Zum ADHD Awareness Month im Oktober habe ich Content-Mentorin Bianca Fritz, ADHS-Trainerin Birgit Boekhoff, ADHS-Coachin Kathryn Rohweder, Content Creator Nessa Ebert und Texterin Sarah von Nahmen an den (virtuellen und asynchronen) Round Table gebeten – und ihnen 7 Fragen zum Thema “Selbstständig mit ADHS” gestellt:
- Wie heißt du, was machst du und wo findet man dich online?
- Wie und wann wurdest du mit ADHS diagnostiziert – und warst du da schon selbstständig?
- Woran hast du in der Arbeitswelt vielleicht gemerkt, dass du „anders“ bist als andere Arbeitnehmer*innen oder Selbstständige?
- Wie wirkt sich ADHS heute auf deine oder in deiner Selbstständigkeit aus? Was machst du dadurch vielleicht anders (oder besser)? Was kannst du dadurch besonders gut?
- Welche Methoden, Techniken, Tricks oder Stärken helfen dir z. B. beim Zeitmanagement, der (Content-)Planung, den Finanzen oder anderen „langweiligen“ oder wiederkehrenden Aufgaben?
- Was würdest du allen Selbstständigen mit ADHS mitgeben wollen?
- Hast du Buchtipps zu diesem Thema?
Sehr gerne kannst du die Fragen ebenfalls in den Kommentaren beantworten – entweder hier im Blogartikel zur Folge oder direkt bei deiner Podcast-Plattform.
Das sind die 5 Personen am Round Table:
Bianca Fritz ist Content- und Copywriting-Mentorin für Unternehmer*innen mit starkem Purpose und komplexen Inhalten. Im Rheinwerk Verlag sind ihre Bücher „Mindful Social Media Marketing“ und „Content matters“ erschienen.
Biancas Website: https://biancafritz.com/
Bianca auf Instagram: https://www.instagram.com/hashtagbiancafritz/
Birgit Boekhoff ist ausgebildete Ergotherapeutin sowie Therapeutin für Selbstregulations- und Aufmerksamkeitsstörungen und Coach für NI Neurosystemische Integration® | traumsensibles Coaching | ganzheitlich integrative Traumaarbeit. Seit 2006 ist sie als ADHS-Coach für erwachsene Privatpersonen und Selbstständige tätig. Sie selbst hat kein ADHS, ist aber als Autistin mit Hochbegabung auch neurodivergent und kennt die Herausforderungen des Anders-Seins aus dem eigenen Leben sehr gut. ADHS kennt sie sowohl aus ihrem Grundberuf, als auch aus dem familiären Umfeld und als Partnerin und Lebensgefährtin.
Frau Boekhoffs Website: https://adhs-trainerin.de/
Frau Boekhoffs YouTube-Kanal: https://www.youtube.com/@adhstrainerin
Kathryn Rohweder ist ADHS-Coach und Podcasterin und hat selbst die AD(H)S-Diagnose. Sie steckte Jahrzehnte im Chaos fest. Jetzt zeigt sie ihren Klient*innen, wie sie da rausfinden. Sie ist gelernte Schauspielerin und Sprecherin, Logopädin und seit 2021 zertifizierter ADHS Life Coach. Was sie da gelernt hat, hat ihr weitergeholfen. Nun lässt sie es in ihre Coachings und den Podcast “ADHS-Perspektiven” einfließen.
Kathryns Website: https://adhs-perspektiven.de/
Kathryns Podcast: https://adhs-perspektiven.de/podcast/
Nessa Ebert liebt alles Unkonventionelle: bunte Klamotten, knallige Farben und schnelle Schnitte. Ihre Leidenschaft für das Andersartige begann im Studium der Medienforschung, wo sie sich dafür interessierte, wie Medien wirken und eingesetzt werden können, um Freude zu bringen. Später entdeckte sie ihre Begeisterung für den Videoschnitt – für sie sind Videos einfach lebendiger als Fotos. Und als die ADHS-Diagnose hinzukam, war der Rest Geschichte!
Nessa auf Instagram: https://www.instagram.com/nessadhs/
Nessa bei TikTok: https://www.tiktok.com/@nessadhs
Sarah von Nahmen ist freie Texterin und Textcoach. Sie unterstützt Selbstständige und Unternehmer:innen dabei, ihre eigene Schreib- und Markenstimme zu entwickeln und ihre eigene Persönlichkeit in ihren Texten zum Ausdruck zu bringen – denn langweilige 08/15-Texte gibt es da draußen schon genug. Als angehende Schreibpädagogin möchte Sarah ihre Kund:innen ab 2025 mit kreativen Schreib-Sessions dabei begleiten, mehr Ideen und Inspiration für ihr Business zu finden.
Sarahs Website: https://www.sarahvonnahmen.com/
Sarah auf Instagram: https://www.instagram.com/sarah.von.nahmen/
Die Buchtipps des Round Tables:
“Mit ADHS erfolgreich im Beruf: So wandeln Sie vermeintliche Schwächen in Stärken um” von Heiner Lachenmeier – bei Amazon*, Thalia und medimops
“Schnee in Portugal: Roman von nessadhs” von Vanessa Ebert – bei Amazon*, Thalia und medimops
“Hirngespinste: Mein Leben mit ADHS” von Lisa Vogel – bei Amazon*, Thalia und medimops
“Percy Jackson”-Fantasyreihe von Rick Riordan – bei Amazon*, Thalia und medimops
“Eine andere Art, die Welt zu sehen: Das Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom” von Thom Hartmann – bei Amazon*, Thalia und medimops
Links für dich:
💡 DOWNLOAD: Hol dir jetzt 37 Umsatz-Ideen und Angebotsformate für Selbstständige (dein Angebote-Workbook für 0 Euro) und meinen Newsletter: https://lillikoisser.at/umsatz/
💫 WUNSCHLISTE: Komm unverbindlich auf die interaktive Warteliste für mein neues Angebot “Sweet Spot” rund um deine Produktentwicklung: https://lillikoisser.at/wunschliste/
🗽 COACHING: Schicke mir eine Anfrage für dein Unternehmer*innen-Upgrade in 3 Monaten (auf Wunsch mit kostenlosem Erstgespräch): https://lillikoisser.at/upgrade/
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Wir freuen uns, wenn du die Folge (z. B. in deiner Story) mit anderen teilst! Gerne kannst du dieses Bild verwenden und uns verlinken, damit wir dir Hallo sagen können:
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Hallo und ganz herzlich willkommen im Pyjama Business Podcast für deine selbstbestimmte Selbstständigkeit. Ich habe heute ein Thema mitgebracht, das ich schon seit mindestens zwei Jahren umsetzen will zum ADHD Awareness Month, also dem ADHS Bewusstseins- und Aufklärungsmonat Oktober. Und zwar habe ich einige Selbstständige und ExpertInnen, also TrainerInnen und Coaches, die sich auf ADHS spezialisiert haben, gefragt, ob sie bei einem Roundtable, also einem
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Gruppengespräch, einem Gruppeninterview zum Thema Selbstständig mit ADHS nehmen wollen und das Interview ist asynchron abgelaufen. Also ich habe die TeilnehmerInnen gebeten, mir ihre sieben Antworten als Audio-Dateien zu schicken und habe die dann in der richtigen Reihenfolge zusammengeschnitten. Du hörst die fünf SpeakerInnen in alphabetischer Reihenfolge nach ihrem Vornamen und ich freue mich schon die Antworten von Bianca Fritz, Birgit Boekhoff,
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Kathryn Rohweder, Nessa Ebert und Sarah von Nahmen mit dir teilen zu können. Sie werden sich gleich auch persönlich vorstellen. Ich bin super happy mit dem Ergebnis. Es ist eine ganz tolle und wertvolle Mischung aus persönlichen Erfahrungen, berührenden Geschichten, aber auch Fakten, Aufklärung zum Thema und hilfreichen Tipps, Tricks und auch Buchtipps. Meine eigenen Erfahrungen mit ADHS und der Diagnose etc. habe ich schon in Folge 43 geteilt und in Folge 53
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gibt es ein weiteres Interview zum Thema Selbstständig mit ADHS, wenn du da rein hören möchtest. Und wenn du die sieben Fragen oder manche davon selbst beantworten und mit uns teilen möchtest, dann kannst du gerne einfach einen Kommentar hinterlassen, entweder im Blog, im Blogartikel zur Folge unter lillikoisser.at/111 also 1 1 1 oder auch gerne direkt bei Spotify oder Podimo oder
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deiner Podcast Plattform. Wir freuen uns natürlich auch wenn du die Folge bewertest, teilst, weiterleitest für oder an Menschen für die das relevant sein könnte.
Und ja, dann geht es gleich los mit Frage Nummer 1: Wer bist du? Was machst du? Eine kurze Vorstellung und wo können wir dich online finden? Das alles findest du auch in den Show Notes und im Blogartikel zu dieser Folge. Ich bedanke mich an dieser Stelle schon ganz
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herzlich bei den TeilnehmerInnen des Roundtables. Ich wünsche dir ganz viel Spaß beim Zuhören und freue mich, wenn die Folge hilfreich oder interessant für dich ist.
Bianca: Hallo, ich bin Bianca Fritz. Ich bin Buchautorin und Content- und Copywriting-Mentorin, vor allem für UnternehmerInnen, die ihre Werte und ihr Warum in den Fokus ihrer Kommunikation stellen möchten. Ich habe mich aber auch so ein wenig auf besonders komplexen Content spezialisiert,
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dort eine Struktur reinzubringen, eine Klarheit und den einfach und anmächelig, wie man so schön sagt, zu vermitteln. Und man findet mich und meine Angebote auf biancafritz.com.
Frau Boekhoff: Ich bin Birgit Boekhoff, bin ADHS-Coach und Trainerin für Erwachsene seit 2006. Und im Moment, also im Jahr 2024, habe ich ein Coaching-Programm für Privatpersonen und ein Coaching-Programm für Unternehmer und Unternehmerinnen mit ADHS. Man findet mich und meine Angebote auf www.adhs-trainerin.de und auch auf YouTube.
Kathryn: Hi, ich bin Kathryn Rohweder. Ich bin Coach für Erwachsene mit ADHS und
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ich habe selber auch ADHS. Ich habe einen Podcast, der heißt ADHS Perspektiven und so heißt auch meine Webseite. Und mein Instagram heißt aber so wie ich, also es heißt kathryn.rohweder. Aber wenn du ADHS Perspektiven suchst, dann findest du mich bestimmt überall.
