Lilli Koisser

Gemeinwohl über Gewinn – Wie kann ein anti-kapitalistisches Business aussehen? Ricarda Kiel im Interview

Pyjama-Business Podcast Folge 31 Gemeinwohl über Gewinn - Wie kann ein anti-kapitalistisches Business aussehen Ricarda Kiel im Interview

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Ricarda Kiel von „Die gute Website“ hilft Selbstständigen, ihre Squarespace-Website zur Welt zu bringen – und zwar mit einem Sozialunternehmen. Ich habe Ricarda im Interview gefragt: 

  • Was ist eine gute Website für dich?
  • Welche Stolpersteine nimmst du bei der Website-Erstellung wahr?
  • Wie stehst du zum Thema Positionierung, Nische und Expertenstatus? Hat das schon mal Druck in dir ausgelöst?
  • Welche Erfahrungen hast du im (Online-)Business mit (un-)menschlichem Marketing gemacht?
  • Welche alternativen Wirtschaftsformen gibt es zum Kapitalismus?
  • Wie kann ein anti-kapitalistisches Unternehmen aussehen?
  • Was ist ein Sozialunternehmen und wie gestaltest du deines?
  • Wie sieht dein soziales Preismodell aus?
  • Menschen in kreativen und sozialen Berufen sind oft unterbezahlt. Gemeinwohl über Gewinn – wie sieht das in der Praxis aus, sodass wir selbst finanziell nicht zu kurz kommen?
  • Wie hängen die Themen Sozialunternehmen und Onlinepräsenz zusammen?

Wie denkst du darüber? Teile deine Gedanken dazu gerne auf Instagram unter @diegutewebsite und @lillikoisser mit uns!

Transkript der Folge:

Lilli: Hallo und schön, dass du wieder bei einer neuen Folge im Pyjama-Business-Podcast dabei bist.

Ich habe im Interview heute Ricarda Kiel von „Die gute Website“ bei mir. Ricarda, du machst Squarespace-Websites für Selbstständige, schreibst Gedicht, bist in einem feministischen Kollektiv dabei, hast noch deinen eigenen Blog. Du bist recht vielseitig unterwegs. Ich freue mich, dass du heute hier bist. Herzlich willkommen!

Ricarda: Vielen Dank, Lilli. Ich freue mich auch sehr, dass ich dabei sein darf.

Lilli: Der Stein des Anstoßes war meine letzte oder vorletzte Podcast-Folge zum Thema menschliches Marketing, wo wir uns dann ausgetauscht haben. Und wir sind ja schon länger verbunden. Du hast mal einen Gastartikel zum Thema Squarespace vs. WordPress für meinem Blog geschrieben. Den kann ich auch gerne in den Shownotes verlinken.

Und wir wollen heute über das Thema antikapitalistisches Business beziehungsweise Sozialunternehmen sprechen. Bevor wir dazu kommen, wollte ich dich noch fragen, dein Unternehmen heißt ja „Die gute Website“, was ist für dich eine gute Website? Und spielt das da auch schon so ein bisschen mit dem Sozialunternehmen hinein?

Ricarda: Ja, das spielt auf jeden Fall mit rein. Die Details dazu werden wir bestimmt im Laufe des Gesprächs noch gut aufdröseln können. Gut heißt für mich vor allen Dingen, dass es bewusst nicht die perfekte Website ist.

Sondern es ist wirklich eine Website, die lebendig, anpassbar, unabhängig im Sinne von, du musst nicht immer warten, bis jemand deine Website für dich anpasst. Du hast sie als Werkzeug. Das ist ein Werkzeug, das du wirklich nutzen kannst. Das ist für mich das entscheidende Kriterium.

Und ich habe erst kürzlich ein neues Manifest geschrieben, wo ich genau beschreibe, was eine gute Website für mich bedeutet. Und da sind viele Parallel zu dem drin, worüber wir heute sprechen, die Lebendigkeit und alleine schon das „nicht perfekt sein müssen“ ist für mich schon antikapitalistisch.

Lilli: Ja, stimmt eigentlich. Das finde ich schön, dass du das sagst, weil ich merke das auch bei meinen Kund*innen, dass der Perfektionismus bei der eigenen Website-Erstellung ein großer Stolperstein ist. Was hast du da noch so wahrgenommen? Was ist da so bei deinen Kund*innen los, wenn sie ihre Website erstellen wollen oder sollen?

Ricarda: Ja, Perfektionismus ist ganz weit vorne. Das ist immer ein Thema. Und ich glaube, das hat im Endeffekt natürlich auch ganz viel mit einer Unsicherheit zu tun, dass ich mich so polstern möchte, dass ich meine Website bis ins letzte Wort, in den letzten Pixel hinein so perfekt mache, dass ich mich sicher genug fühle, damit rausgehen zu können.

Und dass ich mir damit aber oft auch von der Lebendigkeit was nehme, was eine Website eigentlich haben kann. Und das ist, glaube ich, so ein ganz großer Stolperstein. Vor allem bei der ersten Website, aber eigentlich bei jeder Website, die man baut. Dass die Gefühle so oft gar keine Rolle spielen dürfen. Also die Beschäftigung mit der Frage der Sichtbarkeit.

Wie viel kann ich denn schon von mir zeigen? Wie viel noch nicht? Und es heißt ja auch nicht, du musst jetzt heute ab sofort 100 Prozent von dir online zeigen, sondern du kannst ganz bewusst wählen, das sind Elemente, damit fühlt es sich gut an, dass ich die schon mal nach außen stelle.

Andere brauchen vielleicht noch ein bisschen Zeit. Dieses Tempo auch selber bestimmen zu können und deshalb eigenbestimmt zu sein. Und ich glaube, das ist so ein Stolpersein in Website-Erstellungsprozessen, die von außen fremdgesteuert werden, dass man das gar nicht mehr so wahrnehmen kann.

Was brauche ich denn jetzt eigentlich gerade? Brauche ich vielleicht ein bisschen eine Pause? Oder muss es schneller gehen, damit ich nicht an bestimmten Themen hängen bleibe? Ganz viel so Selbstreflektion.

Die Website wird von vielen Menschen, glaube ich, als so ein To-Do gesehen, eines von ganz vielen, was man am Anfang vor oder während der Gründung hat. Und ich wünsche mir so, dass es mehr als Werkzeug gesehen werden kann. Dass du mit der Seite wächst, die Seite mit dir wächst und dir dieses Werkzeug auch immer und immer wieder zur Verfügung steht.

Und das kann dir total helfen, dich als Unternehmer* und auch einfach als Gesamtmensch weiterzuentwickeln. Es ist wie alle Schnittstellen nach außen, es ist so ein Portal in alle Richtungen. Und hat damit auch so einen Zauber und so viele Möglichkeiten.

Und ich glaube, das wünsche ich mir so sehr, dass das gesehen werden kann. Und das geht oft nicht, wenn man in diesem: Hilfe, Hilfe, Hilfe, es ist ein Druck, eine Aufgabe, ich muss perfekt sein, ich muss diese Aufgabe perfekt lösen und dann kann ich die ganzen anderen Aufgaben perfekt lösen, wenn man in so einem Mindset drin ist.

