch oft so im sozialen Umfeld besser zu funktionieren, ohne es wirklich zu begreifen. Einfach Dinge
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nachzumachen, sich anzupassen, möglichst ruhig zu sein und selbst wirklich ausgeprägte autistische Symptome sind dann oft einfach interpretiert worden als die ist halt schüchtern, die traut sich nicht so, vielleicht ist sie auch nicht so besonders schlau und das war dann irgendwie so, haken dran, das ist okay, läuft einfach durch, während die Jungs eher dazu neigen, dann auch so mal lauter zu sein und mal irgendwie auch so diese Idee gehabt haben,
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diese klassische Idee von dem Toppel-Philip, der ADHS-Junge oder halt wirklich der vollkommen in sich gekehrte Junge, der irgendwie ein Spezialinteresse hat, sich nur mit einer Sache beschäftigt und hier und da mal austickt als Autisten. Und was anderes war irgendwie in den Köpfen der Leute nicht drin und ist teilweise immer noch nicht. Und deswegen rutschen auch immer noch Mädchen viel leichter durch durch dieses System und leiden dann still, passen sich nach außen an, also maskieren, verstecken. Die Aspekte ihrer Persönlichkeit, die irgendwie komisch wirken, für die sie auch oft zurecht gewiesen werden. Schau nicht so komisch, lächle doch mehr. Also lauter solche Sachen und geben
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sich dann nach außen in der Schule, teilweise auch in der Familie einfach anders, als sie innerlich fühlen oder innerlich sind. Und das ist halt eben bei Mädchen und bei Frauen oft auch noch weit ausgeprägter als bei Männern. Und tatsächlich auch, auch wenn du gesagt hast, die meisten verstehen sich als Frauen, bei den meisten Transpersonen auch. Also da ist es auch sehr stark eher Richtung Frauen, die sich irgendwie immer als Frauen auchn auch selbst bestanden. Ja, voll schlimm, dass das in einem so jungen Alter schon, dass wir das schon so mitkriegen, wie wir zu sein haben auf
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Grund unseres biologischen Geschlechts, berührt mich gerade irgendwie. Ja, ich würde es mir auch wünschen, dass es anders ist. Aber es ist halt auch jetzt noch sehr stark so, was ich in den Schulen sehe. Und war es vor zehn Jahren, vor 20 oder auch vor 40 Jahren. Ich wollte gerade sagen, zum Glück gab es jetzt gefühlt seit Corona diese neue Welle an Verständnis und Bewusstsein über ADHS und Autismus, auch bei Mädchen und Frauen. Aber ja, das kann ich mir gut vorstellen, dass das noch immer in den Schulen nicht so ganz angekommen ist und gelebt wird. Ich habe im Moment gerade so leider auch so ein
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bisschen das Gefühl, es gibt so einige Rückschritte. In Deutschland sehe ich in Österreich so, was so diese ganze Idee von Vielfalt im ganzen Sinne ja auch ausmacht. Also weil Vielfalt ist ja nicht nur neurologische Vielfalt, das ist ja unsere ganze Gesellschaft. Und wenn wir hier Rückschritte machen und irgendwie intoleranter werden, alte Klischee- Rollenbilder wieder aufwärmen, dann geht es auf alle Gruppen. Das geht an allen Leuten raus. Weil Toleranz, ja das ist was Globales. Ich kann nicht sagen,
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naja, ich bin ja tolerant gegenüber Frauen, aber ich kann keine Ausländer leiden. Also jetzt mal ganz blöd ausgedrückt. Geht so nicht. Entweder akzeptieren wir Vielfalt oder überlassen es. Und ich habe leider so ein bisschen das Gefühl, im Moment haben wir hier wieder Bewegungen, die eher Rückschritte darstellen. Was ich, also es macht mir tatsächlich Sorge. Von daher umso
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wichtiger, dass wir halt auch was tun und dass wir halt nicht uns das nur anschauen, sondern schon auch wenigstens versuchen zu sensibilisieren. Ich habe ja die Hoffnung, dass das so das letzte Aufbäumen des Rückständigen ist. Schauen wir mal. Habe ich auch schon mal gesagt, ja. Auch schon anderen Leuten gegenüber und manchmal habe ich jetzt selber so meine Zweifel, aber vom Prinzip bin ich bei dir. Ich hoffe auch und ich glaube es auch meistens. Wenn wir jetzt schon bei der Schule sind, welche Herausforderungen kommen denn in so Systemen wie Schule oder auch Ausbildung, Studium oder auch im
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Angestelltensein auf Menschen, auf neurodivergente Menschen vielleicht zu? Was sind so typische Stolpersteine? Also tatsächlich fangen ja oft die Probleme in der Schule, eigentlich schon in der Grundschule an. Und das ist so, diese Systemschule ist wie so ein Kasten, relativ eng und es war ja auch nicht dafür gedacht, um auf einzelne Menschen einzugehen, sondern es war gedacht, um brave Bürger und gute Soldaten zu erschaffen.
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Und es hat sich natürlich was verändert, aber nun ja, nur in Maßen. Und das heißt, die Idee ist dort immer noch sehr stark, wir lernen im Gleichschritt alle auf die gleiche Weise, zur gleichen Zeit, die gleichen Dinge. Und das funktioniert für ein normiertes Kind. Jetzt haben wir nur überhaupt keine normierten Kinder und gerade alle die, die tatsächlich Neurodivergenzen sind, sind noch weniger normiert als die
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anderen. Und das heißt, das funktioniert nur äußerst schlecht. Und da gibt es jetzt so verschiedene Kinder, also so an meinem Beispiel. Ich habe dann versucht, weil ich festgestellt habe, das ist irgendwie alles ganz komisch. Ich verstehe eigentlich gar nichts davon, ich gehöre irgendwie überhaupt nicht dahin, das ist nicht richtig, habe ich versucht möglichst unauffällig zu sein. Also bloß nicht auffallen, nie den Mund aufmachen und einfach machen, was von mir verlangt wurde,
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möglichst ohne Fehler. Was dazu führte, dass ich grundsätzlich super gute Noten hatte, damit auch leicht aus Gymnasium weitergegangen bin und das geschafft habe. Mir immer gesagt hat, du musst dich mehr melden, du musst mehr mitmachen, ein bisschen aktiver sein und in Zeugnissen stand dann immer drin, Angelina ist ein sehr ruhiges und schüchternes kleines Mädchen, ja, sie darf sich gerne mehr aktiv am Unterricht beteiligen. Das ist so ein Weg.
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Der führt vordergründig zu keinem Problemen. Weil alle sind zufrieden, das Kind macht und du kriegst keine Aufmerksamkeit. Ich habe es auch geschafft, wirklich bis weit in meine Gymnasialzeit hinein kein einziges Referat zu halten. Bloß keine mündlichen Vorträge zu machen, bloß nicht irgendwo im Mittelpunkt zu stehen. Die andere Option ist, ich weiß nicht, was du erlebt hast, ob deine Schulzeit vielleicht ganz anders war, es ist nämlich oft doch eher anecken und irgendwie Sachen nicht machen.