Nessa: Ja, hallo, ich bin Nessa, eigentlich heiße ich Vanessa, aber die meisten kennen mich als Nessa. Ich bin, wie ich von mir selbst behaupte, immer professionelle Internet-Tante, aber ich glaube, das ist besser verständlich, wenn man sagt, ich
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bin Creatorin, dem sogenannten Internet und dort mache ich Videos über ADHS, die hoffentlich witzig, aber auch aufklärend sind. Und da findet man diese Videos, wenn man NESSADHS eingibt, also N-E-S-S-A-D-H-S. Versteht ihr? Weil das witzig ist, weil das A dann für ADHS steht.
Sarah: Hi, ich bin Sarah von Nahmen. Ich bin freie Texterin und Textcoach für Selbstständige, die mehr Persönlichkeit und mehr Kreativität in ihre Texte bringen wollen und die ihre eigene Schreib- und
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Markenstimme finden möchten. Online findet man mich unter sarahvonnahmen.com und auf Instagram unter sarah.von.nahmen.
Frage Nummer zwei lautet: Wie und wann wurdest du mit ADHS diagnostiziert und warst du da schon selbstständig?
Bianca: Mit ADHS wurde ich diagnostiziert in der Phase, wo ich selber dachte, ich hätte einen Burnout. Das war nach einem Auslandssemester kam ich zurück. Ich war damals 30 oder 31, also das ist jetzt
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schon zwölf Jahre her und ich war zu der Zeit selbstständig, allerdings ein wenig ja ungewollt selbstständig. Das hatte sich so ergeben durch mein Auslandssemester, dass ich meine Festanstellung aufgeben musste und ich war etwas überfordert damit meinen Bachelorabschluss, der kurz bevor stand und ja die verschiedenen beruflichen Tätigkeiten, die ich als freie Journalistin vor allem damals hatte, unter einen Hut zu bekommen. Mir war alles irgendwie zu viel und ich hab gemerkt, ich bin nicht mehr so fröhlich, wie ich es ma war.
Frau Boekhoff: Ich selbst bin zwar ADHS-Coach, aber ich habe selbst kein ADHS. Ich bin
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diagnostizierte Autistin und hochbegabt, bin also auch quasi Neurodivergent und kenne die Herausforderungen des Andersseins von Kindheit an. Mit dem Thema ADHS bin ich in Berührung gekommen durch meine Berufstätigkeit als Ergotherapeutin und als ich mich dann im Bereich ADHS spezialisiert und fort- und weitergebildet habe, habe ich festgestellt, wo in meinem privaten Umfeld ADHS gehabt. Und so habe ich, quasi ohne es zu wissen, in meinem Umfeld schon immer ganz viel mit
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ADHS-Menschen zu tun gehabt. Und ich kenne ADHS quasi als Familienangehörige und als Partnerin und Lebensgefährtin. Und dann aus meiner Berufstätigkeit. Und selber bin ich eben im Autismus-Spektrum angesiedelt und im Hochbegabten-Bereich.
Kathryn: Ich habe zwei Diagnosen, also zweimal eine ADS-Diagnose, einmal 2020. Die wurde aber nicht abgeschlossen.
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Und die lief ganz viel über sehr lange Zeit über einen Fragebogen, über mehrere Wochen und über ein sehr langes Gespräch. Und die zweite Diagnose war über viele neuropsychologische Tests und auch noch mal Gespräch und so weiter. Und ja, ich war da schon selbstständig.
Nessa: Ich wurde mit Anfang 20 diagnostiziert, da bin ich gerade aus meinem ersten Studium liebevoll entfernt worden, weil ich zu gut war und hatte dann daraufhin ein Praktikum angefangen.
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Da war ich etwas überfordert. Ich wusste aber, ich bin nicht dämlich und bin eigentlich auch leistungsfähig. Deswegen habe ich das nie verstanden gehabt und habe mich bei einem Doktor vorgestellt. Dieser Doktor hat im großen Blutbild nichts gefunden und war sich auch relativ unsicher, was es denn sein könnte und hat mich aufgrund dessen dann zu einer Psychologin überwiesen und nach mehreren Gesprächen kam es dann raus ADHS. Das habe ich dann aber liegen lassen und habe mich nicht so sehr darum gekümmert, weil die dort lediglich die Diagnostik gemacht hatten und ich dann mein zweites Studium begonnen hatte und gesagt habe,
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funktioniert ja auch so, weniger Papierkram. Dann kam Corona und dann war ich ja so zwischen Wechsel, zwischen Job, Selbstständigkeit, also war so ein bisschen ein Hybridmodell. Und weil das dann aber alles von zu Hause war, war ich ein bisschen überfordert mit der Situation, dass man quasi wieder rausgeht und es alles so ein bisschen auch mit Panikattacken zusammenhing. Und hab mich daraufhin nochmal in Therapie begeben. Und da wurde es dann unabhängig davon nochmal festgestellt tatsächlich.
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Und da wurde ich dann quasi das zweite Mal diagnostiziert und hab mich ein bisschen tiefergehend damit auseinandergesetzt.
Sarah: Ich bin so ein ADHS Early Bird. Meine Diagnose ist schon circa 20 Jahre her. Da war ich Anfang 20 und habe eine Therapie gemacht, weil ich mich so komplett lost im Leben gefühlt habe. Und das Gefühl hatte, mit mir stimmt irgendwas nicht. Ich glaube, das waren so depressive Episoden oder so. So genau weiß ich das gar nicht mehr. Und da hat mir meine Therapeutin nach
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mehreren Sitzungen ein Buch über ADHS in die Hand gedrückt und da waren dann plötzlich alle Antworten auf meine Fragen drin. Und da habe ich auch gemerkt, ich bin eigentlich gar kein Alien und irgendwie hier fehl am Platz auf der Welt und komplett irre, sondern es gibt wirklich einen Namen für das, was ich habe. Und es gibt tatsächlich auch noch mehr Menschen, die so sind wie ich.
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Und ja, das ist ein Gefühl, an das ich mich bis heute total gut erinnern kann. Damals war das Thema ADHS wirklich sehr sehr unbekannt und es gab auch überhaupt keine zugelassenen Medikamente für Erwachsene. Also eine ganz andere Zeit als heute.
Frage 3: Woran hast du in der Arbeitswelt vielleicht gemerkt, dass du „anders“ bist als andere Arbeitnehmer*innen oder Selbstständige?
Bianca: Dass ich anders ticke als meine Kolleg*innen in meiner Arbeitsstelle habe ich daran gemerkt, dass immer wenn sie gesagt haben, das ist eine schöne Arbeit für zwischendurch, da kann man sich ein bisschen entspannen, das waren die Arbeiten, die für mich am allerschwierigsten waren,
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nämlich die Routineaufgaben, also Aufgaben, die sich wiederholt haben, wo man den Kopf nicht stark anstrengen musste. Das hat bei mir dafür gesorgt, dass ich am liebsten aufgestanden wäre und weggerannt. Also ich habe mich fast an diesen Stuhl fesseln müssen und ich hatte das Gefühl, dass die Zeit einfach nicht umgeht, wenn ich solche Aufgaben gehabt habe. Wohingegen ich bei anderen Aufgaben, wo ich kreativ sein durfte, wo es darum ging, neue Lösungen zu finden, ja da wäre ich, ja da hätte ich auch bis mitten in der Nacht sitzen bleiben können und habe das auch manchmal gemacht.
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Also so manche Nachtschichten bis nachts um zwei oder drei im Büro sitzen haben mir überhaupt nichts ausgemacht. Wenn das eben etwas Kreatives war, wo ich mich drin verlieren konnte. Ich habe dann auch nicht essen müssen oder aufs Klo gehen müssen oder so. Das habe ich für völlig überschätzte Dinge gehalten!
Frau Boekhoff: Wie schon gesagt, habe ich selbst kein ADHS, aber ich bin Autistin und dazu gehört auch eine Hochsensibilität und die Neigung zur Reizüberflutung.
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Ich bin hochbegabt, das heißt, ich denke meistens schneller als andere und erfasse Dinge schneller. Durch meine autistische Veranlagung bin ich sehr analytisch und entdecke relativ schnell Muster und Details und mit den Mustern dann auch die Fehler. Und in der Arbeitswelt, ich war ja anfangs auch Unternehmerin, bevor ich mich selbstständig gemacht habe. Da habe ich schon immer gemerkt, dass ich wesentlich weniger Energie habe als die anderen. Ich konnte eigentlich nie Vollzeit arbeiten. Ich habe am Anfang eine halbe Stelle gehabt, weil nur eine halbe Stelle angeboten wurde.
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Bei meiner zweiten Arbeitsstelle habe ich Vollzeit gearbeitet und das hat mich aber so überfordert. Ich war so gestresst, ich war so müde, ich war so kaputt und erschöpft, dass ich dann um eine Stunden Reduzierung gebeten habe. Und ab dann habe ich eigentlich immer Teilzeit gearbeitet als Angestellte, maximal 30 Stunden. Eigentlich zu viel, weil ich als Therapeutin den ganzen Tag mit Menschen umgeben war. Und das für mich als Autistin, was ich damals noch nicht wusste, dass ich das bin. Und als Hochsensible einfach mega anstrengend war.
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Und ich hatte regelmäßig Krankschreibungen wegen Erschöpfung oder weil mein Immunsystem in die Knie gegangen ist und ich krank geworden bin und dann Auszeiten brauchte. Also ich war irgendwie ständig krank und ich war ständig erschöpft, weil mir das alles zu viel war. Mir war der getaktete Tag zu viel, mir waren die Menschenkontakte zu viel und ich war quasi ständig reizüberflutet. Ich hatte keine Energie mehr für Sozialkontakte in meinem Privatleben, ich hatte keine Energie mehr, nachmittags oder abends irgendwas zu unternehmen. Das war eigentlich so der Hauptunterschied, der mir aufgefallen ist, bevor ich wusste, dass ich viel weniger Interesse
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daran und Lust darauf hatte und auch Ressourcen dafür hatte, mit den Mitarbeitern zu quatschen und zu klönen in den Pausen oder im Büro, das war mir alles zu viel. Ich habe mich dann hauptsächlich zurückgezogen, habe geguckt, dass ich irgendwie meine Zeit für mich alleine habe, mich abschotten kann im Büro. Und dieses typische Kollegengespräch oder Kollegenbeziehungen,
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das war immer irgendwie nicht so meins. Ich habe mein Ding gemacht in den Praxen und wenn es um sachliche Dinge ging oder um die Arbeit ging, dann habe ich mich durchaus abgesprochen, aber diese ganzen privaten Beziehungen und Gespräche, das hat mich eigentlich nie wirklich interessiert und das hat mich auch überfordert.
Kathryn: Ich habe als Arbeitnehmerin, also da erinnere ich hauptsächlich meinen Job als Logopädin. Da habe ich mich auf Stimmtherapie spezialisiert. Ich hatte Probleme, alles außerhalb der Therapiesitzung zu machen.