Lilli: Wenn das so Druck macht. Ich finde, bei einer Website muss ich irgendwie auf den Punkt oder ausdrücken können: wer bin ich eigentlich? Und was ich eigentlich? Und was biete ich eigentlich an, oder?

Als ich noch eins zu eins gearbeitet habe, habe ich gemerkt, dass die Leute viel mehr Hilfe brauchen und habe deswegen dann auch meine Coaching-Ausbildung gemacht. Aber ja, man darf sich bei der Website-Erstellung ganz viel mit sich selbst auseinandersetzen. Ich glaube, das unterschätzen viele.

Ricarda: Genau, es kommt einfach. Die Fragen tauchen dabei auf jeden Fall auf. Und dann haben unterschiedliche Menschen natürlich unterschiedliche Mechanismen, wie sie damit umgehen. Und manche sagen, ja, ich gehe jetzt rein.

Und manche sagen: nein, super, ich verdränge es. Ist ja auch alles völlig legitim. In jeder Lebensphase braucht man ja auch vielleicht gerade was anderes. Aber die Fragen sind da. Die tauchen auf jeden Fall auf.

Lilli: Und wollen irgendwann beantwortet werden.

Ricarda: Und ich glaube, der Punkt, den du gerade angesprochen hast, der Druck so zu wissen wer ich bin, hat ja auch wieder ganz viel damit zu tun, dass sich so eine Website auch erstmal so fix und starr anfühlt. Ich glaube, gerade bei der ersten Website hat man irgendwie so das Gefühl: oh, das ist jetzt in Schrift gegossen.

Und das ist so fertig und das gucken dann so viele Menschen an und bilden sich ein Urteil über mich oder so. Und das ist, glaube ich, auch ganz stark eine Mindset-Frage, an der ich viel auch mit den Teilnehmenden in meinen Kursen arbeite, davon ein bisschen wegzukommen und zu sagen: vielleicht muss es nicht so fertig sein.

Vielleicht gibt es diesen Zustand des Fertig nicht. Vielleicht kann ich da auch wirklich immer wieder verändern. Das ist natürlich ein Abbild von einem Jetzt-Moment, aber der muss nicht auf alle Ewigkeit gelten.

Lilli: Wie oft sitzt du an deiner Website?

Ricarda: Laufend. Ich merke das schon auch, dass es in Phasen geht. Das letzte Jahr über habe ich viel recherchiert, nachgedacht und geschrieben. Das war mehr so eine interne Entwicklung.

Und jetzt seit Anfang diesen Jahres bin ich da wieder aktiver am nach außen gehen damit. Und da kommt auf einmal wieder so viel Bewegung rein, wo ich so merke: jetzt dieses Wachsen. Entschuldigung?

Lilli: Jetzt flowt es wieder, oder?

Ricarda: Ganz genau, ja.

Lilli: Schön. Ich habe ja meine Community auf Instagram gefragt, was sie von dir wissen wollen. Und du hast ganz viele Fans. Sie haben geschrieben, sie finden dich so toll und du bist so vielseitig. Und sie würden gerne etwas über Patchwork-Business wissen.

Ich nehme an, dass sie so in die Richtung gemeint hat, muss ich mich ganz spitz positionieren? Muss ich meine Nische suchen? Muss ich mir einen Expert*innen-Status aufbauen? Wie ging es dir damit? Hat das auch mal in dir Druck ausgelöst?

Oder hast du von Anfang an gesagt: nein, ich mache, was ich will und es ist eine bunte Spielwiese und ich muss mich nicht irgendwie einschränken? Kannst du uns vielleicht da mal mitnehmen?

Ricarda: Schön wäre es gewesen, hätte das nie Druck in mir ausgelöst. Das wäre eigentlich ein Idealzustand, wenn man das von Anfang an, Spielwiese ist auch ein toller Begriff dafür, begreifen kann. Das war es für mich überhaupt nicht.

Die unterschiedlichen Bereiche, die du ja auch vorhin schon aufgezählt hast, und es sind ja auch noch mehr, haben jeweils nochmal andere Wurzeln. Das hat mich auf jeden Fall die letzten 15 Jahre sehr intensiv beschäftigt. Und das war ein Kampf. Es war ganz oft super anstrengend.

Und ich habe jetzt so wirklich in den letzten Monaten, relativ kürzlich, so das Gefühl, dass ich selber erkenne und auch wirklich dahinterstehen kann, was die unterschiedlichen Bereiche wirklich verknüpft.

Und warum das für mich wichtig ist, dass ich diese verschiedenen Bereiche mache, wie die zusammengehören und wie die sich auch gegenseitig befruchten und bestärken, das war ein sehr langer Prozess.

Und das ist total spannend, und das ist jetzt auch wieder was, wo dann ein Flow reingekommen und sich auf einmal so anfühlt, als wäre es total schnell gegangen, aber schnell nach den 15 Jahren davor. Jetzt bin ich an dem Punkt, wo ich das richtig so umdrehen kann.

Ich nenne das auch so eine Komplexität, dass ich auch diese verschiedenen Facetten habe und es somit ein bisschen komplexer ist, mich vorzustellen oder vielleicht zu begreifen, als wenn ich jetzt nur sagen würde, ich bin deine Squarespace-Expertin, Punkt.

Und ich merke aber, wie ich das inzwischen sogar auch schon von anderen Menschen fordere. Ich gehe inzwischen wirklich hinaus und sage so: hey, zeig mir, wer du wirklich bist. Ich möchte sehen, dass du auch ein Mensch bist und auch andere Themen hast.

Wenn ich von jemanden nur so eine 2D-Marketing-Schablone sehe, bin ich inzwischen total abgeturnt. Das ist wirklich so ein: nein, dann weiß ich nicht, dann fange ich mit dir vermutlich auch nichts an.

Lilli: Ich finde es so witzig, ich habe vor ungefähr einer Woche genau dasselbe in meiner Mastermind gesagt. Dieses: wenn ich auf einer Website oder einem Instagram-Account nur so diese Expertenseite wahrnehmen kann und sonst nichts, finde ich das so langweilig.

Ich würde gerne viel mehr Aspekte wissen. Und auch dieses Expertenwissen ist ja nicht einzigartig. Das ist ja total vergleichbar und austauschbar. Und erst diese Elemente wie, weiß ich nicht, „was ist deine politische Ansicht?“ oder „was machst du in deiner Freizeit?“, diese ganzen Mosaiksteine machen die Person auch als Unternehmer*in dann erst aus, finde ich.

Ricarda: Absolut. Das gibt dem so eine Textur. Oder ich kriege erst dann auch wirklich so ein Gefühl für die Person.

Lilli: Genau.

Ricarda: Und davor sind es manchmal Roboter. So Expertise-Roboter. Es kann ja auch mal hilfreich sein, dass ich mir dann ein Fitzel Wissen irgendwie dann so mitnehme. Aber das ist ja dann kein Mensch, mit dem ich eine langfristige Beziehung aufbaue und wo ich dann sage

Lilli: Genau.

Ricarda: da komme ich immer wieder gerne in den Kurs oder buche immer wieder mal eine Sitzung. Ist dann was Kurzes.

Lilli: Genau, ja. Jetzt sind wir schon ein bisschen bei den Expertise-Robotern. Wir wollten ja auch über menschliches und ethisches Marketing sprechen. Du hast vorher auch schon gesagt, erst seit ein paar Monaten oder ein bisschen länger klärt sich alles. Und bei mir ist das irgendwie genauso.