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Das Gerechtigkeitsgefühl, was oft sehr stark ausgeprägt ist, irgendwie verbalisieren und zu sagen, aber irgendwasgendwas, das passt nicht. Warum soll ich das machen? Da stimmt doch was nicht. Jetzt, manche Mädchen sind auch tatsächlich relativ laut und rebellisch, das ist aber nicht die Mehrheit, sondern oft mehr so dieses, ich will aber so nicht. Das muss doch anders sein. Erklär mir doch, warum das so ist. Bei mir ist es beides. Also ich habe einerseits diese Erinnerungen, sie ist so ruhig und schüchtern und sie träumt und schaut aus dem Fenster und hört nicht zu. Ja, weil ich auditiv nicht lernen
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kann. Mir kann wer was vorbeten, ich kann es einfach nicht erfassen und ich habe mir immer gedacht, es wäre doch viel klüger, wenn ich mich eine Stunde alleine mit dem Schulbuch hinsetzt und mir das durchlässt und dann kann ich es auch. Aber wenn es mir einer vorredet, quasi, ich kann es, es geht einfach nicht. Und andererseits eben auch dieses Hinterfragen, Anecken, Verweigern, wobei ich nicht das Gefühl gehabt habe, also bei mir war es jetzt zum Beispiel Mathematik, ich verweigere das aktiv, sondern es geht einfach nicht, ich checke es nicht, ich kann es nicht, ich will es nicht, es interessiert mich nicht. Das Interesse und die Motivation sind ja auch ein großer Faktor. Der Lehrer steht mir nicht so ganz zum Gesicht und es geht einfach nicht, aber die anderen Leute
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haben das nicht verstanden. Die haben gesagt, ja setze ich halt einfach hin und lerne das und mache halt die Hausübungen. Aber ja, dieses… Melde dich nicht so an, sei nicht so empfindlich, die anderen machen das auch, das kriegst du auch hin. Aber ich verstehe eben erst jetzt, 20 Jahre später, dass ich es nicht konnte und dass ich nicht einfach faul oder dumm oder was ich was war, sondern dass ich es tatsächlich nicht konnte. Also damals wusste ich das ja noch nicht. Wobei nicht können da ja auch nicht intellektuell nicht können bedeutet. Mein Gehirn konnte das nicht und wollte das nicht und hat nicht den Startschuss
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gegeben mit dem Dopamin, dass es dann losgeht, oder? Ja, beziehungsweise das waren die Zustände, einfach die Rahmenbedingungen, die dir nicht ermöglicht haben, dich damit auf eine Art und Weise zu beschäftigen, wie das dir zugänglich gewesen wäre. Und dann ist der Schritt sehr oft, dass du vielleicht und andere Kinder irgendwie glauben, ich bin einfach zu doof und ich kriege das nicht hin und das wird nie irgendwas und daran halt irgendwie verzweifeln. Aber in beiden Fällen, also egal ob ich jetzt intellektuell quasi allen zeige, ich kann das und dadurch so durchschleiche gewissermaßen, ohne dass ich auffalle oder vielleicht auch ein Jahr wiederhole,
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irgendwo zurückgehen muss, nicht so eine geradlinige Schullaufbahn habe, vielleicht erst sehr viel später meinen Abschluss schaffe. In beiden Fällen bleibt so was hängen. So dieses System hat nichts Gutes für mich getan. Ich bin da irgendwie durchgegangen, aber ich bin nicht ich, wenn ich rauskomme. Ich habe Sachen mitgenommen, die nichts mit mir zu tun haben. Das eine ganz offensichtlich, so dieses ich bin zu doof dafür oder halt auch ich
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bin zu ruhig, zu angepasst, eben nicht richtig und ganz stark bei mir zum Beispiel auch so ich bin nur gut, wenn ich was leiste. Also ich selbst bin nur wertvoll, wenn ich diese Leistung erbringe. Weil, ganz klarer Schluss, anerkannt bin ich nicht, gemocht werde ich nicht, aber wenn ich gute Leistung bringe, dann kriege ich dafür die Anerkennung. Also so als ein Schluss. Was auch ein ganz, ganz gefährlicher Trugschluss ist, wenn ich
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später dann versuche, mich selbst zu finden oder selbst irgendwo was anderes zu tun, wo ich vielleicht doch mal an intellektuelle Grenzen stoße, weil ich es nicht einfach so erarbeiten kann oder vielleicht tatsächlich nicht so leisten kann. Also das ist auch so ein ganz wichtiger Punkt. Und ein Kind, das irgendwie das Gefühl kriegt, sowieso zu dumm zu sein, traut sich unter Umständen von vornherein dann schon Dinge gar nicht zu, die es eigentlich könnte und braucht
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dann noch mehr Umwege, um überhaupt rauszufinden, was es kann und was es will. Weil was dabei grundsätzlich ganz oft hinten runter fällt, ist so dieses, wo bist du denn gut? Was machst du denn gern? Ja, das ist das, was du vorgesagt hast. Es hat gut funktioniert, alle waren zufrieden, aber warst du zufrieden? Das geht ja dann auf deine Kosten, dieses Anpassen und rein Zwängen. Und bei mir war es dann so, okay, wenn ich zu ruhig bin, passt es nicht, wenn ich
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meinen Mund aufmache, passt es aber auch nicht, ja, dann bleibt mir eigentlich nichts über, dann mache ich halt gar nichts mehr. Also ich hatte dann irgendwie auch keinen anderen Weg mehr als streiken und verweigern. Und die Verweigerung macht in aller Regel ja auch nicht glücklich, weil es ja nur ein Gegen-etwas-sein ist, ohne da herauszufinden, wofür bin ich denn. Das ist dann auch wieder tatsächlich ein ganz großes Problem für viele erwachsene Frauen. Wir wissen oft gar nicht mehr, wer sind wir denn eigentlich? Wir haben irgendwie nach außen immer
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wieder irgendwas gezeigt, sei es eine ablehnende Haltung oder halt auch wirklich dieses Perfektionismus, Zuverlässigkeit. Egal was, aber das ist das, was nach außen zu sehen ist. Das ist wirklich so, auch diese Maske zum Großteil, funktioniert nach außen in irgendeiner Form, weil meistens führt es dazu, dass man mich in Ruhe lässt. In irgendeiner Form, ja. Dass man mir nicht zu nahe kommt, dass man nicht wirklich hinterfragt, was mich dann verletzen könnte. Dass man auch nicht kritisiert wird, oder? Ja, vielleicht schon, aber für Sachen, die einem nicht so wichtig sind.
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Kritik tut dann hauptsächlich weh, wenn sie dich irgendwo trifft. Wenn die Kritik dafür ist, was du in der Hand hast, oder was du eigentlich weißt, das nicht stimmt, dann tut sie nicht weh. Aber wenn sie irgendwas anspricht, was wirklich wirklich im Innersten so ist, dann kann sie wehtun. Und dadurch, wenn das halt lang aufrechterhalten bleibt, wissen wir dann halt wirklich nicht mehr, wer bin ich denn eigentlich? Wo will ich hin? Was will ich überhaupt sein und nicht nur werden? Nämlich auch so ein Thema.
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Kinder sollen immer irgendwas werden, aber möglichst erstmal nicht selber irgendwas sein zu dem Zeitpunkt. Das ist gut gesagt. Wir haben jetzt schon das Thema Maskieren, Maske angesprochen. Kannst du das kurz erklären, was Masking ist oder Maskieren und wie das im Alltag ausschauen kann? Also prinzipiell eine Maske ist ja was, was sich so anhört, als würde ich mir das einfach aufsetzen, so wie eine Karnevalsmaske in Venedig oder in Rio. Maskieren im Sinne von Neurodivergenz ist natürlich ein bisschen komplizierter, weil niemand von uns sich eine Maske aufsetzt und die
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nach Belieben auf- oder absetzt. Aber prinzipiell ist es schon so, ich zeige nach außen eine Fassade, eine Maske, die das verdeckt, was in meinem Inneren ist, was ich nicht unbedingt jedem mitteilen möchte. Das machen alle Menschen in einem gewissen Maße, weil ich ja nicht jedem sofort auf die Nase drücke, dass irgendwie gestern meine Katze verstorben ist und ich gerade irgendwie in Sorge bin, weil meine Oma krank ausliegt. Das erzähle ich ja nicht unbedingt im ersten Satz nach dem Hallo. Also so eine gewisse Maske haben wir alle immer so,
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mehr oder weniger, aber bei neurodivergenten Menschen ist es halt noch extremer, weil immer wieder diese Rückmeldung kommt, du bist nicht okay so wie du bist. Also sei anders, sei nicht so empfindlich, stell dich nicht so an, mach das doch nicht so. Du bist unangenehm, du bist peinlich, du bist zu laut, du bist zu leise, du bist zu viel, du bist zu wenig. Also all das und dadurch entsteht einfach früher oder später so eine Maske, so eine Fassade nach außen, die den Leuten das gibt, was sie haben wollen.