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Also alles drumherum. Es sei denn, ich sollte mir etwas überlegen. Dann habe ich das super gern gemacht. Aber ich habe generell auch immer schon ziemlich frei gearbeitet. Also nicht nach einem Konzept und möglichst wenig vorzubereiten, sondern ich habe das geliebt, in dem Moment mit einer Person da zu sitzen und meine Toolbox anzuzapfen und dann mit denen zu arbeiten. Und wenn ich Dinge danach wegräumen sollte, das fand ich irgendwie anstrengend. Und da ist es gut gewesen, dass ich in der Praxis war, wo ich es machen musste. Ich konnte nicht einfach alles liegen lassen. Wenn ich so einen einzelnen eigenen Raum gehabt hätte, wäre das alles liegen
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geblieben. Und auch Dokumentation und sowas. Also da war ja schon die Sitzung zu Ende. Und wenn ich nicht ein paar Dokumentationen noch in der Sitzung gemacht hätte, oder gemacht habe, dann war das richtig schwer, das danach zu machen. Manche Sachen hat man halt nicht Zeit zu, muss das Arztberichte und so weiter. Das war schwierig. Es wurde irgendwann vereinfacht, einfach von Seiten der Kassen aus oder so. Das hat ein bisschen geholfen, aber etwas so richtig mit Text. Weil ich habe auch immer wieder vergessen, wie es geht, obwohl ich das ständig gemacht habe. Also das
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waren so Sachen so, hä, wie sind nochmal die Abläufe? Jetzt weiß ich, ich hätte eine Checkliste gebraucht. Das wusste ich aber damals nicht. Die mir sagt, jetzt machst du dies, Kathryn, das musst du bedenken, jenes, das wusste ich nicht. Ich war generell sehr frei in meiner Arbeitsweise, in Teamsitzungen ungeduldig und ich fand es auch unnötig, alles mögliche, was geredet wurde und ich war gelangweilt, wenn es kein inspiriertes Gespräch war. Ich hatte Stress bei der Arbeit, wenn zu viel Struktur von außen
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war und Schwierigkeiten, wenn es zu wenig Struktur war. Und ich habe, glaube ich, war auch immer ein bisschen in Anschlusssprechung lustiger als andere. Ein bisschen funny. Und das liegt natürlich auch am Umfeld vielleicht, mit wem man da gerade arbeitet. Und viel mehr richtige Angestelltenerfahrung habe ich nicht. Ich kenne das noch aus Jobs, die waren aber eher so Job-Jobs, da hätte ich auch wieder rausgehen können und mir was anderes suchen können. Und generell ist es aber immer so gewesen, bloß nicht Angst vor Struktur hatte ich und gleichzeitig hat mir ein gewisses Maß an Struktur immer geholfen.
Nessa: In der Arbeitswelt habe ich das vor allem so an kleinen Sachen gemerkt, so an sozialen Interaktionen am meisten.
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Das bedeutet, wenn es um so etwas geht wie Meetings oder irgendwelche Austausch-Sachen brauche ich danach auf jeden Fall länger Zeit, um mich wieder zu sammeln, um die Konzentration zu finden, die nächste Arbeitsaufgabe anzufangen oder mich da wieder reinzudenken. Und ja, Konzentration ist ja mit ADHS schon ein kleines bisschen das Kernproblem. Und das bedeutet dann auch, wenn ich in einer Aufgabe drin bin und mich reißt jemand raus, wie zum Beispiel, ja, jemand hat eine Frage oder es kommen zum Beispiel Nachrichten rein, habe ich durch das ADHS keinen Filter und muss einfach wahnsinnig hart arbeiten, wieder da reinzukommen.
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Und das gelingt mir am besten im Homeoffice. Und für andere war Homeoffice eher so ein, ja, da arbeite ich dann vielleicht genauso lange, aber mach nebenbei irgendwas. Und ich habe am besten und am produktivsten tatsächlich zu Hause gearbeitet, weil ich dann auch mal sagen konnte, alle 20 Minuten muss ich irgendwie aufstehen oder kann kurz rumlaufen. Wenn ich zuhören möchte und wirklich aktiv zuhören möchte,
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muss ich was nebenbei machen. Das bedeutet, wenn ich einfach nur da sitze und mit starkem Augenkontakt jemandem das Gefühl geben möchte, dass ich ihm oder ihr zuhöre, höre ich im meisten Fall eigentlich nicht zu, sondern wenn ich nebenbei was machen kann. Und das war immer so der Struggle, Leuten das Gefühl zu geben, dass sie gehört werden, aber eben auch nicht wahnsinnig ungeduldig zu wirken oder irgendwie abgelenkt zu sein und seinen eigenen Bedürfnissen aber trotzdem irgendwie Raum zu geben, daran habe ich das gemerkt.
Sarah: Als Angestellte habe ich extrem gemerkt, dass ich irgendwie anders bin, habe das
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aber gar nicht so sehr mit ADHS in Verbindung gebracht damals, obwohl ich ja die Diagnose damals auch schon hatte. Ich kann überhaupt nicht so linear arbeiten, also so acht Stunden am Stück wie eine Vollzeit arbeitende Person oder zumindest wie die das sollte. Und das ist in meiner angestellten Zeit auch immer aufgefallen, dass ich eben oft mit Aufgaben ganz schnell fertig war, immer so ein bisschen schneller als andere oft. Und dann aber auch einfach längere Pausen gemacht und auch gebraucht habe.
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Und in den Modellen, in denen so strikt nach Zeit gearbeitet wird, in denen man wirklich immer seine Zeiten erfasst und dann am Ende des Tages irgendwie auf acht Stunden kommen muss, funktioniert das halt einfach nicht. Und da habe ich mich selbst immer sehr unzulänglich gefühlt, also so quasi als ob ich nicht funktioniere, was vielleicht dann auch einfach so war. Und das fand ich schon sehr schwierig.
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Und ich habe eigentlich erst in der Selbstständigkeit gemerkt, dass es schon in Ordnung so ist und dass ich einfach anders arbeite, aber dass daran auch nichts schlechter ist, sondern dass es sogar manchmal eher im Gegenteil dem Ergebnis eher zuträglich ist. Also da habe ich erst in der Selbstständigkeit zu meinen Frieden damit geschlossen und jetzt als Selbstständige merke ich oft, dass sich so diese klassischen Tipps zum Beispiel
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für mehr Produktivität oder sowas für mich einfach nicht so viel Sinn ergeben. Auch so wie man seine Selbstständigkeit aufbauen sollte oder wie man Content plant für sein Marketing. Ich habe da irgendwann gemerkt, dass ich leider für alles Mögliche immer meinen eigenen Weg finden muss, weil so diese generischen Tipps einfach wenig zu mir passen oder auch nur ganz kurz und dann muss ich mir was Neues ausdenken.
Frage Nummer 4 lautet: Wie wirkt sich ADHS heute in deiner Selbstständigkeit aus Was machst du dadurch vielleicht anders oder besser und was kannst du dadurch besonders gut?
Bianca: Ich glaube für mich ist die Selbstständigkeit so hilfreich, also lässt sich tatsächlich besser mit meinem ADHS vereinbaren als so manche Festeinstellung, weil ich so frei bin in meiner Zeiteinteilung. Also ich kann mir einfach selber sagen, jetzt sitze ich so und so lang konzentriert am PC, mache so und so lang konzentriert eine Aufgabe und danach kann ich rausgehen und kann was anderes machen. Ich habe das Gefühl, ich schaffe so insgesamt mehr und bin aber
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gleichzeitig nicht so an diese festen Zeiten gebunden. Ich fühle mich nicht an den PC gefesselt. Das ist, glaube ich, etwas, was ganz anders ist in der Selbstständigkeit, dass einfach niemand auf die Uhr schaut, wann ich komme und wann ich gehe und wie ich das Ganze organisiere. Ich glaube, was eine besondere Stärke ist, die ich durch das ADHS tatsächlich habe, ist, dass ich Dinge anders denke. Ich habe das Gefühl, ich verknüpfe verschiedene Aufgabenbereiche,
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verschiedene Dinge, die ich gelernt habe in verschiedenen Phasen meines Lebens ganz anders. Ich denke manchmal schneller als andere und einfach mehr um die Ecke. Ich glaube, ich denke ungewöhnlich. Ich merke, dass mein Gehirn anders gepolt ist als das Gehirn der meisten anderen Menschen da draußen.
Frau Boekhoff: Die Frage 4 möchte ich aus ADHS-Coach-Sicht beantworten und aus meiner Erfahrung sprechen, aus meinen Coachings heraus auf die Selbstständigkeit oder die Arbeit meiner Klienten auswirkt oder überhaupt in der Arbeitswelt. Also auch, ich kann ja auch
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für Angestellte sprechen. Also was mir sehr viele Klienten berichten, wenn es um deren Job geht, sei es jetzt angestellt oder selbstständig, ist, dass dass sie keine Orientierung haben. Sie haben keinen Überblick über ihre Aufgaben, über die Projekte, die anstehen. Sie haben gefühlt immer irgendwie einen tierischen Druck und ganz viel zu tun. Sie haben oft das Gefühl, dass sie das gar nicht im Griff haben, was da zu tun ist, weil es erstens zu viel ist, weil es zweitens sie überfordert,
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weil sie drittens gar keine Prioritäten setzen können und nicht wirklich wissen, was ist jetzt für heute wichtig, was kann ich morgen machen, was kann ich nächste Woche machen. Dann wissen sie auch nicht, wie sie ihre Aufgaben, Termine und Projekte verwalten und administrieren sollen. Also wo schreibe ich mir auf, was ich eigentlich zu tun habe? Wo, wo sehe ich denn?
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Wo kann ich denn hingucken, um zu wissen, was jetzt für mich als nächstes dran ist? Da habe ich den Posteingang. Dann gibt es die Social Media und Chat Messenger. Dann gibt es die eigene To-Do-Liste. Dann gibt es noch das Gehirn, in dem alle möglichen Aufgaben irgendwie rumliegen und nicht aufgeschrieben sind.