Gerade jetzt seit Corona habe ich das Gefühl, es kommt so viel an die Oberfläche gespült. Und ich setze mich auf einmal mit so vielen Themen auseinander, was für mich vorher nie ein Thema war und wo ich vielleicht auch selber sehen kann, welche Fehler ich in meinem Business und bisherigen Weg gemacht habe.

Wie schaut das bei dir aus? Welche Erfahrungen hast du da gemacht? Oder was hat sich da bei dir im letzten Jahr verändert?

Ricarda: Möchte ich kurz einhaken und sagen, dass ich das voll schön finde, dass du sagst, dass du auch benennen kannst und möchtest, dass du „Fehler“ gemacht hast.

Auch da kommen wir bestimmt nachher noch genauer drauf zu sprechen, aber das ist für mich im Prinzip auch so eine antikapitalistische Haltung, dieses Sagen-Können: ich habe da was gemacht, das erschien mir in dem Moment richtig, hatte so seine Gründe, aber ich würde das heute nicht mehr machen.

Das finde ich mega schön. Und das ist auch, glaube ich, was ich aus meiner Sicht noch total verbreiten darf. Das Einüben, dass es da total normal ist, dass man irgendwie sagt: ja, das habe ich in der Zeit gemacht. Und jetzt mache ich es nicht mehr so.

Lilli: Dankeschön. Ja, ich finde es auch wichtig, das zugeben und sagen zu dürfen: ich habe mein ganzes Leben lang noch nicht alle Informationen gehabt.

Aber wenn ich eine neue Information bekomme oder plötzlich anfange, Betroffenen zuzuhören, die ich früher nie wahrgenommen habe, dann darf ich auch meine Meinung ändern oder etwas nicht mehr machen, was ich früher für richtig gehalten habe. Bei mir war es jetzt auch ganz viel so Verunsicherung.

Weil alles, was ich früher geglaubt habe, mir richtig erschienen ist oder alle meine Idole, war auf einmal so: oh shit, die sind ja total rassistisch, sexistisch und toxisch. Oh Gott! Das war auch so richtig ein Loslassen und Neuorientieren, aber du weiß nicht genau: wohin orientiere ich mich jetzt? Und wo geht es jetzt lang? Das war so meine Erfahrung damit.

Ricarda: Toll, ja. Ich hatte lustigerweise auch auf Instagram kürzlich so eine kleine Diskussion über das Thema kulturelle Aneignung, was da ja auch im großen Bereich mitschwimmt.

Und da haben wir dann nochmal so schön verankert, dass dieser Moment von zu bemerken „ah, ich habe was gemacht, was ich jetzt vielleicht nicht mehr so machen würde“ genau das ist, dass es erstmal so eine Verunsicherung auslöst.

Dann plötzlich so ein Loch entsteht und es sich wie so ein Verzicht anfühlt, so dieses „oh, das darf ich jetzt nicht mehr“. Ist das jetzt wahr? Das gehörte doch irgendwie fast auch zu mir dazu. Und wie schön man das aber auch in ein „okay, dann habe ich aber Raum, um nochmal hinzuführen“.

Um zu schauen: was ist denn in mir? Was haben denn die Menschen hier in der Ecke der Welt, wo ich lebe, da gemacht? Was ist denn wirklich in meiner direkten Nähe? Was ist in meiner Kultur drin? Aber wirklich auch ganz viel: was habe ich denn? Es setzt so viel Fantasie frei.

Lilli: Ja, stimmt.

Ricarda: Was total schön ist, finde ich. Was dann diesen ersten Moment des Verlusts so ablösen kann und irgendwie echt so „ja, okay“. Da kann ja dann auch total viel entstehen.

Lilli: Ja, total. Und man kann dann nicht mehr zurück. Man kann es dann nicht mehr nicht sehen.

Ricarda: So ist es.

Lilli: Es geht dann eh nur nach vorne.

Ricarda: Absolut.

Lilli: Wie war das jetzt bei dir?

Ricarda: Genau, zurück zu deiner Frage. Ich hatte im Prinzip Glück, würde ich einfach sagen und hatte meistens Lehrer*innen, die gar nicht so bewusst jetzt irgendwie als ethisch gebrandet waren, aber die, glaube ich, von sich aus sehr menschliches Marketing gemacht haben, von denen ich hauptsächlich gelernt habe.

Auch englischsprachig, wie vermutlich bei dir in vielen Teilen auch.

Lilli: Ja.

Ricarda: Bei mir war das vor allen Dingen Naomi Dunford von IttyBiz. Die hat inzwischen aufgehört zu arbeiten. Aber es gibt noch viele von ihren Angeboten. Und es hat mich wahnsinnig geprägt. Es war eine sehr menschliche Herangehensweise und auch sehr menschliche Preise. Und da habe ich so gemerkt, es hat mir gut getan.

Dann habe ich zwischendrin auch so Lehrer*innen oder Idole, wie du es auch genannt hast, wo ich so gemerkt habe, da kann ich mir irgendwie immer so kleine Häppchen rausnehmen. Und ich hatte schlichtweg auch einfach nicht das Geld, um mir jetzt diese endlos teuren Riesenprogramme irgendwie zu leisten.

Und im Nachhinein bin ich, glaube ich, auch ganz froh drum, dass ich es nicht gemacht habe. Aber ich habe es dann auch nicht können. Und habe dann aus den kostenlosen Angeboten immer ganz viel so bis auf den letzten Tropfen aufgesogen. Und ich merke dadurch aber auch, dass es dadurch, was du gerade toxisch genannt hast, schon auch bei mir angekommen ist.

Und zwar vor allem in Form von so einem super starken Druck, das du dann über Jahre doch immer wieder aufgreifst. Und du verinnerlichst das auch aus der gesamten Kultur und unserer Gesellschaft herum, so dieses „du musst jetzt x-stellig“, was auch immer das jetzt gerade ist, die vier Stellen s.

Lilli: Ich glaube, wir sind jetzt schon bei acht- oder neunstellig.

Ricarda: Um Gottes willen. Genau. Bei mir war es, glaube ich, anders, da ging es um fünf- oder sechsstellig. Ich weiß es nicht mehr. Aber auf jeden Fall, dass da immer irgendwas neu benannt wird, was man jetzt alles machen muss und vor allem tun könnte. Und all diese Zahlen, so und so viele Abonnent*innen, dieses und jenes und so weiter.

Und das war für mich besonders auf der Ebene schwierig, um auch wieder auf das Patchwork-Thema zurückzukommen, weil ich ja auch eine künstlerische Identität habe. Diese Haltung und dieses „mehr, mehr, mehr“, alles rausholen und diesen Tonfall hat einfach von Anfang an nicht zu mir als Person und auch nicht zu meiner künstlerischen Identität gepasst.

Und das war so ein Gap, den ich ganz lange nicht übereinander bekommen habe. Wo ich einfach irgendwie gemerkt habe: das fühlt sich nicht gut an. Und das ist auch was, ich habe im Kopf ganz viel davon schon aufgelöst, habe das so durchgearbeitet und kann das auch sehr klar benennen und auch sehen und wo ich zurzeit dabei bin, das im Alltag auch wirklich aufzulösen.