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Und all das, was eben nicht richtig ist oder nicht richtig zu sein scheint, im Inneren versteckt. Und jetzt gerade bei ADHS, bei Autismus ist auch bekannt, dass Frauen extrem stark maskieren. Oft sogar so stark, dass es gar nicht mehr zu erkennen ist. Auch wenn, ich weiß das, manche Psychiaterinnen irgendwie sagen, das kann auf keinen Fall sein, weil also die Idee ist, Autistinnen haben nicht genug Introspektionsfähigkeit, um überhaupt zu erkennen, was von ihnen erwartet wird. Deswegen können sie
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selbstverständlich auch nicht so maskieren, dass man es nicht mehr erkennen würde, dass sie Autistinnen sind. Ich sage es kurz, ich halte es für Blödsinn, aber wer schon mal versucht hat eine Diagnose zu bekommen, hat sowas vielleicht, wenn er, sie, vor allem sie, Pech gehabt hat, auch schon mal gehört. Es ist nicht wissenschaftlich belegt und es ist auch nicht die einzige Wahrheit da draußen. Ich habe auf deiner Website gelesen, dass du auch Diagnosen machst oder Diagnosen gemacht hast.
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Und beim Thema Maske muss ich dann sofort denken an meinen Diagnosetest. Da hat mich diese Person, diese Frau, nämlich beobachtet, wie ich diese ganzen Computertests mache. Und ich war schon so ungeduldig und frustriert, ich hätte am liebsten den Computer aus dem Fenster geschmissen. Aber ich bin natürlich so ganz brav und lieb dort gesessen und habe alles gemacht. Und sie hat dann in den Bericht geschrieben, ja, die Frau Käußer ist ganz geduldig und ruhig und Ding. Und ich habe mir gedacht, ja, aber in mir drin hat es ja ganz anders ausgeschaut. Warum hast du mich nicht gefragt, wie es Ihnen gegangen ist?
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Ja, weil du das gar nicht wissen kannst. Ja, aber sie müsste ja wissen, was Maskieren ist. Also da war ich irgendwie dann voll geschockt. Deswegen ist mir das so wichtig, weil ich das auch erst vor kurzem mal wieder gehört habe. Und mich hat das beschäftigt, tagelang. Nein, nein, also denen fehlt die Introspektionsfähigkeit und überhaupt die Fähigkeit, das so zu spiegeln.
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Und das ist einfach nicht wahr. Es ist nicht wahr. Und ja, ich mache tatsächlich Diagnosen. Ich habe mich letztes Jahr in einer kleinen Privatpraxis niedergelassen, weil es hier auch in Deutschland einen massiven Stau gibt. Es gibt einfach so viel Bedarf, gerade bei erwachsenen Frauen Klarheit zu
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kriegen. Sei es wirklich eine Diagnose zu kriegen oder auch die Entscheidung zu treffen, ich brauche jetzt keine Diagnose. Ich dränge da niemanden dahin, weil ich finde auch, es kann sehr viel Klarheit schaffen und gleichzeitig denke ich oft auch, wichtiger ist, du gehst dahin raus zu finden, was brauche ich? Wer bin ich und wo will ich hin? Da ist eine Diagnose eine Möglichkeit, da auch einen Leitfaden zu finden. Aber es ist nicht die einzige. Von daher fand ich das halt wichtig. Bei mir ist es auf Selbstzahlerbasis.
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Ich weiß, dass sich das nicht alle leisten können. Es ist gleichzeitig aber auch so, es nimmt einen gewissen Druck aus dem System raus und wenn Leute, die selber zahlen, können das tun, haben auch wiederum mehr Leute Zugang dazu, die es eben nicht können. Und das finde ich halt dann auch, also habe ich mir auch selbst dann so dargelegt, um es auch von mir selbst rechtfertigen zu können. Aber irgendwie bezahlen lassen, tue ich mir den Aufwand auch gewissermaßen. Aber ich fand es wichtig, weil ich festgestellt habe, das ist für viele dann doch die Erleuchtung,
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okay, endlich weiß ich, ich bin doch nicht dumm. Sondern das ist mein ADHS, was da an manchen Stellen einfach kickt. Und okay, ich habe wirklich da Herausforderungen, aber ich habe dafür ganz andere Stärken. Und da einfach auch mal drauf zu schauen, das finde ich so wertvoll. Jetzt nicht nur in dem Business-Kontext, sondern wirklich auch für jede Einzelne als Mensch, als Frau zu sagen, okay, mein Gerechtigkeitssinn, das haben nicht alle Leute so. Das ist bei mir besonders ausgeprägt und das ist unfassbar wertvoll. Diese Idee, Sachen zu überdenken, kann man schon sagen, ja, du durchdenkst das alles viel zu viel, du zerdenkst das.
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Gleichzeitig ist es aber auch eine Gründlichkeit, eine Zuverlässigkeit, ein Blick auf Details sehr oft. Und einfach auch eine Loyalität, eine Verlässlichkeit, die bei vielen neurodivergenten Menschen da mit drin steckt und da den Blick darauf zu werfen und sich das bewusst zu machen, finde ich, ist so unfassbar wertvoll für Erfolg im weitesten Sinne, halt einfach für mein ganzes Leben. Ja und auch ganz viel Kreativität und Neugierde und Lösungsorientiertheit finde ich. Oder manche können total gut den Überblick behalten, aber eben auch die kleinen Details dann beachten.
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Also ich denke mir auch oft, ich hätte sicher nicht meinen ganzen Blog und alles so aufgebaut ohne ADHS, weil da war ich halt ständig im Hyperfokus, im Tunnel. Und ja, deswegen ist mein Business so wie es es ist. Ich kann es dann auch nicht mehr so trennen. Ich habe es so erlebt und schon oft gehört, dass es erst einmal eine große Erleichterung ist, eine Erklärung. Und dann aber auch diese Phase kommt, hätte ich das schon früher gewusst. Warum ist das meinen LehrerInnen nicht aufgefallen? Warum nicht meinen Eltern? Warum nicht den ÄrztInnen?
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Man fühlt sich so, man ist so durchgerutscht irgendwie. Also eh das, was du vorher beschrieben hast mit den Mädchen vor allem. Es gibt so ganz typische Phasen. Meistens ist erst mal auch eine Phase von Ablehnung dabei, dann eine gewisse Trauer nach dem Motto warum und warum ich und warum ist das alles so schwierig für mich. Dann aber auch dahingehend, warum wusste ich es nicht schon vorher, dann hätte ich ja alles ganz anders angehen können. Manchmal auch eine Wut dann dazu, auf die anderen, die es nicht gesehen haben.
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Sie konnten es nicht sehen, weil es einfach kein Bild davon gab. Dann langsam so diese Selbsterkenntnis und dann hoffe ich auch immer dieser Blick auf die ganzen Stärken. Leider ist es ja im System immer noch so, wie man schon in den Namen sieht, Aufmerksamkeitsdefizit, Autismus-Spektrum-Störung. Das sind nur Defizite, die ausgekippt werden.
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Das ist schrecklich, weil es ist so viel mehr dran. Es ist auch kein Defizit an Aufmerksamkeit. Es ist einfach eine Problematik mit der Steuerung der Aufmerksamkeit. Aber es ist genug Aufmerksamkeit da, manchmal sogar zu viel. Aber halt nicht unbedingt nur auf das, wo es jetzt vielleicht auch selber erwünscht ist. Und auch Autismus-Spektrum ist schon mal immerhin Fortschritt.