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Und zum Thema To-Do-Liste gibt es ja sowieso nicht nur eine, sondern mehrere. Und dann gibt es irgendwo Post-its und dann hat man noch in Besprechungen irgendwelche Notizen und irgendwelche To-dos, die man noch nicht auf die To-do-Liste übertragen hat und so. Und es fehlt einfach der totale Überblick. Und es fehlt Orientierung, es fehlt eine Strukturierung in dem, was zu tun ist. Es fehlen häufig die Prioritäten, also die Entscheidung an diesem Projekt und an diesem Thema arbeite ich jetzt und
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an diesem Projekt und an diesem Thema arbeite ich jetzt nicht. Und diese Aufgaben sind jetzt für heute wichtig und diese Aufgaben sind jetzt für heute nicht wichtig. Diese Mail beantworte ich jetzt heute und die andere Mail brauche ich jetzt nicht beantworten oder später beantworten. Das ist häufig alles ein Riesenhaufen und ein Riesenwust, der dazu führt, dass einfach gleich morgens schon Stress entsteht und man den ganzen Tag durchrödelt ohne Pause, ohne Orientierung von einem zum anderen.
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Und das führt dann zu so einer Art Dauerstress. Dann ist natürlich auch häufig die ADHS-typische Ablenkbarkeit, also dass man einfach seine Gedanken schlecht fokussiert halten kann bei dem, was man gerade macht. Es sei denn, man steckt gerade in einem Hyperfokus, dann ist man super fokussiert und kann alles andere ausblenden, aber das ist ja nicht immer der Fall. Wenn man nicht in einem Hyperfokus steckt, dann ist meistens die Wahrnehmung so sehr
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offen und dann kommt es so schnell zur Ablenkbarkeit von außen, weil das Telefon klingelt oder Mails kommen oder irgendwelche Leute ins Büro kommen und in der Tür stehen und einen ansprechen oder es kommen Ablenkungen von innen, Gedanken, das muss ich auch noch machen, aber man könnte das auch noch machen oder man ist mit Gefühlen beschäftigt, die man nicht reguliert kriegt, mit Frust oder Langeweile, Überforderung, Wut, Hilflosigkeit, was auch immer. Und das führt alles dazu, dass man irgendwie nicht wirklich sich konzentrieren kann auf das, was man gerade macht, dass die Aufmerksamkeit zersplittert
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ist, dass die Gedanken hin und her springen und dass dann auch die Handlungen hin und her springen, also dass man die Aufgaben wechselt, dass man Multitasking betreibt, 1000 Sachen gleichzeitig anfängt, 1000 Browser-Tabs offen hat und sich dann auch wieder nicht auskennt. Es führt zu Verzettelungen. Es führt auch dazu, dass man wieder keinen Überblick hat, bei welchem Projekt bin ich eigentlich, wie weit, Was ist noch ein häufiges Problem? Ja, die Energieschwankungen.
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Also so wie ich das vorhin von mir selber berichtet habe, gibt es auch Menschen mit ADHS sehr oft, dass sie sich als nur eingeschränkt arbeitsfähig erleben. Gerade im Unternehmercoaching kommt das häufig zur Sprache, dass dann meine Kunden dort sagen, ich fange morgens an und eigentlich bin ich nach vier Stunden fertig mit dem Tag.
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Ich habe dann keine Energie mehr, weil diese vier Stunden für mich so anstrengend sind, das kann sich keiner vorstellen, wenn ich versuche den Fokus zu behalten, wenn ich versuche mich zu konzentrieren, wenn ich versuche eins nach dem anderen zu machen, wenn ich versuche Aufgaben abzuschließen, die mir Mühe machen, wenn ich versuche, mich zu Aufgaben zu aktivieren,
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auf die ich keine Lust habe oder die einfach mehr Widerstand produzieren. Das ist für mich alles so anstrengend, dass ich nach vier Stunden eigentlich schon fertig bin und meine Energie leer ist. Das ist etwas, wo Selbstständige einen Vorteil haben, weil sie ihre Arbeitszeit oft so ein bisschen auch an ihre Energieschwankungen anpassen können. Dann arbeite ich morgens halt irgendwie drei Stunden, dann mache ich drei
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Stunden irgendwas anderes, gehe Sport machen, spazieren, gehe essen oder lege mich hin und dann arbeite ich ab 17 Uhr bis 22 Uhr noch mal wieder. Das können Selbstständige sich besser einteilen, das ist deren Vorteil, also die Arbeit einfach mehr ans Energielevel anpassen. Da sind Angestellte benachteiligt, die müssten innerhalb von sechs oder acht Stunden kontinuierlich leistungsfähig sein und das sind Menschen mit ADHS eben oft nicht.
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Überhaupt Neurodivergent der Menschen, es geht mir als Autistin genauso, dass ich kein kontinuierliches Energielevel aufbringen kann und keine kontinuierliche Leistungsfähigkeit habe, sondern ich habe dann Einbrüche und Löcher und muss mehr Pausen machen als andere. Was meine Kundinnen und Kunden auch oft beschreiben, ist, dass sie das Gefühl haben, sie würden sehr langsam und umständlich arbeiten. Also sie würden Zeit verlieren oder sehr viel Zeit damit verbringen, Aufgaben zu verarbeiten, weil sie sie unstrukturiert
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ausführen, weil sie hin und her springen, weil sie Dinge doppelt machen, weil sie mehr kontrollieren müssen, weil sie ihre Flüchtigkeitsfehler versuchen auszubessern oder zu vermeiden, weil sie oft sehr komplex denken und in Details versinken, was Zeit kostet oder die Dinge umständlich machen. Das beschäftigt auch viele, weshalb sie dann zum Beispiel nicht Feierabend machen, sondern den Feierabend überziehen und länger arbeiten oder am Wochenende arbeiten, weil sie sagen, naja, ich bin so
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langsam beim Arbeiten, so umständlich, aber ich muss ja trotzdem meine Sachen fertig kriegen, also muss ich halt mehr und länger arbeiten als die anderen. Gut, jetzt möchte ich mal zu positiven Dingen kommen, zu Stärken kommen. Also gerade was die Unternehmerinnen und Unternehmer betrifft, bringt ADHS extrem viele Vorteile mit sich. Das ist zum Beispiel die Kreativität. Also Produkte entwickeln oder Dienstleistungen entwickeln. Hilfsbereitschaft, Kundenorientierung, Serviceorientierung ist was, was eigentlich alle meine Klienten sagen,
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dass sie das total haben als Stärke. Dann ist es auch so was wie Durchsetzungsfähigkeit oder Willensstärke, was man gerade als Unternehmer und Selbstständiger ja auch braucht, immer wieder aufzustehen, Dinge zu riskieren, also Risikobereitschaft, Zeit zu investieren, Geld zu investieren, etwas auszuprobieren, vielleicht auch die Nase zu fallen, dann aber wieder aufzustehen, wieder weiterzumachen. Also das ist was, was Selbstständige auf jeden Fall brauchen, weil gerade die ersten Jahre von jeder Selbstständigkeit in der Regel nicht geradlinig verlaufen, sondern sehr schwierig
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sind und man auf die Nase fällt. Und da erlebe ich ADHS-Menschen so richtig als Stehaufmännchen und doch als sehr resilient. Was können sie noch besonders gut? Ja, spontan auf Dinge reagieren, spontan Gelegenheiten ergreifen. Wenn das übertrieben wird, dann wird es auch zum Nachteil, aber erstmal ist es schon auch eine Stärke. Sie können out of the box denken, um die Ecke denken, also
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Dinge unkonventionell machen. Ich glaube, es gäbe viele Entwicklungen und Erfindungen der Menschheit nicht, wenn es nicht irgendwelche Kreativköpfe dahinter gegeben hätte. Manchmal entstehen auch aus Chaos Lösungen, zum Beispiel Penicillin, wurde im Chaos entdeckt und nicht durch strukturiertes Nachdenken entwickelt und erfunden.
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Was sind noch Stärken? Ja, diese ganze Netzwerkarbeit, Vernetzungen, Beziehungen knüpfen, Kollaborationen eingehen, Marketing über Netzwerkarbeit zu betreiben zum Beispiel, ist etwas, was ADS-Menschen auch extrem liegt. Und sie haben auch oft den Mut, unkonventionell zu sein und ihren Weg alleine zu gehen. Zum alleine gehen sage ich gleich noch was, aber sie trauen sich auch Dinge zu machen oder aufzusetzen oder anzubieten, die eben kein anderer
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macht. Da liegt häufig ein besonderer Mut auch vor. Das soll jetzt erst mal so reichen an Schwierigkeiten und Stärken aus meiner Sicht. Jetzt möchte ich zur Frage 4 noch was ergänzen. Eine Sache, die das ADHS-Gehirn so mit sich bringt, die sich im Arbeitsalltag und vor allem bei Selbstständigen häufig auswirkt, auch nicht so ganz positiv auswirkt, das ist das Grundbedürfnis Nummer 1 des ADHS-Gehirn ist quasi ständig auf Stimulationssuche, damit es den Dopaminspiegel aufrecht erhalten kann.
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Das bedeutet, dass das ADHS-Gehirn die ganze Zeit sucht und schaut, wo habe ich was Neues? Wo habe ich ein neues Projekt? Wo habe ich eine neue Idee? Wo habe ich eine neue Möglichkeit? Wo kann ich was anders machen als bisher? Wo kann ich was machen, was mir Freude macht, was mich motiviert, was mir ein positives Gefühl verschafft?
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Ich habe auf meinem Blog dazu auch einen Blogartikel geschrieben, das Nummer eins Grundbedürfnis des ADHS-Gehirns: Stimulation, wo ich das so ein bisschen beschreibe, wie sich das auswirkt. Das führt zum Beispiel dazu, dass man dann als Selbstständiger mit ADHS, weil das Gehirn eben ständig Stimulationen braucht, dass man die Aufgaben wechselt. Weil wenn ich zu lange an einer Aufgabe bin, keine Abwechslung habe, nichts Neues habe,
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mich nicht bewege und zumal dann die Aufgabe vielleicht auch noch langweilt oder stresst, Dann sinkt einfach rapide der Dopaminspiegel im Frontalhirn ab und die Leistungsfähigkeit lässt nach und das Gehirn möchte das nicht. Und dann ist das Gehirn auf Stimulationssuche, weil Stimulation führt dann auch wieder zur Dopaminausschüttung und dann kommt es zur Ablenkung. Ich könnte ja zwischendurch noch das machen.