Und das ist wirklich wie so eine Art von Sucht auch, dieses machen müssen, alles rausholen und so maximieren müssen. Und ich merke gerade, dass es eine richtig bewusste Arbeit und ein bewusstes Einüben von anderen Verhalten erfordert, was sehr spannend ist.

Lilli: Stimmt, ja. Weil du bist dann in so einem Automatismus drin und nimmst alles als gesetzt, was dir so gefüttert wird, oder? Und dann ist es auch teilweise wirklich ein Kraftaufwand, sich da mal aktiv dagegen zu stellen oder Sachen anders zu machen.

Ricarda: Voll. Blödestes Beispiel: ich habe mir zurzeit den Kalender so gestaltet, dass ich gar nicht so viele von außen gegebene Termine habe und habe dann immer wieder so Zeitblöcke, die ich mir gestalten kann.

Und die Kraft, die es mich kostet, so einen Zeitblock rauszulöschen oder zu verschieben, den ich da reingesetzt habe, der nicht an eine andere Person gebunden ist, wenn ich merke, ich kann da irgendwie nicht oder ich habe keine Lust zu. Das ist so absurd.

Inzwischen gucke ich das einfach an und denke so: okay, das ist einfach die Konditionierung, die ich auf so viele Ebenen erlebt habe. Das ist ja von Schulzeiten irgendwie schon angefangen.

Lilli: Genau.

Ricarda: Und kann das jetzt im Kopf inzwischen so betrachten und erkennen. Aber der Akt, es wirklich dann rauszulöschen und zu sagen: nein, dann mache ich heute jetzt was anderes, was mir gerade viel mehr entspricht, bleibt schwierig.

Lilli: Fast schon ein rebellischer Akt.

Ricarda: Komisch, ja.

Lilli: Cool, danke fürs Teilen.

Ricarda: Ja, gerne. Und vielleicht das auch noch zu diesem Thema mit dem Marketing insgesamt, dass ich das bei vielen Kund*innen von mir mitbekommen habe, die dann zu mir kamen.

Das ist dir vielleicht ja auch ähnlich gegangen, dass Menschen kamen, die sagen, ich mache gerade Programm XY so und jetzt hilf mir mal, ich brauche das, das und das, die sich so in so bestimmte Themen reinsaugen haben lassen.

Und wie ich darüber zum Teil dann auch erst wirklich mitbekommen, was für Abgründe das sind, was da für Preise aufgerufen werden und wie da unterrichtet wird, da wird mir in manchen Momenten ganz Angst und Bange.

Lilli: Kann ich gut verstehen, ja. Wir wollten ja heute über Kapitalismus sprechen.

Ricarda: Hurra!

Lilli: Wollen wir kurz klären, was Kapitalismus ist? Und dann vielleicht übergehen in: geht es auch ohne Kapitalismus? Beziehungsweise, wie könnte ein nicht-kapitalistisches Unternehmen aussehen?

Ricarda: Sehr gerne. Zu dieser Begriffsklärung: ist auch was, womit ich mich in letzter Zeit viel beschäftige. Und es ist interessant, wie wenig griffig dieser Begriff, mit dem wir ja doch sehr umgehen und der sehr verbreitet ist und wo wir alle ungefähr wissen, was man so meint.

Mich hat es doch sehr Mühe gekostet, den mal für mich so zu definieren und wirklich so festzupinnen: das bedeutet das für mich Stand heute.

Und die Definition, mit der ich im Moment arbeite, ist grob vereinfacht, dass kapitalistische Marktwirtschaft eine Wirtschaftsform ist, in der die Arbeit vieler Menschen wenige Menschen reich macht. Und diesen wenigen gehören die gesamten Produktionsmittel.

Und die können, dürfen und es wird erwartet, dass sie daraus privaten Profit ziehen und den unbegrenzt anhäufen können. Ich merke auch immer mehr, und ich vermute, das sind ähnliche Themen, die sich bei dir auch auftun, die so untereinander verwoben sind.

Kapitalismus hat wahnsinnig viel mit Kolonialismus, dem Patriarchat und White Supremacy, der Vorherrschaft der Weißen auf der Welt, zu tun. Das sind so viele Faktoren, die so krass verwoben sind, dass es manchmal gar nicht so klar ist, wie du die auseinanderdröseln kannst, was Ursache für was ist und was wo wie zusammenhängt.

Und trotzdem finde ich es oft hilfreich, den Kapitalismus aus allen Pfaden rauszuziehen und mal mit dem zu arbeiten.

Lilli: Cool, dankeschön, ja. Voll wichtig, das auch zu benennen, was da alles noch so zusammenhängt und reinspielt, ja. Und wir leben ja in einem kapitalistischen, patriarchalen System. Wobei es da auch Leute gibt, die sagen, nein, es ist nicht so. Aber ich glaube, wir können uns darauf einigen, oder? Okay.

Ricarda: Ja.

Lilli: Gut. Und was ich in diesen Diskussionen auch immer wieder beobachte, ist, dass das auch so verteidigt wird, so: ja, aber der Kapitalismus fördert Wachstum oder Innovation. Wie siehst du das? Und ja, dann können wir eigentlich vielleicht schon zu den alternativen Wirtschaftsformen übergehen.

Ricarda: Genau. Mit diesen Gegenargumenten, dass man sagt, klar, das fördert auf jeden Fall Wachstum. Ich glaube, dann würde ich eher die Frage stellen: wollen wir diese Art von Wachstum? Wollen wir dieses grenzenlose Wuchern? Das ist für mich ja eher so ein Krebswachstum.

Und vor allem, verträgt unsere Erde das? Weil das ganze Thema Klimakrise und unsere Umwelt, ist etwas, was da total drinsteckt. Ich würde das einfach mal so hinstellen und sagen: nein, diese Art von Wachstum vertragen wir als Menschen und die Erde, auf der wir leben, nicht, Punkt.

Insofern heißt es nicht, dass wir nicht weiterwachsen sollen, aber das Wachstum vielleicht auf eine andere Art weitergeschehen und vielleicht auch nach innen gehen darf. Und vielleicht nicht immer in Form von mehr Dollars, Autos und Autobahnen irgendwie sein muss, sondern dass das tatsächlich auf ganz anderen Ebenen stattfinden kann.

Und was ähnliches ist es auch beim Stichwort Innovation, wie wir es vorhin hatten, so ein Verlustgefühl: oh, das ist was weg, was mir total vertraut ist und womit ich mein Leben bisher gelebt habe, das eigentlich auch wiederum Innovationen fördert.

Lilli: Ja, stimmt.

Ricarda: Weil die Fantasie dann frei wird und auf einmal dann wieder ganz neue Formen entstehen können.

Lilli: Ich habe letztens auch ein Video gesehen, da ging es darum, uns wird ja beigebracht, uns according zu diesem System zu verhalten. Wir machen und tun alles so, wie wir es sollen. Und dann kommen auf einmal Leute und sagen: das ist falsch, was du da machst.

Und dass wir uns dann auch vor dem Kopf gestoßen fühlen, ja, weil du denkst: aber ich mache ja alles so, wie wir es machen sollen. Das ist mir ja von klein auf so eingetrichtert worden. Und jetzt stimmt es auf einmal nicht. Du fühlst dich persönlich angegriffen, wenn auf einmal jemand dich darauf aufmerksam macht. Und das fand ich auch total gut beobachtet.