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Aber da dürfte man die Störung auch getoast weglassen. Denn ich bin der festen Überzeugung, in der idealen Welt wäre das jetzt noch kein Manko, keine Problematik. Ich bin sicher, die sind alle entstanden, weil es auch für Vorteile gesorgt hat für die betroffenen Menschen. Und es sind nicht die Menschen, die die Probleme machen, sondern die Gesellschaft in der jetzigen Form. Ich meine, gerade so die jetzige ältere
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Gesellschaft, die gehen zu einem Großteil in Frührente, viel mehr als jemals zuvor, oft aus psychischen Problemen. Ganz viel Herausforderungen, ganz viel Burnout, Depressionen, alles Mögliche. Und da zeigt sich ja schon, dass es nicht ideal sein kann für uns alle Menschen. Und wer dann halt noch mal da in manchen Bereichen vielleicht sensibler darauf reagiert, tut sich halt
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dann noch mal schwerer. Deswegen glaube ich es auch zum Teil, dass es mehr Diagnosen jetzt gibt, weil es einfach in dem System nicht gut funktionieren kann. Da ist die Passung nicht gut. Ja. Da kommen wir dann auch zum Business-Thema, glaube ich, wieder. Genau. Ich wollte noch ganz kurz fragen beim Maskieren. Du, aus deiner Erfahrung, würdest du sagen, wir können das verringern oder ablegen und sollten wir das überhaupt oder müssen wir das überhaupt? Also die Maske hat ja auch einen Nutzen für uns, Also weißt du wie ich meine? Ich weiß wie du meinst und die
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Frage ist oder die Antwort ist nicht ganz einfach. Denn gerade jetzt im autistischen Bereich sind ja auch autistische Frauen die eine viel höhere Suizidrate haben als fast alle anderen Bevölkerungsgruppen. Da ist bekannt, dass das vor allem auch mit starker Maskierung korreliert ist. Also wer mehr maskiert, hat auch ein höheres Risiko,
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Suizidgedanken zu haben oder sich umzubringen. Schwieriges Thema. Sorry, dass ich das so unvermötet anspreche. Das ist gut zu wissen, ja, danke. Aber das finde ich schon wichtig. Und tatsächlich ist ein Weg dahin, ein gesünderes Leben, neurodivergentes Leben zu führen, weniger zu maskieren. Also mehr zu sich selbst zu finden,
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mehr offen die eigenen Bedürfnisse auch auszuleben. Auch wenn die nicht so gut ankommen. Gleichzeitig ist auch klar, wenn ich dafür immer kritisiert werde, wenn mich Leute komisch anschauen, wenn ich da dauernd im Mittelpunkt stehe für Sachen, für die ich nicht im Mittelpunkt stehen möchte, wird es auch unangenehm und belastend. Von daher denke ich, ist ein Weg, wo ich mich selber wieder kenne, selber weiß, was mir gut tut und manche Masken fallen lasse.
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Aber bei Bedarf immer noch welche zur Hand habe, die vielleicht nicht mehr so fest sind, die vielleicht wirklich aufzusetzen und abzusetzen sind, so wie es mir am besten taugt, vielleicht am sinnvollsten. Ganz viel ist vielleicht auch, sich sein Leben so zu gestalten, dass es weniger Situationen gibt, wo diese Maske wichtig ist. Das denke ich, ist da ganz, ganz wichtig. Was nicht heißt, dass man nie irgendwie auch ein Bedürfnis haben darf, unauffällig durch die Welt zu gehen. Ja, also das ist ja auch ein natürliches Bedürfnis, oder, dass wir nicht aus der
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Herde herausstechen, weil das macht dann angreifbar oder so evolutionär gesehen. Kann man das so sagen? Weiß ich nicht. Das kommt wieder so aus diesem, die Menschen sind irgendwie Herdentiere. Es gibt ein wunderschönes Buch von Wolf und Bär und die stellen quasi die neurotypischen Menschen, das sind Wölfe, die in einer Herde leben und Neurodivergenten Menschen, in erster Linie Autisten, Autistinnen sind Bären und
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Bären sind nun mal Einzelgänger. Was nicht heißt, dass ein Bär keine Familie gründet, sich nicht liebevoll um seine Kinder kümmern kann oder auch durchaus mal Interesse an einem Artgenossen hat. Aber Bären im Rudel zu halten ist absolut nicht artgerecht und total sinnlos. Er wird damit nicht glücklich werden. Er wird nicht zum Wolf werden. Er bleibt immer ein Bär in einem Rudel und kann sich nicht regenerieren, kann nicht Kraft tanken, was er tut, indem er alleine ist. Anders als
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die Wölfe. Die Wölfe fühlen sich richtig wohl, wenn sie ein ganzes Rudel um sich herum haben. Die tanken Kraft daraus, dass sie in der Menge sind. Nicht jeder einzelne Wolf so aufpassen muss und so aktiv sein muss, sondern dass die anderen da sind und dass man alles aufteilen kann. Ein Wolf, der aus seinem Rudel ausgestoßen wird, der leidet. Ein Bär, der alleine im Wald streunt oder was auch immer ein Bär tut, ich weiß es nicht genau, der leidet nicht. Für den ist das so das natürliche Umfeld. Ich möchte jetzt nicht
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unterstellen, dass er streunt, ich weiß es nicht. Okay, das heißt da auch nicht alle so über einen Kamm scheren, wir sind nicht alle dieselbe Herde, sondern es gibt halt verschiedene Herden oder verschiedene Typen. Okay, verstehe. Sehr schön. Dann wollen wir noch übergehen zu den Selbstständigen. Also meines Wissens sind überdurchschnittlich viele neurodivergente Menschen selbstständig. Die Frage ist, welche Vor- und Nachteile hat die Selbstständigkeit für neurodivergente Menschen? Fangen wir
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vielleicht mal da an. Ich würde einen Schritt zurückgehen. Wieso sind denn diese Menschen überhaupt selbstständig? Warum sind wir überhaupt selbstständig, alle beide? Das ist ja ganz oft gar nicht eine aktive, oder irgendwann war schon eine aktive Entscheidung, aber nicht von vornherein der Plan gewesen. Also das war nicht das, was ich mir überlegt habe, als ich in die Schule gekommen bin und auch nicht, als ich mein Abi hatte.
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Sondern es ist ein Weg gewesen. Es ist gewissermaßen so passiert im Verlauf der Zeit. Man darf auch nicht vergessen, viele neurodivergente Menschen haben eine höhere Ausbildung, als sie dann im Job eigentlich arbeiten. Das heißt, die sind überqualifiziert für ihre Jobs. Die Gründe sind tatsächlich die gleichen. Denn über Schule haben wir schon gesprochen. Schule ist relativ starr. Die Erwartungshaltungen sind oft sehr eng
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und viele von uns passen da nicht so richtig rein. Irgendwann hat man es überstanden mit mehr oder weniger guten Schulabschluss in irgendeiner Form und dann kommt die Arbeitswelt. Manchmal kommt noch Uni zwischen rein. Früher oder später kommt der Zeitpunkt, wo wir irgendwie Geld verdienen sollen. Und dann landen wir möglicherweise in so einer ganz typischen Firma, wo auch es irgendeinen Chef gibt, der sich noch nie Gedanken darüber gemacht
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hat, dass Menschen verschiedene Bedürfnisse haben, dass vielleicht irgendwie die Lebensrealität unterschiedlicher Menschen auch unterschiedlich ausschauen kann. Da brauchen wir jetzt, also verschiedene Themen kommen da rein, ja unter anderem auch so Familien und vielleicht will jetzt nicht nur Mama dann zu Hause bleiben, sondern vielleicht gibt es auch andere Themen, die den Vater betreffen. Da kommen irgendwie so fühlen, wenn ich sage, sie hätten keine Zielsetzung. Und das sind oft auch so
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Situationen, die nicht gut funktionieren. Und dann kündige ich vielleicht, dann habe ich einen neuen Job, aber ich nehme mich ja mit. Und es ist nicht so, dass das immer nur der toxische Chef ist, sondern oft halt auch ein Zusammenspiel. Und ja, dann gibt es so verschiedene Wege. Und gerade wer vielleicht doch sehr was bewegen möchte, klug ist, eigene Ideen hat, sehr kreativ ist, kommt dann oft an diesen Punkt, ich mache mich selbstständig. Ich habe was zu geben, ich habe was zu sagen, ich will was tun.
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Und das tue ich dann halt nicht für irgendeinen Chef, sondern für mich selbst. Und so kommt es dann erst mal. Und das ist ja auch naheliegend, glaube ich. Was ich vorhin schon in unserem Vorgespräch gesagt habe. Ich habe nicht mehr diese starren Strukturen. Ich muss nicht irgendwann pünktlich auf der Mathe stehen und selbst bei Gleitzeit kann ich immer noch sagen, ich gehe jetzt lieber heute Vormittag ins Schwimmbad und arbeite heute Abend. Ich kann es besser nach
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meinem eigenen Chronorhythmus, also nach meinem eigenen Zeitrhythmus takten. Ich kann am Sonntag arbeiten statt am Montag in vielen Fällen. Also nicht wenn ich jetzt Kundetermine habe, aber ich kann in vielen Fällen mich viel flexibler orientieren. Ich kann auch alle Notwendigkeiten für Teilzeit leichter umsetzen, weil ich mache halt Absprüche bei meinen eigenen finanziellen Möglichkeiten dann, aber ich muss es mit niemandem klären. Ich muss es nicht erfragen.