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Ich stehe mal auf. Ich hole mir einen Kaffee oder ich hole mir was zu essen oder noch was im Internet recherchieren oder neues Angebot nachschauen oder neues Tool testen. Also alles was neu ist, alles was Erfolg verspricht, alles was Abwechslung verspricht, alles was blinkt und winkt. Also wir kennen als Selbstständige ja auch dieses shiny object syndrome. Das ist was wo ADHS Menschen sehr anfällig für sind, weil das alles Stimulation für das Gehirn verspricht
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und Dopaminausschüttung ins Frontalhirn verspricht. Das führt dann auch dazu, dass Dinge, vor allem Aufgaben, die eben nicht so stimulierend sind für das Gehirn, verschoben werden, unterbrochen werden, ewig dauern, aufgeschoben werden, Widerstand produzieren und so weiter. Das ist schon was, also dieser Mechanismus der Stimulationssuche ist schon was, wenn man den nicht kennt und das nicht weiß, dass man da quasi ständig in die Falle tappt und
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dazu gehört dann auch ständig neue Sachen zu eröffnen. Ja, das machen wir, ja das Projekt mache ich, ja die Anfrage übernehme ich. Ja, den Kunden nehme ich. Ja, die Idee setzen wir um. Also, weil jedes Ja führt zu quasi neuer Stimulation. Und wenn ich Nein sagen würde zu einem verlockenden Angebot, einem Kunden, einer Anfrage, was auch immer, dann kriege ich diesen Dopamin-Kick eben nicht. Und ja, das ist was, was man als Selbstständiger mit ADHS lernen muss. Erstens zu wissen und zu verstehen und zweitens dann auch zu
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steuern. Das ist möglich, aber man muss eben darum wissen.
Kathryn: Ich habe immer super viele Ideen und ich habe eine gute Verbindung zu den Leuten, mit denen ich arbeite. Natürlich ist es rechtzeitig mit Menschen, die ADHS haben, weil ich selber ADHS habe und es total normal finde, was für die leicht ist und was für die schwer ist und sie nicht, wenn sie mit mir arbeiten, auch noch sich wappnen müssen gegen ein Unverständnis meinerseits oder so. Was uns wirklich, wirklich oft begegnet, wenn wir mit Menschen arbeiten, die entweder ADHS haben, aber davon nicht wissen und damit nicht umgehen. Oder Menschen, die eben nicht ADHS haben und die dann einen, die möchten wir irgendwie vielleicht lachen oder einen komisch angucken oder einem irgendwas mitgeben, was man machen soll, aber nicht wissen, dass es so nicht
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klappen wird, dass wir andere Schritte brauchen, um ins Handeln zu kommen. Erst recht eine Person, die sich noch nicht so lange mit ihrer ADS auseinandersetzt. Ich habe eine ständige Neugierde und einfach ein vollstes Verständnis für Menschliches und ich verkompliziere Dinge gerne. Entscheidungsverfällen ist was, was ich manchmal erst merke, Mist, Scheiße, das ist ja eine Entscheidung, das kannst du nicht einfach so fällen, da musst du irgendwie anders ran. Ich habe zum Beispiel irgendwas auch schön geregelt und statt das dann mal ein bisschen zu genießen, fange ich irgendwas Neues an.
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Aber ich versuche das irgendwie absichtsvoller zu gestalten. Mir zum Beispiel zu sagen, mir wirklich sichtbar zu machen, dass ich jetzt nichts Neues anfange, bevor das und das fertig ist. Das klappt nicht immer, aber immer besser. Früher hatte ich tendenziell überhaupt kein Zeitmanagement. Ich wollte absoluten Flow und damit kam ich aber auch nicht klar. Ich hatte richtig Schwierigkeiten, von mir geplant in die Aktivität zu kommen. Ungeplant, kein Problem,
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Hyperfokus, rein da in kürzester Zeit. Ich glaube, ich hatte in einer Nacht eine Webseite und einen Instagram Account, meine allererste Webseite als Coach zum Beispiel. Aber mich so regelmäßig hinzusetzen, das ging alles überhaupt nicht. Was habe ich denn erst nach der Diagnose Ich kann immer noch nicht so gut Strukturen schaffen. Das geht besser, wenn ich weiß, wo ich mich hinsetze, wie groß der Bildschirm ist oder ob ich mit Papier arbeite. Gerne mit anderen Leuten
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nebendran oder auch mit Hilfe. Und meine Selbstständigkeit wird geprägt von meiner Vergesslichkeit. Ich muss alles aufschreiben, aber auch nicht nur in der Selbstständigkeit, auch privat. Und ich habe gelernt meinen Kalender als Geländer zu nutzen. Also nicht als Gefängnis, sondern oder wie und den auch zu nutzen. Ich habe da gerade für mich jetzt das Bild entdeckt, wenn ich mit dem Navi durch die Gegend fahre, dann verschiebt sich
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manchmal die Route und dann kann ich auf die Route zentrieren drücken und dann wackelt das wieder und dann sieht man wieder wo man langfahren muss. Und das muss ich ganz ganz oft machen am Tag, sonst weiß ich nicht, was dran ist oder so.
Nessa: Ja, das Selbstständigsein ist so ein bisschen Fluch und Segen zugleich. Das ADHS-Gehirn braucht Struktur, hasst es aber. Das heißt, ich bin sehr glücklich, dass mir niemand sagt, was ich zu tun habe. Leider sagt mir aber auch niemand, was ich zu tun habe. Deswegen muss ich immer so ein bisschen schauen, dass dieser schmale
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Grat mir nicht irgendwie im Weg steht. Was ich aber besonders gut kann, ist kreativ sein. Und das immer. In der normalen Arbeitswelt hat man ja trotzdem einen Rahmen. Auf keiner Arbeitsstelle läuft es perfekt, auch bei mir nicht. Aber ich muss meine Ideen nicht rechtfertigen und wenn ich halt eben was Cooles habe oder 15 Ideen am Stück habe, dann kann ich die halt eben alle aufschreiben und im besten Fall auch alle genauso machen, wie ich das möchte. Und ich habe das Gefühl, dass wenn
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mir eine Sache halt sehr Spaß macht, weil so ist das eben mit ADHS, dass man sehr, sehr, sehr interessensgesteuert, dann kann ich mich da auch so derart reinfuchsen und habe vielleicht Ideen, die sonst jetzt nicht so viele Leute zumindest haben und das sehr schnell. Und ich denke sehr schnell und ich schneide entsprechend auch schnell. Das heißt, die Leute, die mir folgen, also das sind ja auch meistens Leute, die entweder ADHS bei sich vermuten, jemanden kennen oder es selber haben, für die ist das natürlich dann perfekt, weil es sehr schnell
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ist und der Punkt relativ schnell rüberkommt. Ja und ansonsten habe ich einfach wahnsinnig viel Spaß bei dem, was ich mache, aber wenn man selbstständig ist, wäre es auch immer das Beste, wenn man das eh hat. Aber ja, die Kreativität, das Schnelle und das keine Regeln haben, obwohl das wie gesagt Fluch und Segen gleichzeitig ist, würde ich denken.
Sarah: Also im negativen Sinn wirkt sich ADHS auf meine Selbstständigkeit aus, dass viele Dinge länger dauern als notwendig, weil ich mich oft verzettele und Dinge
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zerdenke oder weil ich in so eine mega Prokrastination reinfalle, also diese klassische exekutive Dysfunktion, durch die man dann wie so ein paralysiertes Meerschweinchen drei Stunden vor einer Aufgabe sitzt, die einen eigentlich am Ende fünf Minuten kostet oder dass ich Dinge gar nicht zu Ende bringe. Wenn so dieser Hyperfokus mal nachlässt, also die ersten 80 Prozent einer Aufgabe oder eines Projekts gehen dann wie von selbst und super schnell
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und machen Spaß und zu den fehlenden 20 Prozent muss ich mich dann extrem zwingen und ja manchmal klappt das dann auch nicht und die Sachen werden auch einfach mal nicht fertig. So 1000 Ideen zu 80 Prozent fertig in der Schublade, aber zur Fertigstellung reicht es dann irgendwie nicht mehr. Und im positiven Sinne merke ich meine ADHS vor allem, dass ich im Hyperfokus, wenn mich wirklich ein Thema packt und begeistert und ich da richtig drin bin, dass ich dann extrem schnell und auch extrem gut arbeiten kann.
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Ich brauche auch für viele Aufgaben viel weniger Zeit, wenn ich mich da einmal reingefuchst habe. Dann bin ich einfach super schnell. Und dadurch, dass mein Gehirn einfach ein bisschen anders strukturiert ist, finde ich oft andere Lösungsansätze und ich kann ganz gut so out of the box denken. Das ist natürlich was, was jetzt als
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Texterin oder auch wenn man so Konzepte macht für Kampagnen schon jetzt ganz nützlich ist. Eine Kundin hat auch neulich zu mir gesagt, du hast wirklich das Talent aus ganz wenig Input ganz viel rauszuholen. Darüber habe ich mich sehr gefreut und ich glaube das liegt aber auch einfach daran, dass ich einfach auf eine ganz andere Art rangehe als ein neurotypischer Mensch. Also mein Gehirn stellt einfach
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andere Verknüpfungen her zu den Dingen, die es liest oder die es sieht und dadurch entstehen dann auch einfach andere Ergebnisse. Ich glaube das macht schon meine Arbeit auch sehr aus.
Frage Nummer 5: Welche Methoden, Techniken, Tricks oder Stärken helfen dir zum Beispiel beim Zeitmanagement, der Planung, der Contentplanung, den Finanzen oder anderen „langweiligen“ oder wiederkehrenden Aufgaben?
Bianca: Was mir enorm hilft, ist, dass ich den Routinetätigkeiten, die ja doch auch in der Selbstständigkeit zum Teil anfallen, ganz klare Zeitfenster gebe. Also da arbeite ich sehr viel mit der Pomodoro-Technik, wo ich dann auch in verschiedenen Zeitblöcken, auch mit der Länge der Zeitblöcke ein wenig variiere. Also um ein ganz konkretes Beispiel zu nennen, 20 Minuten Buchhaltung schaffe ich. Und ansonsten helfen mir einfach Deadlines
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tatsächlich sehr, sehr gut. Deadlines sind für mich absolut Gesetz, die halte ich immer ein und was natürlich auch hilft, ist, dass ich als Selbstständige einen Teil meiner Routineaufgaben einfach auch auslagern kann. Also dass ich quasi sag die arbeiten, wo es mehr um das Kreative geht, wo es mehr um das Strategische geht, die bleiben bei mir und andere Dinge darf ich auch nach und nach auslagern.