Ricarda: Ja, absolut. Ist auch, glaube ich, mit eine der größten Hürden der Veränderung. Weil wenn so viele Menschen sich persönlich angegriffen fühlen mit „ich habe doch diese Entscheidung im besten Gewissen getroffen und so getroffen, dass es für mich und meine Familie irgendwie auch gut passt“. Das ist ja in dem Moment dann auch so.

Und mit dem kleinen Blick da drauf stimmt das ja dann natürlich auch. Und das glaube ich ganz oft. Da sind wir wieder bei diesem Thema Fehler machen können, dass das dann sofort mit „oh, ich habe diesen Fehler gemacht, das heißt, ich bin eine schlechte Person“ verknüpft wird.

Und deswegen finde ich das so schön, dass du dieses „nein, ich bin deswegen keine schlechte Person und ich habe trotzdem diesen Fehler gemacht“ so schön vorlebst. Und wir können von hier aus weitermachen. Und ich bin natürlich weiterhin dabei.

Und das ist, glaube ich, auch so eine Haltung, von der wir viel mehr haben dürfen, um diese Veränderung stattfinden lassen zu dürfen.

Lilli: Was mir auch geholfen hat, war diese Aussage, die habe ich irgendwie so zufällig aufgeschnappt: wir greifen nicht das Individuum im System an, sondern das System.

Dass es nicht darum geht, was ich jetzt falsch gemacht habe, dass ich ein schlechter Mensch bin oder was auch immer, sondern wenn wir noch nicht das Bewusstsein darüber haben, dann haben wir gar keine andere Wahl, als uns so zu verhalten, wie das von uns erwartet wird.

Aber wenn wir dann drauf aufmerksam gemacht werden oder das irgendwie erkennen, dann liegt es an uns, ob wir sagen: okay, ich beschäftige mich jetzt damit. Oder ich sage: nein, das habe ich schon immer so gemacht, das war doch richtig so und lasst mich alle in Ruhe.

Ricarda: Völlig. Ich bin total bei dir. Und das ist ein ganz ähnlicher Erkenntnisprozess, den ich in den letzten Jahren auch gemacht habe. Und ich glaube, dass dieser Erkenntnisprozess speziell für Unternehmer*innen und Selbstständige vielleicht nochmal ein Stück holpriger ist, weil ja ganz viele von uns das, was wir selber haben, selber aufgebaut haben.

Da hat man auch so einen gewissen Stolz. Und das ist ja auch ein Kraftakt. Ich kenne das ja auch aus meiner eigenen Geschichte. Ich habe angefangen, weil ich Geld verdienen musste, weil ich da so reingeschmissen wurde.

Und dann dieses: hey, und ich habe das geschafft und dieser Stolz hat mich wirklich ein paar Jahre hinweg so getragen: ja, schau her, ich kann dieses System

Lilli: Kann was erreichen.

Ricarda: bin cool, super und so stark. Ich meine, es jetzt nicht viel. Aber ich kann so überleben. Und ich finde auch diesen Überlebensmodus anzuerkennen und zu sagen, den gibt es, das ist real und voll wichtig. Und den Stolz will einem ja auch niemand nehmen, dass man das so schafft. Und gleichzeitig geht es auch von dort weiter.

Und da ist auch von da so ein: was passiert im nächsten Schritt? Erlaube ich mir, dieses System zu erkennen? Und erlaubte ich damit dann auch so zu sehen, ich habe innerhalb eines Systems realisiert. Und dann die Frage: was macht das mit meinem Selbstwert, wenn ich dann da hinaustrete?

Ich glaube, das ist so eine Angst. Ich kenne die von mir auch. Vielleicht bin ich hier gar nichts. Alles, was ich bisher erarbeitet habe, gilt jetzt hier vielleicht nicht. Und da dann zu merken: nein, doch, natürlich gilt all das genauso und die Prozesse, die du gemacht hast.

Und wenn nicht sogar viel mehr, weil du außerhalb dieser Strukturen als Mensch auch ganz anders wahrgenommen werden kannst.

Lilli: Stimmt, ja. Voll gut, dankeschön. Wie kann jetzt ein antikapitalistisches Business aussehen? Unternehmen bedeutet ja oft möglichst viel Umsatz und Gewinn erzielen. Was ist dann ein antikapitalistisches Business?

Ricarda: Alle Alternativen zu dieser Wirtschaftsform sind zum Beispiel alle Formen von gemeinschaftsgetragenen Wirtschaften, also eine kooperative Marktwirtschaft. Was einfach heißt, dass dieser Teil der Gleichung, das Geld oder Profit, bei einer einzelnen Person hängen bleibt, aufgelöst und aufgeteilt wird.

Also im Prinzip Unternehmen, die von den Mitarbeiter*innen des Unternehmens gemeinsam geführt werden und wo alle, die an der Wertschöpfung beteiligt sind, auch wiederum am Wert beteiligt sind. Und da gibt es auch wieder sehr viele verschiedene Modelle, wie das angegangen werden kann. Es lässt sich auch rückwirkend machen.

Es gibt auch immer wieder Beispiele, dass klassische Unternehmen angefangen haben, die dann sagen: nein, wir verkaufen uns jetzt selber an unsere eigenen Mitarbeiter*innen. Auch da gibt es viel Varianz. Oder man fängt von vornherein so als Genossenschaft oder Kooperative an. Und auch das geht in verschiedenen Größen.

Eine Genossenschaft kann man ja auch mit zwei, drei, vier Menschen gründen. Und ein anderes Beispiel, ist auch ein österreichisches Beispiel, die GWÖ, die Gemeinwohlökonomie. Und das ist eine Wirtschaftsform, und das ist super spannend, in der Unternehmen besonders begünstigt und unterstützt werden, die das Gemeinwohl fördern.

Jetzt auch in groben Zügen legt der GWÖ so eine Matrix darunter, wo bestimmte Themen angesprochen werden. Und man kann als Unternehmen in diesen Gemeinwohlbereichen wie Nachhaltigkeit, wie lokal man agiert oder mit seinen Mitarbeitern umgeht et cetera, bestimmte Punkte sammeln und erwirtschaften.

Und der Grundgedanke der GWÖ ist, dass wenn sich das durchsetzt, und da gibt es auch schon einzelne Kommunen, die tatsächlich so arbeiten, dann bekommen diese Unternehmen, die in dieser Bilanz hoch abschneiden, zum Beispiel Steuervorteile.

Das heißt, die werden ganz konkret bevorzugt, weil sie sagen, unser Schwerpunkt ist es, dass wir nicht so handeln, dass wir möglichst viel auf egal wessen Kosten machen. Und je mehr sie das tun, umso mehr werden sie dann auch begünstigt, dass sie wirklich nach dem Gemeinwohl gucken.

Lilli: Voll spannend.

Ricarda: Ja, das ist super spannend. Es klingt manchmal ein bisschen komplex. Das liegt auch daran, dass das tatsächlich für größere Unternehmen, für Mittelstand und weiter, gedacht wurde.