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Und ich kann einfach meine eigenen Regeln aufstellen und das ist sicherlich für viele eine ganz, ganz großer Vorteil. Die Selbstbestimmtheit. Auch mit welchen Leuten arbeite ich, wie arbeite ich, wo, wann. Also man kann sich dann ja alles selber gestalten. Das kommt aber erst mit der Zeit, oder? Gerade am Anfang ist so dieses mit wem arbeite ich und wie arbeite ich. Zumindest bei mir war das noch sehr vage.
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Ich habe mich nicht getraut, diese Grenzen zu ziehen. Zum einen. Zum anderen, wenn ich Geld brauche, dann nehme ich doch eher einen Auftrag an, als dass ich ihn ablehne. Aber ja, mit der Zeit auf alle Fälle. Genau so dieses, nee, das widerspricht meinen Werten. Das ist ja auch was. Ganz viele Menschen, die ich kenne, die irgendwie neurodivergent in irgendeiner Form sind, die haben Werte, die haben Ideale, die wollen was Sinnhaftes tun.
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Also nicht die nächste noch süchtige Machung der Zigarette erfinden, sondern was tun, was die Welt vielleicht auch ein Stückchen besser macht. Das stimmt, ja. Und die Möglichkeiten gibt es da halt auch sehr viel einfacher, sehr viel besser, als wenn ich irgendwo angestellt bin ich nur Aufträge ausführe. Ja. Und was sind denn jetzt diese typischen Probleme, die dann auftauchen können im Alltag? Also natürlich ist es ein Vorteil, wenn wir uns alles selbst gestalten können, aber die Medaille hat auch eine Kehrseite, oder wie man das sagt. Das ist ja oft die Stärke von zum Beispiel ADHSlerInnen.
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So Zeitmanagement, Motivation, anfangen, dranbleiben, umsetzen, Buchhaltung. Buchhaltung, Steuer, nee, nee, wer macht denn sowas? Also es hat eben diese Vor- und Nachteile. Wir dürfen dann alles selber machen, aber wir müssen dann auch alles selber machen. Also was sind denn so typische Schwierigkeiten? Du hast ja ganz viel, was so typisches Zeitmanagement, beziehungsweise Selbstmanagement anbetrifft, gerade ja schon mehr oder weniger erschlagen. Und das Problem dran ist aber zum Teil, dass diese klassischen Methoden, die einem jeder empfiehlt, einfach nicht funktionieren. Also, ich weiß nicht,
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was so diese Klassiker sind, wie du eine Zeitplanung machst, Prioritätensetzung und so was. Das funktioniert aus verschiedenen Gründen für die wenigsten von uns. Ich hätte ein Beispiel. Es gibt ja diese Eat the Frog Methode, wo du quasi das Schwierigste zuerst machst und ich habe dann aber irgendwann gecheckt, ich muss zuerst was Einfaches machen oder vielleicht sogar auf Netflix eine Serie schauen, damit eben erst mal das Dopamin ausgeschüttet wird und ich anfangen kann. Und wenn ich das Schwierigste zuerst auf der Liste habe, dann fange ich halt gar
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nicht erst an, weil ich das nicht machen will, weil ich keinen Bock drauf habe. Also das wäre ein Beispiel. Da quäkeln sich die Brustwurst recht ewig ab und ja, aber eat the frog und das funktioniert ja für alle, aber dann funktioniert es halt nicht für einen selbst. Ja, das ist ein super Beispiel, weil man daran auch noch viel mehr sehen kann. Weil wie dieser Frog, dieser Frosch, nämlich aussieht, kann sehr unterschiedlich sein. Es gibt für manche Menschen, es ist eine riesen Herausforderung, den Telefon nachzumachen. Ja.
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Für andere ist das eine Lächerlichkeit. Ja, greif mal schnell mache es halt auch anders. Die Möglichkeit besteht ja auch. Es gibt ja nicht nur eine Möglichkeit der Kontaktaufnahme. Und ja, also auch bei mir ist es so, wenn ich da als allererstes was Unangenehmes auf der Liste stehen hätte, was ich nicht habe, zumindest schon lange nicht mehr, weil probiert habe ich es natürlich auch irgendwann, dann blockiert mich das. Weil ich mir dann so viele Gedanken darüber mache und irgendwie so lange darüber nachdenke, wie ich das jetzt denn angehen kann, dass ich auch zu nichts anderem komme. Deswegen funktioniert auch nicht. Und genauso
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irgendwie Möglichkeiten, sich unter Druck zu setzen, ich sage es mal so böse, wie es bei mir nämlich immer ankommt, irgendwie eigene Deadlines setzen, solche Geschichten, führt bei mir auch zu gar nichts. Es führt nur dazu, dass ich unter Druck bin. Da passiert dann auch sonst nichts mehr. Für andere funktioniert das super. Und das ist sicherlich so ein Thema und du führst ganz viel aufs Dopamin zurück. Das ist ein guter Ansatz, wo du sagst, okay, ich brauche das Dopamin, damit ich funktionieren kann. Nur, was ist, wenn du an einem falschen Ziel arbeitest, was gar nicht deins ist? Dann wirst du, egal wie geschickt du
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versuchst, dich zu timen, eine Zeitplanung zu machen, Pausen einzurichten und so weiter, trotzdem nie dieses Dopamin-Kick kriegen. Aber der Ansatz ist ganz woanders. Der Ansatz ist nämlich, nochmal zurück, bei dem was du versuchst zu sein, people pleasing, so ein ganz typischer Begriff, den du glaube ich auch öfter schon verwendet hast. Dadurch, dass du immer versucht hast oder irgendwer immer versucht hat, so zu sein, wie andere Leute es erwarten, wissen wir dann teilweise gar
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nicht mehr, wer wir selbst sind, haben wir vorher schon gesagt, beim Maskieren, und versuchen dann, den anderen zu gefallen. Und wenn wir das in unserem eigenen Business so machen, dann arbeiten wir auf Ziele hin, die überhaupt nicht unsere Ziele sind. Und dann wird es nie an den Punkt kommen, wo wir das Gefühl haben, hey, hier habe ich einen Hyperfokus, hier kann ich mich richtig konzentrieren,
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hier ist mein Rabbit Hole, wo ich jetzt eintauche und nicht mehr rauskomme, bis ich alles darüber weiß. Sondern dann wird es immer irgendwo zäh bleiben und mühsam bleiben. Und alle Versuche, das zu optimieren, bessere Zeitmanagement- Methoden, andere Zeitmanagement-Methoden ändern nur minimal was dran. Und das ist etwas, weshalb ich auch sage, schwieriges, komplexes Thema. Ja, total. Und sehr individuelles Thema einfach. Ich kann niemandem sagen, was das Thema hat.
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Ich finde, gerade in der Selbstständigkeit haben wir auch immer dieses Thema Vergleichen und viele oder alle haben auch so ein Bild im Kopf, wie ist eine gute Selbstständige, wie habe ich als Unternehmerin zu sein. Ja, ich muss am Montag um 10 Uhr meine Wochenplanung machen oder ich muss, ich muss, ich muss und vielleicht funktioniert es aber ganz anders, auch bei den Zielen. Ich habe auch die Erfahrung gemacht bei meinen KundInnen, ein Umsatzziel, also nur das Geld, das Zahlenziel, motiviert oft nicht so. Wenn man es dann vielleicht irgendwie anders ausdrückt, so ich will zehn Frauen helfen,
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dieses und jenes zu erreichen oder so, dass es dann vielleicht viel mehr Bock macht eben. Dein Beispiel gerade sind ja beides durchaus messbare Ziele. Genau. Und das eine ist aber vielleicht sehr attraktiv und das andere halt auch so gar nicht. Ja. Ja, was du gesagt hast, ganz viel von diesem ich muss, manchmal ganz bewusst, ich muss doch. Und die anderen machen das doch so auch so aber manchmal auch sehr unbewusst so diese diese erwartungshaltungen das hat so zu sein weil ich immer darauf geschaut habe wie muss ich denn sein und das vielleicht
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auch gar nicht so bewusst getan haben sondern immer so wie wie ecke ich nicht an wie komme ich dadurch wie muss ich sein, damit ich nicht auffalle? Und genau dieses verinnerlichte Müssen, so sind die Dinge, führt oft dazu, dass wir uns viel starrer an Regeln halten, als das andere Leute tun würden. Andere Leute hinterfragen die Regeln dann viel leichter oder brechen die einfach. Also nicht so diese absolute Gültigkeit dieser Regeln überhaupt zu sehen. Das erst mal zu erkennen, ist da so ein ganz, ganz wichtiger Aspekt, bevor ich
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versuche jetzt mein Zeitmanagement zu perfektionieren. Also so, wofür arbeite ich überhaupt? Wer bin ich? Und nicht, wer meine ich sein zu müssen? Was ist das, was ich wirklich gut kann? Ich habe das so oft gehört auch und habe es irgendwie lange überhaupt nicht verstanden, weil es bringt mir doch nichts. Nur weil ich was kann, will es doch noch lange keiner kaufen. Ne, aber was ich gut kann, das kann ich auch tatsächlich umsetzen.