Frau Boekhoff: Zu den Methoden, Techniken, Tricks und Tools spreche ich jetzt auch als ADHS-Coach und Trainerin. Ich erlebe es
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aus meinen Coachings und vor allem auch spreche ich jetzt wieder aus dem Unternehmercoaching heraus, dass die Kunden dort das als extrem hilfreich erleben, ein bestimmtes Aufgabenmanagement-System anzuwenden, das sie bei mir im Coaching lernen. Das System heißt Simple-Do-System. Da geht es darum, wie man seine Aufgaben verwaltet. Es geht nicht darum, ob man eine App benutzt und welche App man benutzt oder ob man Stift und Papier benutzt und so. Es geht darum, wie man Aufgaben aus der eine Million Aufgaben, die man so im Kopf oder
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irgendwo aufgeschrieben hat, wie man sich daraus einen Fokus bildet für die Woche und für den Tag, so dass man am Tag quasi immer weiß, was ist für heute wichtig, was mache ich als nächstes, dass man gewinnt einen Überblick über die Aufgabenprioritäten. Das heißt Simple-Do-System. Das ist ein Aufgabenmanagement-System, das ich im Laufe meiner Coaching-Tätigkeit mal vor x Jahren entwickelt habe und wo ich in den Coachings merke, dass das meinen Kunden
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einfach extrem hilft. Die einen machen das mit Stift und Papier, die anderen machen das mit Post-its auf dem Whiteboard, die nächsten machen das mit irgendeiner App. Es ist vollkommen wurscht, welches Tool man dafür benutzt. Das ist ein System. Das ist extrem hilfreich. Was auch hilfreich ist, ist eine Zeitfensterplanung, also die Woche einzuteilen in Zeitfenster. Zwei Stunden Zeitblöcke oder Halbtagesblöcke. Und diese Zeitfenster vergibt man an bestimmte Themen oder bestimmte Aufgabenbereiche, zum Beispiel ein Zeitfenster
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für Kleinkramaufgaben. Das ist dann, ich muss noch die Rechnung überweisen, ich muss noch die Reise buchen, ich muss noch diese Papiere sortieren oder so was. Also Kleinkram, so nenne ich das, oder Büro, Schreibtischzeit, könnte ein Zeitfenster sein. Und Zeitfenster kann man auch sehr gut vergeben, wenn man in Projekten arbeitet, weil man dann nämlich mal zwei oder drei Stunden Zeit hat, nur für ein Projekt. Und dann kann man darin besser eintauchen in dieses Projekt. Und wenn man nicht mit Zeitfenstern arbeitet, sondern alle Aufgaben immer mischt, dann springt man gedanklich immer so hin und her. Dadurch
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verliert man sehr viel Zeit. Dann brauchen gerade Selbstständige und Unternehmer auch eine Auszeit außerhalb vom Tagesgeschäft. Wir nennen das bei unserem Coaching Adlerflugzeit oder auch Sternstunde, wo man sich aus dem Tagesgeschäft mal rauslöst und sich zwei bis drei Stunden Zeit nimmt, um aus der Vogelperspektive auf das Business zu gucken und sich zu überlegen, was mache ich hier eigentlich, wo will ich mit diesem Business überhaupt hin,
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wie läuft es eigentlich, was haben wir gelernt, was funktioniert, was haben wir gelernt, was nicht funktioniert. Also es ist eine Reflexionszeit, eine Strategiezeit, wo man am Business arbeitet. Das ist unerlässlich, wenn man ein tragfähiges Business aufbauen will, in dem man auch langfristig gesund und mit Freude arbeiten kann. Dann muss man sich aus dem Tagesgeschäft rauslösen und von oben auf alles drauf gucken und sich strategisch Gedanken machen.
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Ja, die langweiligen bzw. wiederkehrenden Aufgaben, die sind am besten aufgehoben bei jemand anderem. Also die macht man als ADS-Selbstständiger am besten nicht selbst, sondern dafür engagiert man sich am besten andere Leute, die sowas machen, also eine Büroassistenz oder irgendwelche Mitarbeiter, die dann die admin-Sachen machen. Weil es kostet einfach sehr viel Energie, das ADHS-Gehirn dazu zu bringen, sich langweiligen
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und wiederkehrenden Routineaufgaben zu widmen. Solche Aufgaben versprechen einfach keine Dopaminausschüttung, weil sie nicht motivierend sind, wird kein Dopamin ins Frontalherren ausgeschüttet, dann arbeitet das Frontalherren nicht richtig. Das bedeutet, dass man einfach sich schlecht aktivieren kann für die Sachen, dass man sich schlecht darauf konzentrieren und einlassen kann und so. Und wenn man sich jetzt doch aber auf langweilige und wiederkehrende Aufgaben einlassen will, dann ist das meistens einfach mit sehr viel Anstrengung verbunden. Oder man nutzt dazu Strategien wie virtuelles Coworking oder echtes Coworking, also physisches
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Coworking oder auch Bodydubbing genannt, um sich darüber zu motivieren, an solche Aufgaben ranzugehen.
Kathryn: Also, ja, vieles hat mir geholfen. Beim Zeitmanagement hilft mir, meine Hauptdinge klar zu haben, wo will ich hin und welche Bereiche gehören da rein, an denen ich was machen will. Und dann fische ich mir da regelmäßig was raus.
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Und ich versuche das relativ kurzfristig, das Fischen zu machen und auch Vertrauen, dass wenn ich immer überall fische, dass schon was passiert. Und dann habe ich Zeitblöcke im Kalender, die für bestimmte Tätigkeiten sind. Ich darf die auch schieben, ich kriege das nicht so ganz hin, die immer gleich zu machen. Und es gibt Phasen, in denen es besser klappt und in anderen weniger. Das kommt darauf an, wie viel Wuselkram ansonsten so los ist.
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Also wenn Ferien sind und mein Sohn Ferien hat oder ich in Urlaub fahre, das bringt oftmals ordentlich was durcheinander und das weiß ich und dann gebe ich mir Zeit. Ja für mich ist wichtig wann ich arbeite, wo ich arbeite, ob ich allein gerade bin oder mit anderen. Das check ich da vorher ein, weil manche Sachen weiß ich schon und das wird dann schon von vornherein so geplant. Das heißt ich gehe in Coworking Spaces zum Beispiel oder in Cafés oder bin zu
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Hause. Ich hatte eine Zeit lang jetzt auch einen Coaching Raum, zurzeit habe ich den wieder gelassen, weil ich gemerkt habe, da habe ich mich gar nicht so inspiriert gefühlt, wo ich dort war an dem Ort. Und das ist für mich super wichtig. Also mein Umfeld ist super wichtig für mich. Anders hat mir sehr geholfen zu wissen, dass ich delegieren darf und zu üben es zu tun, finde ich auch nicht leicht. Für delegieren müssen wir ja innehalten
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und wissen, welche Schritte sind. Viele Menschen mit ADHS machen, die einfach schnell selber. Und dann fehlt aber natürlich Zeit für was anderes. Accountability, mit anderen Leuten abzusprechen, was ich machen möchte, hilft mir super gut beruflich und privat. Dann auch klare nächste Schritte abzusprechen und die zu gehen. Und immer wieder in meinen Kalender zu gucken. Also meine To-Do-Liste, mein Kanban-Tool oder mein Projektmanagement-Tool, meine Notizen-App und mein Kalender und so,
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das alles miteinander verheiratet, in Anführungsstrichen. Und das ist ganz, ganz wichtig für mich. Ich habe auch vereinfachte Dokumentstrukturen, manchmal so für ein großes Thema nur ein Dokument oder ich bin halt sehr froh, dass ich nach Stichworten suchen kann und die weiß ich auch meistens noch. Und mir das zu erlauben, dass das nicht total durchorganisiert sein muss.
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Das hat mich wirklich auch viel Zeit und in meinem Leben gekostet, immer zu denken, ich muss bestimmte Strukturen herstellen. Muss ich gar nicht. Ich muss das so machen, dass ich damit arbeiten kann. Und da gibt es vielleicht noch Reibungsverluste dann, das könnte alles optimiert werden. Ich bin da anfällig für solche Vorschläge aus dem Internet und versuche die immer mehr auch sein zu lassen.
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Nessa: Also, wovon man sich verabschieden muss, gerade mit ADHS, ist so der heilige Grad oder die eine Methode oder die Technik, die das alles besser macht, und zwar für immer. Das wünscht sich zwar jeder, der so einen neurodivergenten Kopf irgendwie hat. Man braucht aber sehr, sehr viele verschiedene Systeme, die man dann durchrotiert. Aktuell ist es so, dass ich manchmal dann nur filmen kann und ich habe zum Beispiel Probleme zwischen den Aufgaben zu wechseln und jede Entscheidung mit einem neurodivergenten Gehirn kostet einfach wahnsinnig viel Energie.
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Das heißt, die erste Technik ist quasi Sachen einfach, wenn es nicht anders geht, hinzunehmen. Wenn ich jetzt eine Stunde brauche, um mich zu entscheiden, schneide ich jetzt das eine Video oder mache ich vielleicht ein neues, dann muss ich einfach ganz schnell das machen. Das ist meine Methode. Ich weiß, das klingt ein bisschen banal, aber einfach sehr schnell sein und einfach sagen, egal, ich mache jetzt irgendwas und los. Das zweite ist, ja, so ein bisschen die Frustrationsgrenze nach unten zu setzen und zu sagen, ich kann mich jetzt einfach nicht an diesen Schreibtisch setzen, ich schaffe das jetzt einfach nicht. Ja, dann setze ich mich halt ins Bett oder setze mich irgendwo anders hin, weil man braucht immer neue Impulse.
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Und wenn das ADHS-Gehirn gelangweilt ist, dann funktioniert es auch einfach nicht mehr. Das heißt, ich mache das, ich habe auch schon in der Badewanne gearbeitet, so ist das nicht. Und man muss halt viele Sachen verbinden, dass man halt sagt, okay, ja, ich mache jetzt den Haushalt, weil ich kann jetzt einfach nicht still sitzen, nutze das aber und lege mir überall Zettel hin, die nur dafür da sind. Ja, ich nenne das immer so ein bisschen Unterbrechungsliste. Alle Sachen, die mich abhalten von der einen Aufgabe, die schreibe ich dann eben da auf, damit ich mich dann halt eben auf eine Sache konzentrieren kann.
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Und wenn mein Gehirn frei rumrennen kann, weil ich eben was anderes mache, funktioniert es am besten. Ansonsten habe ich so ein Projektmanagement-Tool. Ich habe aber auch noch Planer. Ich habe auch noch meinen iPad, wo ich das da alles organisiere. Wichtig ist, egal für welche Methode man sich entscheidet, dass man das an einem Ort macht, weil sonst kann man dann irgendwann seinen Sachen hinterher. Oder dass man sich zwingt, in weitestgehend regelmäßigen Abständen die Informationen alle zusammen zu suchen.
0:57:36
Nicht aufgeben, ist auch noch auf jeden Fall ein Tipp, die beste Methode. Und ja, dass man so ein bisschen sich selbst kennenlernt und weiß, was man irgendwie am Tag schaffen kann und damit dann eben arbeitet. Gerade wenn man in kreativen Berufen arbeitet, mache ich das auch so, dass ich eine TaDa-Liste am Ende des Tages habe, weil man kennt das selber, egal ob ADHS oder nicht, man hat irgendwann dieses Imposter- oder Hochstapler-Syndrom. Man hat nichts geschafft und es dauert nicht mehr lange, bis die Leute das mitbekommen, dass man eigentlich nichts kann.