Und das ist aber auch gerade ein Thema, wo ich mitten im Prozess bin und auch gerade mit einigen Menschen in der GWÖ, das ist auch ein Verein, die auch Teil davon sind, am Besprechen und Überlegen bin: was gibt es denn auch als Einzelselbstständige für Möglichkeiten, da einzusteigen oder zumindest eine ähnliche Art von Bilanzierung zu machen.

Lilli: Ja, cool. Das ist ja von einem österreichischen Autor, oder?

Ricarda: Genau. Die Gemeinwohlökonomie gibt es schon länger, aber es gab dann ein Buch, was es nochmal deutlich bekannter gemacht hat. Ja.

Lilli: Vielleicht können wir dann noch Buchtipps von dir auch

Ricarda: Unbedingt, ja.

Lilli: in den Shownotes verlinken, ja. Wahrscheinlich nicht zu Amazon, oder?

Ricarda: Nein. Da gibt es zum Glück ein paar ganz gute Websites von den Machenden direkt.

Lilli: Super. Vielen Dank erstmal, super spannend, zwei wertvolle Ansätze. Und du bezeichnest dein Unternehmen ja auch als Sozialunternehmen. Wie schaut das konkret aus? Was macht dein Unternehmen zum Sozialunternehmen?

Ricarda: Genau, die Begriffe Sozialunternehmen und antikapitalistisches Unternehmen überlappen sich natürlich auch sehr stark. Mein Wunsch für das Unternehmen, was ich betreibe, ist, dass es ein antikapitalistisches Sozialunternehmen ist.

Ich kann mir vorstellen, dass viele Menschen, die Sozialunternehmen betreiben, mit dem Begriff antikapitalistisch vielleicht nicht so viel anfangen können. Insofern lassen sich diese Begriffe, wie immer, auch nicht ganz scharf trennen.

Grundsätzlich ist ein Sozialunternehmen für mich ein Unternehmen, das versucht, aktuelle soziale Probleme unternehmerisch zu lösen. Das mal so als ganz Grundsätzliches. Und für mich kommt dann noch dazu, dass sich dieses Unternehmen wirklich auch als Teil eines gesellschaftlichen Gewebes begreift. Im Prinzip der Gemeinwohlgedanke.

Wenn es mir als Unternehmen gut gehen soll, dann muss der Gesellschaft um mich herum auch gut gehen und dass das Wohlergehen der Menschen in dieser Gesellschaft als oberste Priorität setzt. Im Prinzip gibt es da ein paar konkrete Ansätze. Ich picke jetzt hier natürlich gerade nur Elemente raus. Es gibt immer noch viel mehr und noch andere Sachen.

Bei größeren Unternehmen ist das, glaube ich, ein superwichtiger Punkt, dass es keine Gewinnausschüttungen an Investor*innen gibt. Das ist, worüber wir gerade gesprochen haben, sondern dass es da auch gemeinschaftsgetragen wird.

Und wenn man jetzt eher im Bereich Einzelselbstständige denkt, sind für mich zwei superwichtige Bestandteile zum einen ein soziales Preismodell. Dass man ein Modell hat, Preise zu setzen, das eine Zugänglichkeit ermöglicht.

Das heißt, nur weil ein Mensch in Armut lebt oder im Moment weniger finanzielle Ressourcen hat, dieser Person nicht der Zugang zu deiner Arbeit und Wissen verwehrt wird. Und das andere, das ist ja das Thema, worüber wir jetzt hier zusammengekommen sind, ist das ganze Thema ehrliches Marketing.

Dass man wirklich nicht mit Druck und Mangeldenken arbeitet. Das sind ja kapitalistische Grundüberzeugungen. Dieser Gedanke: es reicht nicht für alle. Und von dem bisschen, was es gibt, muss ich möglichst viel zu mir herholen. Und es geht ja auf allen Seiten. Ich als Anbietende muss irgendwie möglichst viel behalten.

Aber wenn ich was kaufe, dann muss ich einen möglichst günstigen Preis dafür bezahlen. Und das setzt sich ja so total fort. Und dem aus einer Fülle heraus mit einer Großzügigkeit begegnen. Das hat für mich auch ganz viel mit dem Sozialunternehmen zu tun.

Und das kann aber auch heißen, und das sind alles Punkte, wo ich gerade für mein eigenes Unternehmen auch noch viel im Prozess bin, dass man besonders transparent kommuniziert. Dass man auch sagt, je nachdem, wenn du Mitarbeiter*innen hast, da kommen die her, so behandle und bezahle ich die oder sowas.

Dass man sagt, das haben wir vor. Und auch Nachhaltigkeitsthemen, dass man zum Beispiel sagt: ich produziere nur regional, dass diese ganzen Komponenten auch noch mitreinkommen dürfen.

Lilli: Ja, verstehe.

Ricarda: Und „Die gute Website“ versucht im Prinzip das Problem zu lösen, dass viele Menschen in diesen kapitalistischen, patriarchalen Arbeitsstrukturen einfach komplett untergehen und ausbrennen, weil sie „zu sensibel“ sind. Für mich völlig normal. Weil sie nicht von vornherein so in diesem System aufgehen.

Oder auch weil sie konkret diskriminiert werden, weil sie in irgendeiner Form marginalisiert sind oder gesundheitlich angeschlagen sind. Oder auch ganz simple, weil es Mütter sind. Leider auch eine Tatsache. Und für ganz viele Menschen wäre eine Selbstständigkeit eigentlich eine oft viel flexiblere und befriedigendere Variante des Arbeitslebens.

Aber, so erlebe ich das, sie haben dann oft nicht das Umfeld dafür. Ihnen fehlen konkrete Werkzeuge und Vorbilder, die ihnen auch Mut machen und auch mal sagen: hey, das schaffst du oder ist nur eine kleine Hürde, auch wenn es sich gerade voll riesig anfühlt. Solche Sachen.

Und diese Werkzeuge und Vorbilder will ich geben. Und vor allem in Form von der Website, was so ein Kernstück von diesem Prozess ist. Das ist so das soziale und gesellschaftliche Problem, was ich helfen möchte zu lösen.

Lilli: Ja, da sind wir sehr ähnlich gepolt. Ich habe gesehen, dein soziales Preismodell besteht so aus drei Kategorien, wenn ich das richtig gesehen habe, oder? Kannst du das mal ein bisschen erläutern, bitte?

Ricarda: Ja, voll gerne. Vielleicht auch da kurz nochmal so ein Einhaken. Das, was ich jetzt als soziales Preismodell nutze, das ist auch nichts neues. Und ich glaube, es fühlt sich für viele Menschen jetzt auch so revolutionär oder rebellisch anfühlt, das hat aber vor allem auch ganz viel mit unserer Konditionierung zu tun.

Eigentlich ist es ja nur so ein halb verzweifelter Versuch, irgendwie diesem Kapitalismus so ein bisschen was entgegenzusetzen. Und wenn man aber genauer schaut, ganz viele indigene Kulturen haben ja ganz andere Tausch- und Schenkformen des Wirtschaftens. Weißt du wie ich meine?

Das fühlt sich groß oder total neu an und dabei ist es so uralt. Und ich glaube, es liegt auch ganz stark in uns allen drinnen. Das möchte ich unbedingt anerkennen, dass ich das kein bisschen erfunden habe, sage ich mal so.