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Damit kann ich arbeiten. Das ist meine Stärke. Und nicht mühsam irgendwas zu versuchen, was mir viel zu schwer fällt. Und dann eben, was du gesagt hast, diese Vergleiche. Gerade in Social Media. Hochglanzfotos, also glänzen zwar nicht mehr in echt auf Social Media, aber Hochglanzfotos vor dem Meer mit dem Laptop an der Strandbar. Sechs-, sieben- und achtstellig. Dann bin ich ja nur auf LinkedIn unterwegs. Da sind es dann die Rolexes um die Handgelenke, mehr als eine.
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Oder Leute, die zeigen, wie sie ihr neues MacBook in den Papierkorb werfen, weil der Auszubildende zu wenig Speicher mitbestellt hat. Okay. Also, es sind jetzt wirklich die überzogenen Beispiele, aber es ist wirklich absurd, wie das dargestellt wird. Und es ist, finde ich, trotzdem manchmal so schwierig, sich nicht nur klar zu machen, dass es gelogen ist, sondern sich auch nicht beeinflussen lassen zu dürfen, sich nicht
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davon beeinflussen zu lassen. Also sich wirklich diese Sachen am besten gar nicht anzuschauen. Und was ich ganz wichtig finde, auch wenn ich vielleicht wirklich ein Bär bin, der alleine durch den Wald streift. Streifen ist besser als streunen. Dann kann ich Gleichgesinnte finden. Menschen, die mich so annehmen, wie ich bin, ohne das zu bewerten und die vielleicht auch so ähnlich ticken, irgendwie ein bisschen komisch sind in dem Sinne. Und ich da einfach Feedback kriege, was mich vielleicht deutlich weiter bringt, als von den Menschen, die erstens keine Ahnung haben, wie ich bin. Klingt das für
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dich interessant? Ja, ja, genau. Ich habe gesehen, du bist auch in dem und dem Bereich unterwegs. Klingt das interessant für dich? Nein, tut es nicht, danke. Ja, also zumindest die Leute, die irgendwie länger irgendwo schon unterwegs sind, glaube ich, wissen, was ich meine. Manche andere vielleicht nicht, aber man kriegt so viel ungefragte Angebote, so viel ungefragte Ratschläge von allen Seiten und da ist, glaube ich, das W das wichtigste wirklich einfach mal weghören. Weghören, ignorieren, einfach gleich mal stumm schalten, nicht Energie drauf verschwenden,
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keine Ressourcen darauf verschwenden, sondern einfach weg. Der Gleiche weg, nicht auf das hören was andere sagen, wenn ich an dem Punkt auch schon weiß, dass es nicht funktioniert. Aber es ist oft leichter gesagt als getan. Ich finde auch diese ganzen Trends sozusagen schwierig, eben in dieser selbstständigen Bubble, die sich dann so weitertragen, sowas wie, du musst unbedingt einen Online-Kurs erstellen und dein Wissen aufnehmen oder wenn du kein Team hast und dich nicht selber ersetzbar machst, dann bist du keine richtige Unternehmerin. Und ich habe bei
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meinen Kundinnen gesehen und natürlich auch bei mir, wie viel Druck das aufbaut, genau dem zu entsprechen. Ich muss die ganze Zeit jetzt an meine eine Kundin denken, die hat so lange versucht und sich abgemüht einen Online-Kurs zu erstellen und im Coaching hat sich dann herausgestellt, sie will das nicht. Sie will eins zu eins ganz old school als Dienstleisterin mit ihren Kundinnen arbeiten und das ist total okay. Aber mal an diesen Punkt zu kommen, das zu
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erkennen und abzugrenzen von dem, was man tun sollte vermeintlich, und sich das auch selber zu erlauben, da muss man sich dann immer wieder so hinbesinnen, finde ich, um diese Sachen eben nicht so unreflektiert zu übernehmen. Ja, vor allem, weil du sagst unreflektiert, aber es ist oft gar nicht so unreflektiert, weil wir ja an vielen dieser Punkte nicht die Erfahrung mitbringen. Gerade wenn es jetzt um Selbstständigkeit geht, um das eigene Business geht, da können wir in
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anderen Bereichen noch solche Expertinnen sein, aber da wissen wir es dann teilweise nicht. Dann hinterfragen wir das. Ich weiß auch, was mich so ganz doll getriggert hatte, das war dieser 5 a.m. Club. Ich weiß eigentlich schon von jeher, dass ich kein Frühaufsteher bin. Ich kann in der Früh nicht leisten. Ich muss zwar inzwischen auch, also inzwischen ist gut, schon seit Jahren mit den Kindern, wenn die Schule haben, irgendwie in der Früh aufstehen, aber noch mal eher irgendwas
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schaffen, weil das die einzige Möglichkeit ist, wie ich jemals erfolgreich werde. Es geht einfach nichts und trotzdem war das irgendwas, was immer in meinem Kopf gekreist ist. Wer erfolgreich sein will, muss früh aufstehen. Und das wieder loszuwerden, obwohl ich all dieses Wissen hatte, obwohl ich auch weiß als Medizinerin, wir haben unterschiedliche Chronorythmen, nicht jeder von uns hat die gleichen Leistungsphasen am Tag und sowas. Und trotzdem hat es mich unfassbar
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lang getriggert, dieses Thema. Verstehe ich, ja, das war auch so ein Trend. Ich sage immer die neue Sau, die durchs Dorf getrieben wird. Irgendwie gibt es dann immer so Themen und Wellen und alle springen auf und machen mit und zwei Jahre später sagt man so, okay, eigentlich war das doch ein Blödsinn für mich. Also zwei Jahre hätte ich das nicht ausgehalten, aber gut. Bin ich da auf das bezogen, aber ja, im Nachhinein kommt man dann oft erst drauf. Ja. Ich habe noch eine Frage von einem Community-Mitglied und zwar wollte sie wissen, warum setzen wir uns oft die eigenen Ansprüche von vornherein viel zu hoch?
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Ich glaube, einiges steckt schon drin in dem, was wir gesagt haben, oder? Also für mich ist ein Aspekt genau dieser, ich bin nur gut, wenn ich leiste. Das ist was, was ein Teil von uns sicherlich schon mitgenommen hat, einfach aus Schule, aus Studium. Da ist so eine ganz wichtige Frage, wer bin ich denn eigentlich, wenn ich jetzt mal nicht leiste? Und bei den anderen kommt es manchmal auch erst später, weil gerade so dieses Gefühl, ich bin zu dumm, ich kann das alles nicht, führt dann genau im Umkehrschluss dazu, wenn ich feststelle, so dumm bin ich gar nicht. Ich kann ja doch was. Das wird uns als Drecht auch nochmal überfordern.