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Das heißt, man schreibt am Ende des Tages alles auf, was man geschafft hat und hat dann einmal ein besseres Gefühl, wenn man ins Bett geht. Und weiß auch, was man so an einem Tag wirklich schaffen kann mit einem guten Gefühl. Ja, und ansonsten sich tatsächlich Zeit einräumen, um sich ja auch blöden Ideen ja den Raum einzuräumen. Weil manchmal bin ich dann so, ja, ich hätte diese Idee, aber das geht nicht, scheiße, dann kann ich darüber jetzt nicht nachdenken.“ Und das irgendwie so ein bisschen stoppen und zu sagen, ja, aber ich denke da jetzt trotzdem drüber nach. Was wäre, wenn ich eine Filmcrew hätte? Was ist die schlechteste Videoidee, die ich jetzt haben könnte?
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Und einfach diesen Gedankenexperimenten wirklich zu sagen, ja, dann mache ich das jetzt halt einfach ein bis zwei Stunden und dann kommt das. Und zum Schluss, das Wichtigste sind so Trigger von außen. Also für mich funktioniert Motivation von innen ausschließlich dann, wenn ich wirklich zu 200 Prozent Bock auf irgendwas habe. Wenn ich aber sage, ich möchte das jeden Tag hochladen, was ich ja mache, dann habe ich zum Beispiel meine Mama an der Seite,
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die mir erstens mit anderen Dingen hilft, aber eben auch sagt, hey, wo ist denn das Video, ach Mensch, wolltest du nicht das noch machen oder irgendwie sowas, die mir aber eben auch, ja, nach Hilfe fragen ist ein großes Thema, die mir aber auch ungefragt sehr, sehr viel abnimmt. Die sitzt sogar gerade neben mir im Auto und fährt mich nach Berlin, weil ich das sonst alles nicht geschafft hätte und in der Zeit nicht arbeiten könnte. Hallo! Das war sie. Liebe Grüße von meiner Mama!
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Sarah: Also mir hilft es total, die unangenehmen Seiten mit einer schönen Sache zu verbinden. Zum Beispiel zur Buchhaltung immer ein schönes Stück Kuchen zu essen oder allein schon mir irgendwie dann einen neuen Kaffee dazu zu machen oder so. Manchmal sind es so die Kleinigkeiten. Das habe ich auch bei dir so gelernt in der Mastermindgruppe, Lilli. Genau und davon abgesehen helfen mir tatsächlich, es ist ja immer so ein bisschen paradox, aber tatsächlich gewisse Strukturen
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und gewisse Routinen, die ich immer wieder aber auch neu definieren muss, weil ich sie auch immer mal wieder über den Haufen schmeiße oder sie auch einfach nicht mehr funktionieren nach einer gewissen Weile. Also mir hat eine ganze weile die Pomodoro Technik, bei der man ja immer so zum Beispiel 20 Minuten konzentriert arbeitet und dann hat man wieder fünf bis sechs, sieben, acht Minuten Pause, die hat bei mir eine ganze weile richtig richtig gut funktioniert und seit ein paar Wochen merke ich, dass
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ich diesen Timer einfach komplett ignoriere und dass ich es eigentlich auch bleiben lassen kann. Also da muss jetzt wieder eine neue Routine her. Und ich glaube, die Kunst ist tatsächlich, da flexibel zu bleiben und sich aber immer wieder was Neues zu suchen. Und das ist natürlich irgendwie auch anstrengend, weil man könnte ja auch einfach mal bei einer Sache bleiben. Aber tatsächlich stellt sich dann wohl ein gewisser Gewöhnungseffekt ein und dann funktioniert es eben nicht mehr. Ich glaube, da ist tatsächlich so die Flexibilität wichtig, dann einfach mal wieder nach was Neuem Ausschau zu halten.
1:00:55
Frage Nummer 6: Was würdest du allen Selbstständigen mit ADHS mitgeben wollen?
Bianca: Als mein ADHS diagnostiziert wurde, habe ich eine Verhaltenstherapie gemacht, um besser damit klarkommen zu können. Also ich habe nie Medikamente bekommen, sondern ich habe das mit einer Verhaltenstherapie tatsächlich recht gut in den Griff bekommen. Und eine Sache, die ich dort gelernt habe, die möchte ich allen Selbstständigen mit ADHS und auch den Festangestellten mit ADHS gerne
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mitgeben, nämlich die Gewissheit, dass der Zeit- und der Energiekuchen, die sind begrenzt. Also bei mir ist es so, dass die Begeisterung für eine neue Aufgabe, für eine neue Idee, eine neue Fortbildung und so weiter ganz schnell anspringt und dass ich mir aber inzwischen angewöhnt habe und das habe ich damals in der Therapie gelernt, dass ich etwas loslassen muss, damit das neue Platz hat. Wenn ich etwas wirklich will, was ist es, was ich dann dafür aufgebe, damit es mit der Zeit und der Energie wieder gut hinkommt. Und das ist manchmal
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sehr, sehr schmerzhaft und da überlegt man sich das dann auch gut, ob man jetzt etwas Neues aufnimmt oder ob man doch lieber bei dem Alten dabei bleibt. Aber das hilft einem insgesamt oder hilft mir sehr dabei, dass mein ADHS nicht überkocht, wie ich das gerne sage.
Frau Boekhoff: Ich würde allen Selbstständigen mit ADHS mitgeben wollen, versuchen Sie nicht ein tragfähiges langfristiges Business aufzubauen alleine als Einzelpersonen indem sie dann alles selbst machen. Das funktioniert nicht.
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Ich habe noch niemanden erlebt, Menschen mit ADHS. Der Einzelunternehmer ist solo-selbstständiger und damit ein tragfähiges Business baut, in dem er sich auch wohlfühlt und mit Freude arbeitet. Weil im Business gibt es immer so viele Dinge, Aufgaben oder auch Projekte oder auch ganze Tätigkeitsbereiche, die einfach dem ADHS irgendwie entgegenstehen. Das ist immer dieser ganze Buchhaltungskram. Das sind die ganzen administrativen Sachen, die Papierverwaltung, die Dateiverwaltung, die ganzen Kundendaten irgendwo eintragen,
1:03:19
Rechnungen schreiben, Geldeingänge prüfen, was auch immer alles. Und das ist was, was also die meisten Selbstständigen mit ADS einfach total kämpfen, das zu tun. Dann wird es aufgeschoben, dann werden die Rechnungen nicht geschrieben, dann werden die Geldeingänge nicht geprüft, dann werden die Unterlagen nicht sortiert, dann muss man wieder suchen, dann kommt kein Geld rein, weil man die Rechnung nicht geschrieben hat. Das hat Riesen-Rattenschwänze.
1:03:45
Also versuchen Sie nicht alleine als Mensch mit ADS selbstständig zu sein. Das ist eigentlich mein allerwichtigster Tipp. Gucken Sie, dass Sie möglichst schnell sich zumindest stundenweise eine Assistenz zulegen, die irgendwelche langweiligen oder wiederkehrenden Aufgaben für sie erledigt. Da kann man am Anfang Studenten beschäftigen oder Praktikanten oder jemanden auf geringfügiger Basis oder irgendeine virtuelle Assistenz auf Freelance Basis.
1:04:14
Da braucht man gar nicht viel Zeit. Also da reichen meinetwegen zwei Stunden pro Woche am Anfang. Dann zahlt man da irgendwie 200, 300 Euro für im Monat. Aber das ist einfach so viel wert. Oder auch Kundensupport oder E-Mail-Anfragen, das muss man alles als Selbstständiger nicht gleich selber übernehmen und beantworten. Also befassen Sie sich möglichst früh in Ihrer Selbstständigkeit damit, was Sie outsourcen
1:04:46
und delegieren können und wen Sie dafür suchen und wie Sie das Geld dafür rein wirtschaften, jemanden zu bezahlen, damit sie Dinge von sich weg kriegen. Man braucht als Selbstständiger, als neurodivergenter Mensch und als Mensch mit AIS nicht denken, man würde diese ganzen verschiedenen Aufgabenbereiche, die es in der Selbstständigkeit gibt, irgendwie alle selber hinkriegen und man müsste nur das entsprechende Coaching machen und dann könnte man auch diese ganzen Buchhaltungs- und Adminsachen
1:05:16
irgendwann selbst besser erledigen. Ne, also so gern ich meine Coachings verkaufe, aber da muss man einfach die Kirche im Dorf lassen und sagen, konzentrieren Sie sich auf ihre Stärken und für ihre Schwächen suchen Sie sich jemand anderen. Das ist einfach in vielen Dingen als Selbstständiger die bessere Lösung als ständig an seinen Schwächen zu arbeiten und zu denken, aber ich muss das ja auch irgendwann hinkriegen. Also arbeite ich noch mal an mir.
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Kathryn: Also was ich Selbstständigen mit ADS mitgeben wollen würde, ich habe als erstes gedacht, ich habe immer so nach so einem System gesucht, sowohl in meinem Angebot ein System als auch in meiner Selbstorganisation. Und im Angebot kann das sein, dass es das gibt, aber in der Selbstorganisation privat und beruflich ist es nicht ein großes System, das ich knacken muss, das du knacken musst, sondern es sind viele kleine Dinge, die du an Handlung, an Momente koppelst, die du für dich
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findest, die hilfreich sind. Oder zum Beispiel bei mir ist es nicht unbedingt, dass ich ein System brauche, wie ich anfange in meinem Computer zu arbeiten, sondern ich muss überlegen, wo ich mit meinem Computer hingehe. Das ist die Gewohnheit, das System und dann gibt es bestimmte Abläufe danach, die dann auch viel besser laufen. Dann denke ich, dass bei Selbstständigen mit ADS das unglaublich wichtig ist, dass sie lieben, was sie tun und wenn sie das zwischendurch verlieren, dass sie da immer wieder mit in Kontakt gehen, mit ihrem Warum in Kontakt sind.
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Denn dann macht es das leichter, auch langweilige Dinge zu machen oder dafür Lösungen zu finden. Und auch lieben, wie du deine Arbeit gestaltest. Also immer wieder auch den Check-in machen mit deinen Werten und mit deinen Stärken, die auch zu kennen. Dann üben, dir zu erlauben, du selbst zu sein, dich nicht verbiegen zu wollen und deine Selbstständigkeit wie eine neurotypische Person zu leben. Das kenne ich auch. Gerade als Coach denke ich da manchmal, da muss ich ja
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jetzt hier alles im Griff haben. Und alles schon können. Das stimmt, ich habe doch ein ADS-Gehirn und generell kann kein Mensch alles schon. Und ich mag doch eigentlich gern authentisch sein. Und das hat mich dann manchmal auch gehindert, mehr Lösungen für mich zu finden. Weil ich dachte, ich muss jetzt das und das alles so und so hinkriegen wie andere auch. Muss ich gar nicht. Und du auch nicht.