Ein Anzapfen von etwas sehr viel Größeren ist, und, können wir dann auch gerne verlinken, das ich von sehr vielen Menschen gelernt habe, die das in letzter Zeit auch wieder vor allem im englischsprachigen Raum ausprobieren.

Lilli: Ja, cool.

Ricarda: Und wie das aktuell aussieht, das kann sich auch wieder verändern, weil auch das gerade total der Prozess bei mir ist und ich jetzt mit jedem Kurs da gerade ein bisschen experimentieren. Und die drei Kategorien, von denen du gesprochen hast, das sind drei Kategorien, die jeweils mit einer Preisstufe korrespondieren.

Und ich biete die Möglichkeit an, dass man eine Selbsteinschätzung macht. Dass du selber überlegst, in welche dieser Kategorien, die jeweils aus den bestimmten finanziellen Ressourcen entsprechen, falle ich rein? Das ist so ein ganz großer Teil von dem Modell. Ich habe damit nichts zu tun.

Ich stelle danach Fragen, du musst mir nichts beschreiben. Du musst dich nicht um irgendwas bewerben, sondern du klickst hier einfach an, das fühlt sich für mich richtig an. Und dazu kommt die Komponente, dass ich eine Ratenzahlung für alle Preisstufen anbiete.

Weil es kann ja auch sein, und das ist was, was ich wahnsinnig wichtig finde, darüber sprechen wir im Endeffekt auch viel zu wenig, dass ich eigentlich in eine Kategorie falle, die einer höheren finanziellen Ressource entspricht.

Zum Beispiel, weil ich einen privilegierten Hintergrund habe, weil meine Eltern vielleicht Immobilien haben oder ich eine akademische Ausbildung, weil meine ganze Familie vielleicht auch Akademiker*innen sind. Oder vielleicht habe ich einfach einen Haufen von Privilegien, weil ich ein weißer Mann bin, der komplett körperlich und emotional gesund ist.

Und dass das ja auch alles in „ich kann Geld verdienen“ zu übersetzen ist und ich habe die Möglichkeit, Geld zu verdienen, auch wenn ich es im Moment vielleicht nicht tue. Und darum geht es mir bei dieser Selbsteinschätzung vor allen Dingen.

Und das kann aber natürlich auch heißen, ich falle in eine Kategorie rein, wo ich eigentlich einen höheren Betrag zahlen müsste, ich habe aber trotzdem im Moment gerade aus Entscheidungen, die ich bewusst getroffen habe, nicht das Geld, um das gerade auf einen Schlag bezahlen zu können. Und dafür biete ich dann eine Ratenzahlung an.

Und das ist erstmal so ein bisschen eine komische Kombi, aber entspricht den Möglichkeiten oder ist ja von mir so gewollt, dass du sagst: so, ich nehme jetzt die Kategorie mit dem höchsten Preis, würde das aber gerne auf meinetwegen zehn Monate Ratenzahlungen strecken.

Und da gehe ich total mit. Und es ist auch total wichtig, da kommt dann kein Zins drauf. Diese Ratenzahlungen entsprechen exakt dem gleichen Preis, den die anderen zahlen, die es sofort zahlen. Weil auch das ist für mich eine superwichtige Komponente.

Ich möchte nicht die Menschen bestrafen, die das Geld nicht auf einen Schlag da haben. Und ich möchte nicht die Menschen belohnen, die sagen: ja, ich habe das jetzt gerade parat. Das macht für mich keinen Sinn.

Und dann kommt als dritte Säule so in dem Modell, was ich jetzt gerade habe, der Gedanke rein ist, wenn du es dir trotz dieser Möglichkeiten nicht leisten könntest, ganz typische Themen, ich bin alleinerziehend mit drei Kindern und gerade arbeitslos oder irgendwie sowas. Wo selbst eine Ratenzahlung dann einfach keinen Sinn macht oder einfach nicht so greifbar ist.

So dass diese Menschen sich auf jeden Fall trotzdem bei mir melden und wir dann, je nachdem, wie der Kurs aufgebaut ist und um welches Produkt es sich handelt, es die Möglichkeit gibt, dass sie einfach von mir entweder ein Voll- oder Teilstipendium bekommen und wir mit einem Tausch arbeiten.

Auch das kann total interessant sein. Und/Oder dass wir über Förderungen gehen. Da weiß ich nicht genau, wie es in Österreich ist, aber in Deutschland gibt es ein paar Programme, wo man in bestimmten Situationen andocken kann, wo man dann noch eine Förderung von außen dazu holen kann.

Lilli: Ganz viele Möglichkeiten, das einfach zugänglicher zu machen.

Ricarda: Genau. Und das ist total spannend, weil das erste Experiment, was ich dazu gemacht habe, war, da habe ich einen Mindestpreis festgesetzt gehabt und habe gesagt: so, und ab da kannst du einfach frei setzen und hatte gar keine Abstufungen, was auch total interessant war.

Das war am Anfang der Corona-Phase, wo ich wirklich gesagt habe, hey, ich sehe gerade, so viele sind in Panik, haben auf einen Schlag sehr viel weniger Geld. Das war so meine direkte Antwort darauf. Und jetzt habe ich auch darüber nochmal viel nachgedacht und geschaut: was beinhaltet so ein Modell tatsächlich? Was darf das beinhalten?

Und ich bin jetzt auf dieser Variante gelandet. Es gibt auch einen Einführungstext und ist relativ viel zu lesen. Es ist nicht so super easy, so „ich mache das jetzt kurz“. Ich baue da schon so eine Hürde ein und die aber auch bewusst, weil wir so selten mit anderen, Freund*innen, der Familie über Geld reden.

Und ich glaube, das macht uns so blind für a.) unsere eigenen Privilegien und aber auch für diese eigenen Geldgeschichten, wie man sich auch in einer Armut einrichten kann. Diese ganze Hungernde-Künstler*innen-Ding, wo man irgendwie sagt: ja, das gehört irgendwie auch zu meiner Identität und es wäre total komisch, wenn ich jetzt irgendwie viel Geld hätte.

Und dass wir immer aus einer Warte heraus so draufgucken. Und ich versuche jetzt in dem Modell, wie ich es jetzt gerade anbiete, über ein paar Reflektionsfragen und dann konkrete Beispiele, so ein paar Anhaltspunkte zu geben.

Dass man einen Blick entwickeln kann, was ich gerade erläutert habe, für: was sind denn auch meine Fähigkeiten, Geld zu verdienen? Und wo bin ich da von vornherein gegenüber anderen begünstigt? Oder andersrum: wo bin ich von vornherein gegenüber anderen einfach benachteiligt?

Lilli: Und welche Erfahrungen hast du da gemacht, wie gut sich die Leute selbst einordnen können und es auch tun?

Ricarda: Ich versuche an der Stelle keine Erfahrungen zu machen, weil ich ganz bewusst versuche, auch von Menschen, wo ich mir einbilde, ich wüsste vielleicht was über deren finanzielle Situation, ganz bewusst so einen Schritt zurück zu machen.

Ich muss es mir natürlich für die Buchhaltung notieren und wenn ich sie dann freischalte, schauen, dass der Betrag auch zusammenpasst. Aber ich schalte gerade ganz bewusst alles, was dann irgendwie so an „könnte die nicht vielleicht“, weil wenn ich damit anfange, glaube ich, dann geht die Haltung auch flöten, die ich dahinter so habe.