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Also egal, ob das eher am Anfang schon dieser Leistungsgedanke sehr stark war oder erst später gekommen ist. Das kann jeweils wirklich auch dazu führen, dass wir den dann mit ins Business nehmen. Das andere ist dieser Vergleich, dieser dauernde Vergleich. Wir sehen Leute, die scheinbar, ohne sich jemals anzustrengen, im ersten Monat ihrer Selbstständigkeit so viel Geld verdienen, dass die sowieso schon in Dubai, in Bali oder sonst wo am Strand sitzen können
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und auch noch Zeit haben, das Ganze zu posten. Ja, und auch wenn wir wissen, dass es nicht wahr ist. Also ich weiß von mir, das hat doch Auswirkungen auf mich gehabt, solange ich es mir regelmäßig angeschaut habe. Die einzige Methode dagegen war das einfach auch nicht mehr anzuschauen. Und damit haben wir immer wieder so dieses Gefühl, wir genügen nicht und rollen damit das auf, was wir gelernt haben. Wir sind anders, wir sind komisch, wir sind nicht gut genug, wir sind nicht ausreichend. Und wenn es nicht mehr von
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außen kommt, dann sind wir großartig darin, das in uns hineinzunehmen und uns aus uns heraus genau mit den gleichen Dingen, die wir früher von außen gehört haben, wieder anzutreiben. Und nicht nur anzutreiben, das wäre ja noch okay, sondern halt auch wirklich extrem in den Stress und in die Überforderung zu treiben. Über die Grenzen zu gehen dann. Es sind ja effektive Antreiber teilweise. Also gerade so dieses Gefühl, ich muss das perfekt
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machen, ist zum einen ein guter Antreiber, neigt aber, das heißt neigt nicht dazu, aber führt schnell dazu, dass es auch ein zu viel wird. Ja. Das ist einfach auch, was ist denn, wenn ich mal nicht alles perfekt habe? Was ist denn, wenn ich jetzt irgendwie, wenn mein Angebot floppt, wenn ich eine Prüfung versaue, wenn ich auf der Bühne stehe und ein Blackout habe. Also das darf dann halt nicht passieren und dann muss noch mehr vorbereitet werden, dann muss ich noch mehr und dann geht es doch in eine Selbstoptimierung,
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die einfach definitiv nicht gesund ist und da ist es dann auch schnell an dem Punkt, wo wir kein Ende finden. Nie der Punkt erreicht ist, wo ich sage, jetzt ist auch genug. Jetzt habe ich fleißig gearbeitet, jetzt gehe ich in Schwimmbad oder jetzt bin ich vorbereitet und kann beruhigt auf diese Bühne steigen. Also egal was, aber da wird es dann halt sehr schnell einfach zu viel. Ja, das kann ja auch so eine Falle sein. Gerade in der Selbstständigkeit gibt es immer was
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zu tun. Also die To-Do-Liste kann endlos sein und natürlich könnte man immer noch einen Task erledigen oder man sagt, nein, ich bin jetzt fertig für heute und auch ohne schlechtes Gewissen Feierabend. Ja, aber nicht nur in der Selbstständigkeit. Also ich meine, du hast auch einen Haushalt, vielleicht einen Garten. Die sind nie fertig. Du hast dir vorgenommen, mehr Sport zu machen. Mehr ist immer relativ, weil es geht noch mal ein bisschen mehr. Vielleicht dann doch noch irgendwie Kinder, die können auch immer irgendwas brauchen. Und eine perfekte Mutter bin ich garantiert nie.
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Dann will ich irgendwie was lernen und lernen ist sowieso sowas. Also das mache ich ja ganz viel auch so eben als Lerncoaching. Die Leute begleiten in Prüfungssituationen, in wissenschaftlichen Arbeiten, in Abschlussarbeiten, all sowas. Da geht immer noch mehr, weil ich bin, egal wie gut ich mich vorbereite, nie so gut vorbereitet, dass nicht irgendwo noch das Risiko bleibt, dass mir jemand eine Frage stellt, die ich nicht beantworten kann. Das wird nicht erreichbar sein. In keinem Fall. Das geht nicht,
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außer ich weiß alle Fragen vorher. Aber wenn ich wirklich eine Prüfung habe, so wie im normalen Prüfungssetting, wo ich Fragen kriege, die ich nicht vorher kenne, kann ich nicht perfekt und 100 Prozent vorbereitet sein. Und diesen Schritt zu finden, zu sagen, es ist gut genug so, wie es ist. Der fällt uns halt dann oft noch schwerer, weil wir all diese diese Kritik, die wir mitgenommen haben, einfach so verinnerlicht haben, dass die dann von innen manchmal sogar fast noch stärker
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wirkt, als sie von außen jemals wirken konnte. Also so ganz böse ausgedrückt. In vielen Fällen wird uns unsere Mutter nie so kritisiert haben, wie wir das selber tun. Ja, das glaube ich, ja. Wir haben über Ziele schon gesprochen. Welche Tipps hast du denn für neurodivergente Selbstständige, um realistische und attraktive Ziele zu setzen. Ich denke, das ist so auch ein bisschen dieser Punkt, was du beim Zeitmanagement ja schon angerissen hattest, dass es auch wirklich sehr stark damit zusammenhängt zu wissen, wer ich selber bin und worauf ich arbeite und was mich motiviert. Und ich sage in aller Regel, ich finde diese ganzen Übungen aus der Achtsamkeitsmeditation oder auch
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Therapie sehr sehr hilfreich, um einfach auch zu erkennen, wo sind meine Ressourcen, was ist für mich attraktiv. Weil attraktiv, das können ja verschiedene Sachen sein. Du hast so ein schönes Beispiel gehabt, das Geld. Aber wenn ich überhaupt keinen Bezug zu Geld habe, dann ist das schon okay, wenn ich davon leben kann. Aber viel lieber möchte ich wirklich für eine bestimmte Anzahl an Menschen einfach einen Unterschied im Leben gemacht haben. Und daran erkenne ich meinen Erfolg. Nur weil
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mein Konto voll ist, motiviert mich das vielleicht nicht. Genauso auch, es gibt Leute, die arbeiten total gut mit kurzfristigen Zielen. Möglicherweise auch mit intensiver Vorbereitung. Das mache ich zum Beispiel bei Lernplänen sehr gerne. Wo geht es hin? Was ist die endgültige Prüfung? Das ist da ja fix. Das weiß ich ja. Da ist die Prüfung, die muss ich bestehen, die will ich bestehen. Und dann runterbrechen auf jede einzelne Woche, was schaffe ich in dieser Woche. Und dann nur darauf schauen, weil dann habe ich einfach die wichtigsten Brocken, die Prioritäten, das was ich
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brauche, um voranzukommen, geschafft. In jeder Woche einzeln. Und ich muss nicht auf das Große schauen, sondern es ist klein genug, dass ich es begreifen kann, in seiner Gesamtheit, und das machen kann. Es gibt aber auch Leute, die verzeppeln sich dann, weil sie das Gefühl haben, ja, aber, aber, aber, da muss doch. Oder es ist gleich unattraktiv. Das führt zu gar nichts. Und ich kenne auch Leute, die sagen, mein Ziel muss so groß sein, dass ich es eh nie erreichen kann. Aber das ist etwas, wo ich auch wirklich die Aufregung spüre, wo ich merke, dass ich dahinter bin. Und dann heißt es
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trotzdem immer noch runterbrechen. Was sind die einzelnen Schritte? Aber dieses große Ziel, zum Beispiel am Spiegel hängen haben, über dem Schreibtisch oder sowas, weil mich das motiviert, Und diese Anerkennung, es ist unterschiedlich. Die finde ich ist mal das erste. Da sind wir auch wieder an dem nicht vergleichen, nicht das was andere sagen, sondern das was ich selbst schon in meinem Leben erfahren habe. Also einfach weniger hinhören, was die anderen
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sagen, sondern mehr in mich selbst lauschen und mir vertrauen lernen. Weil das ist auch was, wenn du dein Leben lang gehört hast, ja stell dich nicht so an, du bist viel zu empfindlich, dann ja teilweise glauben wir gar nicht mehr, was wir selbst empfinden. Oder wir können es gar nicht mehr richtig empfinden. Und da wieder einen Schritt zurück machen und in die eigene Empfindung gehen. Und das ist zum Beispiel auch sehr wichtig, wenn ich selber Kinder habe.
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Ich glaube, du hast keine, wenn ich das richtig in den Kopf habe. Ganz oft sehen wir ja schon am Spielplatz, das Kind fällt hin, schlägt sich das Knie auf, weint, irgendwer stürzt hin und meint, steh schnell wieder auf, ist nicht so schlimm. Ja. Und gemeint ist aber genau das, was später auch oft passiert. Ja, nimm es nicht so ernst, mach weiter. Und ich warte gar nicht ab, was dieses Kind sagt, weil das Kind unter Umständen schaut sich das an, hört auf zu weinen und sagt, eigentlich tut es gar nicht mehr weh, das war nur der Schreck.