1:07:51
Und vielleicht weißt du das schon. Und generell, wenn du was verändern willst, hol dich immer da ab, wo du gerade stehst. Das heißt, wenn du sagst, du willst jetzt mehr mit einem bestimmten Kalendersystem arbeiten oder Projektmanagementsystem. Versuch nicht gleich schon irgendwas zu machen, was dich eigentlich völlig stresst, wo du dich eingeengt fühlst, was du überhaupt nicht nutzen kannst, sondern fang klein an, was für dich jetzt gerade
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geht und andererseits akzeptiere oder erkenne auch, dass wir bei ADS so eine Lernkurve haben, die ein bisschen anders aussieht als bei anderen Leuten. Andere Leute gehen so stetig los, lernen immer ein bisschen dazu und irgendwann haben sie alles. Und der Heiner Lachenmeier hat in seinem Beruf erfolgreich mit ADHS im Beruf geschrieben, bei uns ist das anders und ich kann das auch so sehen, dass bei Menschen mit ADHS oftmals, das scheint irgendwie, wir scheinen nichts zu lernen
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und nichts klappt, das klappt nicht, das klappt nicht, aber währenddessen gucken wir hier, gucken da, gucken in die Ecke, in jene, verknüpfen und so weiter und irgendwann fump haben wir es und dann haben wir oftmals mehr Überblick als andere. Und mir fällt das auch auf bei bestimmten Systemen oder Strukturen oder Tools, die ich nutzen will, dass das manchmal lange gebraucht hat, bis ich die drauf hatte und seit ich das weiß, dass das mit meiner Lernkurve zu tun hat,
1:09:10
ist das okay. Und dann kann das sein, dass ich ja mal, dann braucht es irgendeinen Knackpunkt und dann fluppt es sozusagen. Und Freizeit darf nicht nur sein, sondern ist auch hilfreich und notwendig, damit dein System nicht immer in Rebellion geht und sagt, ich bin hier die ganze Zeit nur am Arbeiten. Weil dann gehst du im Zweifelsfall abends nicht ins Bett oder bist auch tagsüber schon irgendwie bockig.
1:09:41
Es macht mehr Spaß, Dinge zu leisten, wenn man auch Spaß haben darf. Während man die Dinge leistet, aber eben einfach völlig nicht dazugehöriger Spaß. Das finde ich ganz, ganz wichtig.
Nessa: Ja, was ich den Leuten mitgeben möchte, die ADHS haben und überlegen, selbstständig zu werden und das vielleicht eine gute Idee finden, aber Angst haben oder Leuten, die schon selbstständig
1:10:04
sind, aber regelmäßig daran verzweifeln, bin der dann dead? Denen möchte ich so ein bisschen sagen, die Angst, die ist da, die wird euch auch keiner nehmen können, egal was ich euch jetzt sage, aber es lohnt sich und ich weiß, dass man mit ADHS oder wenn man anders verkabelt ist im Kopf und irgendwie, ja, irgendwelche Neurodivergenzen mit sich herumträgt, man bekommt relativ zeitig das Gefühl, man kann nichts oder es dauert länger und man muss irgendwie 100% Arbeit reinstecken, um 50% rauszubekommen. So eine Selbstständigkeit kann aber genau das bewirken, dass man damit wächst und ja, man fällt vielleicht auf die Schnauze, aber es ist das absolut
1:10:38
wert und jeder hat das irgendwie verdient, solange man irgendwie lösungsorientiert bleibt und sagt, hey, ich kann das und ich finde jetzt irgendwie einen Weg. Steuer? Scheiße, hassen wir alle. Vom Finanzamt haben wir alle Angst. Und das wird auch für immer so bleiben, glaube ich. Aber wenn man sagt, ich setze mich da jetzt hin und ich muss alle 10 Minuten zwar aufstehen, aber ich ziehe das durch, ich will das so sehr.
1:11:01
Glaube ich, dass das wirklich jeder machen kann. Und ich glaube für ADHS-Leute, das ist wirklich, also für mich, ich möchte keine generelle Empfehlung geben, aber es ist ziemlich das Beste, was mir passieren konnte. Und ich glaube, das kann jeder schaffen. Auch wenn das jetzt pathetisch klingt, aber ich glaube da dran.
Sarah: Was ich einem Selbstständigen mit ADHS mitgeben würde, ist, versuche nicht gegen deine ADHS zu arbeiten, sondern versuche wirklich mit deinen Stärken zu arbeiten. Und nutze die Freiheiten auch in der Selbstständigkeit, um deine Arbeit und auch um deine Arbeitsabläufe wirklich,
1:11:35
wirklich nach dir auszurichten. Ich finde, wir neigen auch als Selbstständige ganz oft dazu uns so selbst zu versklaven, weil wir denken wir müssen bestimmte Dinge auf bestimmte Art machen, weil alle das so machen und das stimmt aber einfach nicht. Also vieles was uns so in der Online Welt so vorgegeben wird oder so getan wird als wäre das irgendwie ein Muss, funktioniert für uns ADHSler einfach nicht und es ist auch total in Ordnung so. Wir müssen das nicht so machen. Also du als Selbstständige mit ADHS findest
1:12:10
deinen eigenen Weg und der muss auch nur zu dir passen und sonst zu niemandem. Und ich finde das ist ja der Vorteil in der Selbstständigkeit, dass wir uns alles so gestalten können, wie es einfach zu uns passt. Und ich finde genau das Genau das darf man dann auch richtig voll auskosten, gerade mit ADHS.
Und schließlich Frage Nummer 7: Hast du Buchtipps zu diesem Thema? Die Buchtipps findest du dann auch verlinkt in den Show Notes und im Blogartikel.
1:12:42
Frau Boekhoff: Als Buchtipp möchte ich weitergeben, das habe ich von sehr vielen meiner Kundinnen und Kunden gehört, dass das für sie hilfreich war in der Arbeitswelt und auch in der Selbstständigkeit, das Buch von Heiner Lachenmeier: Mit ADHS erfolgreich im Beruf.
Kathryn: Also mein allerliebstes ADHS Buch ist von Heiner Lachenmeier „Mit ADHS erfolgreich im Beruf“ und das ist jetzt nicht speziell auf Selbstständige ausgelegt. Es ist aber für alle, für mich, meiner Meinung nach, egal ob es für den Beruf ist, auch für Privates sinnvoll, für Angestelltendasein,
1:13:21
für Selbstständigkeit, um zu verstehen. Und er schreibt auf so eine schöne Art und Weise, dass es sowohl, dass die, das ist so stärkend und aber es redet auch ADHS nicht klein. Und das finde ich ganz ganz toll. Dankeschön.
Nessa: Ich könnte jetzt das nutzen, um hier sneaky Werbung zu machen, denn wie es der Zufall so will, bin ich gerade auf dem Weg zur Lesung von meinem eigenen Buch. Ich habe einen Roman geschrieben, der heißt „Schnee in Portugal“ und der hat eine neurodivergente Hauptperson. Das einmal dahingestellt.
1:13:52
Ansonsten kann ich ja das Buch von Lisa, The Unnormal Brain, sehr empfehlen. Da geht es so ein bisschen um Alltagstipps, aber es ist auch so ein bisschen, ja, also was man halt schnell umsetzen kann, aber eben auch langfristig so in seinen Alltag integrieren kann. Das Buch heißt „Hirngespinste“ und ich finde es sehr, sehr süß geschrieben. Ansonsten witzigerweise, gerade vielleicht für jüngere Leute oder wenn man auch sagt, ich bin jetzt von der Arbeit einfach so fertig, ich kann jetzt einfach nicht noch so einen
1:14:21
Ratgeber reinprügeln, „Percy Jackson“, weil Fun Fact, das wurde geschrieben von einem Autor, dessen Sohn ADHS hat und der so ein bisschen das wiedergeben möchte, wie man sich da so verhält. Es gibt viele Bücher und Ratgeber, im Endeffekt ist ADHS aber ein Thema, was für jeden ganz, ganz anders ist. Und deswegen muss man da, glaube ich, so finden, was sein genaues Problem mit ADHS ist und kann dann das da schauen. Aber das Buch von Lisa kann ich auf jeden Fall sehr, sehr wärmstens empfehlen.
Sarah: Mein Buchtipp ist „Eine andere Art, die Welt zu sehen“ von Thom Hartmann.
1:14:58
Das ist das Buch, das mir meine Therapeutin mit meiner Diagnose in die Hand gedrückt hat damals. Und ich finde, das beschreibt sehr schön und auf eine ganz positive, wertschätzende Art die Symptomatik und die Hintergründe und die Besonderheiten von ADHS. Das ist jetzt nicht das aktuellste Buch und berücksichtigt wahrscheinlich auch nicht die aktuellsten Studienergebnisse oder so, vielleicht in einer aktuellen Auflage, das weiß ich nicht, aber nichtsdestotrotz
1:15:25
finde ich, es ist ein ganz tolles Buch, gerade für neue ADHSler, weil es eben sehr auf die Stärken von ADHS eingeht und es jetzt weniger als Krankheit darstellt, die es ja auch nicht ist. Und ich finde, das darf man wirklich auch von Anfang an erkennen, dass ADHS auch ganz viel Stärken und positive Seiten mit sich bringt. Und dafür finde ich, ist das Buch ganz toll geeignet.
Vielen lieben Dank an meine fünf tollen Podcast-Gäste für ihre Antworten.
1:15:55
Vielen Dank dir fürs Zuhören. Wenn du möchtest, schau gerne mal auf meiner Website vorbei, wie ich dich dabei unterstützen kann, selbstbestimmt und flexibel, aber auch mit genügend Struktur und Planung und Klarheit selbstständig zu sein. Auf meiner Webseite findest du sowohl kostenlose Ressourcen als auch meine aktuellen Angebote.
Es wird dieses Jahr auch wieder den Jahresplanung-Adventskalender für Selbstständige geben. Da öffnet die Anmeldung bald. Also wenn du da dabei sein möchtest, dann abonniere gerne meinen Newsletter und du erfährst es dann sofort, wenn der Adventskalender wieder online ist.
1:16:34
Also danke für deinen Beitrag im ADHD Awareness Month. Schon alleine das Zuhören von Betroffenen und ExpertInnen zu diesem Thema ist ein Beitrag dazu. Also vielen Dank und bis bald im Pyjama Business Podcast.
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