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Ja. Darf es aber eigentlich selber erfahren, selber erkennen. Oder es sagt, mein Knie tut total weh oder es ist gar nicht das Knie, sondern ich habe mir gleichzeitig meine Hand noch irgendwo gestoßen und die ist eigentlich viel schlimmer. Aber dafür braucht es einen Moment, um dahinter kommen zu können, was ist jetzt eigentlich wirklich passiert? Wie geht es mir wirklich? Und wenn ich das bei so einem Kind regelmäßig nicht zulasse,
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dann lernst du es auch nicht. Und viele von uns haben genau das eben auch nicht gelernt. Und das ist für mich so dieser wichtigste Aspekt, da in dieses eigene Fühlen und in dieses Vertrauen reinzugehen, um das wieder zu lernen. Das ist ja eigentlich Gaslighting, wenn man Leuten sagt, was sie fühlen oder denken oder machen sollen,
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und nicht ihnen das selbst überlässt. Wobei für mich das Girl-Slighting mit einer meistens auch bösen Absicht passiert, während das ja oft bei Kindern eigentlich in einer wohlmeinenden Absicht passiert, auch wenn der Effekt quasi der gleiche ist. Ja, also ich habe zwei Nichten und meine Schwester ist auch Lehrerin, Pädagogin und halt sie erzählt bedürfnisorientiert
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und alles und ist da immer voll informiert und sie hat mir auch schon beigebracht, wenn sie hinfällt, dann eben nicht sagen, ach komm, ist schon gut oder ablenken oder so, sondern einfach ihr das lassen, dass sie jetzt diese Empfindung hat und für sie da sein und begleiten. Das finde ich auch so selbstermächtigend. Da spreche ich ihr das nicht ab, dass ihr jetzt was weh tut oder dass sie sich geschreckt hat. Ja, also ganz wichtig und das geht halt auch in anderen Bereichen. Da ist es halt so, finde ich, sehr leicht zu verstehen.
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Aber es gibt so viele andere Bereiche, wo das auch ganz, ganz wichtig ist. Gut, zum Abschluss wollen wir noch mal auf die Stärken schauen. Welche Strategien gibt es denn oder empfiehlst du, um die eigene Neurodivergenz als Selbstständige besser zu nutzen, unter Anführungszeichen, oder zu integrieren oder überhaupt zu erlauben. Sehr schön gesagt, zu erlauben. Denn was ich sehe bei Schulkindern, Jugendlichen, Erwachsenen, ist ganz oft ein Arbeiten gegen die eigenen Bedürfnisse. Also ganz beispielhaft war eine Mutter, die gesagt hat über ihren
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Sohn, ADHS, ja ich will halt wissen, wo das ADHS anfängt und wo es aufhört, damit wir eben da ihn dahin bringen, dass er die Sachen gut machen kann. Mich hat das irgendwie zu einer Verfassung gebracht, ADHS hört nicht irgendwo auf oder fängt irgendwo an, sondern das ist einfach ein ganz integrativer Teil der gesamten Persönlichkeit. Und damit bringt es einfach ganz viele Herausforderungen, die andere Leute vielleicht nicht verstehen und aber auch eben besondere Stärken. Und gerade jetzt
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in diesem Bereich geht es darum, ich denke schon, dass es wichtig ist, Pläne zu haben und auch sich zu überlegen, wie mache ich was. Also was ist mein Tagesplan für heute, welches Ziel habe ich für diese Woche. Bin ich ein ganz großer Freund davon. Lernpläne, Arbeitspläne, all das. Gleichzeitig ist aber auch ganz wichtig, diese Pläne flexibel zu halten, immer wieder zu überarbeiten. Also nicht zu sagen, es ist jetzt alles schief gelaufen, ich mache es
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jetzt alles anders, sondern einfach so einen Zyklus drin zu haben. Was hat gut funktioniert, mir das bewusst zu machen und dann einfach, was hat nicht so gut funktioniert und dann im nächsten Schritt das zu vermehren, was gut funktioniert hat und das zu reduzieren, was nicht so gut funktioniert hat. Und ich weiß, dass das keine Zauberei ist. Es gibt auch nicht diesen einen Klick und alles ist super.
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Sondern es kommt wirklich darauf an, so blöd wie es sich anhört, das so zu tun und immer wieder anzupassen auf die eigenen Bedürfnisse, immer wieder nach dem was ich feststelle, wie es für mich funktioniert, nachzusteuern, weiterzumachen und einfach wieder aufzustehen, wenn es irgendwie nicht funktioniert hat. Und das Ganze auf keinen Fall mit einem Muss, dann auf alle Fälle sofort weghören. Du musst einfach nur. Sondern ich darf das so machen. Ich kann das auch so machen. Es ist absolut in Ordnung, mal irgendwie ein paar Stunden irgendwo einzutauchen, auch wenn ich mir vorgenommen habe, ich mache jetzt Pomodoro und mache nach 25 Minuten fünf Minuten Pause. Das habe ich nicht
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gemacht. Ist vielleicht auf längere Sicht, wenn ich das regelmäßig mache, relativ ungünstig, weil ich nichts gegessen und nichts getrunken habe. Aber wenn es heute so gelaufen ist, dann ist es auch okay. Weil, was ist Gutes dabei rausgekommen? Vielleicht ist tatsächlich das E-Book fertig. Vielleicht habe ich jetzt endlich die Struktur für irgendwas erstellt oder habe tatsächlich einen Haufen E-Mails abgearbeitet. Egal was es war, ja? Irgendwas Gutes ist dabei rausgekommen. Also wirklich
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ganz stark diese Selbstakzeptanz und dieses immer wieder nachsteuern. Das sind für mich die allerwichtigsten Sachen. Ja, cool. Genauso arbeite ich auch. Das freut mich gerade voll, dass du das auch empfiehlst. Super. Gibt es noch etwas, was du allen neurodivergenten Selbstständigen gerne mitgeben möchtest? Dann möchte ich noch mal wiederholen, was ich gerade gesagt habe. Du darfst einfach weghören, wenn jemand zu dir sagt, du musst einfach nur, weil du musst gar nichts. Es gibt immer einen anderen Weg. Es gibt eigentlich auch immer einen einfacheren Weg, der besser passt.
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Und das glaube ich, dürfen wir uns alle ganz groß irgendwo hinschreiben und ganz an prominenter Stelle auch einfach merken. Ich finde auch schön, was du jetzt gesagt hast, ich darf es auch auf meine Art machen, diese Erlaubnis. Superschön, vielen vielen Dank für das tolle Gespräch, die vielen Insights. Wer jetzt mehr von dir wissen möchte, wo finden wir dich denn online und was bietest du aktuell an? Das verlinke ich dann noch in den Show Notes. Wie ich gerade schon angedeutet habe, ich bin quasi nicht auf Social Media unterwegs, einzig und allein auf LinkedIn. Wer sich damit mir vernetzen möchte, gerne. Und ansonsten habe ich
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eine Webseite, die nicht optimiert ist auf Verkaufen, weil es bei mir wirklich sehr, sehr individuell ist. Meine Angebote gehen von mehrmonatigen Begleitungen bei einer wissenschaftlichen Arbeit, bei der Vorbereitung auf eine Prüfung oder auch bei Entscheidungssituationen über einzelne Workshops und auch Gruppenangebote, die aber dann einzeln zu buchen sind für Firmen. Also tatsächlich ist es so, nein, ich habe nicht ein
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Angebot, wo ich jetzt sage, komm her, das verkaufe ich dir, tue ich nicht. Im Zweifelsfall immer anfragen bei mir. Ich finde das wichtig, dass es passt. Das wäre irgendwie für mich nicht stimmig. Wenn ich Leuten etwas überstülpen würde, was 0815 für alle das gleiche ist, so etwas habe ich nicht. Passt ja auch nicht zur Diversität und Vielfalt. Ja, das will ich auch gar nicht. Genau. Ich verlinke deine Website, da kann man sich dann selbst informieren. LinkedIn verlinke ich auch. Nochmal herzlichen Dank, dass du bei mir zu Gast warst. Ich danke dir, es hat mich sehr gefreut. Es war ganz schön lang, aber da gibt es wirklich
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glaube ich viel, viel zu sagen zu diesem Thema. Auf jeden Fall, ich hätte noch ewig weitersprechen können, aber jetzt machen wir mal einen Schlusspunkt. Ja, sehr gut. Machen wir das. Dann danke ich dir. Hat mich sehr gefreut und sehr viel Spaß gemacht. Ebenfalls. Danke dir. Alles Gute. Ciao.