Und im Moment läuft die Anmeldung für den Kurs, wo ich das gerade ausprobiere, läuft gerade. Das heißt, ich kann dazu noch gar nicht so richtig was sagen. Und zu den bisherigen Experimenten, die ich damit gemacht habe: ich hatte nie das Gefühl, dass ich zu kurz komme.

Und ich hatte es eher erlebt, dass mir dann ganz viele Menschen geschrieben haben: oh du, Ricarda, ich kann jetzt gerade nur Betrag so und so viel zahlen, aber darf ich dir das dann später geben? Und das ist auch wahnsinnig berührend.

Wo ich dann immer gesagt habe: nein, das ist dafür da. Ich will nicht, dass du das Gefühl hast, als dass du mir es dann schuldest. Das ist wirklich okay, so gedacht und so kannst du es auch annehmen.

Lilli: Fällt es manchen vielleicht auch schwer, das sogar anzunehmen, oder?

Ricarda: Genau, es ist eher so rum, würde ich sagen, ja.

Lilli: Spannend. Es ist ja so, dass Menschen in kreativen und sozialen Berufen, jetzt ganz allgemein gesprochen, oft unterbezahlt sind oder sich sogar auch selbst unterbezahlen, wenn sie selbstständig sind. Da gibt es auch Studien dazu, so Stundensatz und so weiter.

Und du hast gerade schon gesagt, du hast nie das Gefühl gehabt, dass du da jetzt irgendwie zu kurz kommst. Wenn man wirklich das Gemeinwohl über den eigenen Gewinn stellt, regelt sich das dann selbst?

Glaubst du, dass auch alle Menschen so ein Fairness-Gefühl in sich haben oder dir auch was dafür geben wollen? Dass sich das eh von selbst einpegelt, dass man nicht alles so kontrollieren muss? Oder aus diesem Mangeldenken heraus kontrollieren muss?

Ricarda: Ich will sagen, dass ich da total fest dran glaube. Ich muss aber dazu sagen, dass ich ja über meinen Newsletter und den Kontakten, die ich zu meinen Kund*innen habe, in enger Beziehung stehe. Ich habe wirklich das Gefühl, ich teile sehr offen und viel von mir. Und ich glaube, es gibt einige Menschen, die auch gerne daran Anteil nehmen.

Und das ist wirklich eine Austauschbeziehung. Und das heißt, da ist schon ganz viel Grundvertrauen. Ich weiß nicht, wie das wäre, wenn jetzt eine Person ganz frisch auf meine Seite kommt und denkt: oh, das möchte ich jetzt kaufen. Das Verhältnis ist dann mit Sicherheit anders.

Und ich muss total anerkennen, dass das jetzt etwas ist, was ich nach knapp 15 Jahren Selbstständigkeit mache. Ich hätte mit Sicherheit nicht die Kapazität und Ressourcen gehabt, das in den ersten paar Jahren meiner Selbstständigkeit angehen zu können.

Lilli: Genau.

Ricarda: Und das ist, glaube ich, auch super wichtig, dass man da jetzt nicht irgendwie so ein Ding aufmacht: so, du machst dich jetzt gerade selbständig, aber wo ist dein Soziales? Bist du eine gute Unternehmerin? Ich will da überhaupt nicht so ein Moralding mitreinbringen.

Es ist eher so, ich merke inzwischen, ich habe die Möglichkeit mir erarbeitet, dass ich an dem Punkt bin, wo ich sowas ausprobieren kann. Und gleichzeitig hätte ich viel früher in bestimmten Bereichen schon damit experimentieren können. Wieder zum Thema Fehler und so weiter.

Ich hätte locker zum Beispiel mal, ich sage mal, bei einem eBook oder irgendwie einer kleineren Sache einfach mal experimentieren können und sagen können: ich mache da mal so ein „bezahle, was du möchtest“-Ding.

Und was ist, glaube ich, auch etwas, was man relativ früh am Anfang testen kann und da auch einfach schauen kann: wer sind auch die Leute, die zu mir kommen? Und wie gehen die mit sowas um? Überfordert die das total? Oder sind die so, dass sie sagen: ach ja, da kann ich den Preis tatsächlich auch benennen.

Genau, das ist, glaube ich, so ein großer Punkt. Und ein anderer Punkt, ist, dass antikapitalistisches und ein Sozialunternehmen langfristig gedacht werden müssen, sonst bringt das ja gar nichts. Wenn wir jetzt hier irgendwie ganz viele Unternehmen haben, die irgendwie ein, zwei Jahre lang so alles verschenken, total alles geben und dabei mega ausbrennen, hilft es uns ja auch nicht, gemeinsam eine neue Welt zu bauen.

Ganz konkret gesprochen, ich bin ein riesen Fan davon, sich auch als selbstständige Person erstmal selber zu bezahlen. Und ich weiß aus eigener Erfahrung, dass das super schwierig sein kann und es einfach Phasen gibt, wo es nicht möglich ist. Und es ist trotzdem eine Praxis, die sich lohnt, so früh wie möglich zu etablieren.

Dass du getrennte Konten für dein geschäftliches und privates Konto hast. Und im Idealfall tatsächlich auch noch eines zum Sparen. Bei mir hat sich das jahrelang wie „hahaha, sparen, ja, ja“ angefühlt.

Lilli: Bei mir auch.

Ricarda: Sowas, ja, klar. Und es wird aber irgendwann erreichbar. Das einfach so im Kopf zu haben, dass das ein ganz gutes Modell ist und du dann im Idealfall am Ende von einem Monat einen fixen Prozentsatz deiner Einnahmen vom Geschäftskonto jeweils aufs Private beziehungsweise irgendwann mal auch aufs Sparkonto packen kannst.

Und das setzt natürlich voraus, dass deine Experimente mit sozialen Preismodellen und diesen Herangehensweisen so tragbar sind, dass eine sichere Grundlage bei dir landet. Das ist super wichtig. Und es setzt voraus, dass du ein Gefühl hast und auch bewusst entwickelst, was genug ist.

Dass du irgendwie so spürst, das ist nicht endlos, was sich da anhäufen darf, sondern es macht total Sinn, sich wirklich mal hinzusetzen, auszurechnen und zu sagen: was brauche ich denn ganz konkret pro Monat? Und auch das vielleicht so ein bisschen zu staffeln und zu sagen: das ist einfach das, was ich brauche.

Darunter geht es total, da kann ich nicht arbeiten und ohne Herzrasen irgendwie zu meiner Arbeit erscheinen. Und dann einen Preis oder eine Summe dann festzulegen, wo du sagst: und das wäre so bequem. Und dann vielleicht eine Summe, die nochmal ein bisschen höher ist, so du sagst: so und das wäre richtig angenehm.

Da würde ich mich total wohlfühlen und da könnte ich das Thema Geldsorgen so ein bisschen loslassen. Und ich glaube, in welchem Modus man gerade ist oder egal, wo du so gerade bist, es lohnt sich total, diese Zahlen aufzuschreiben und dir gelegentlich dann auch wieder vor Augen zu führen.

Weil irgendwann kommt so ein Wachstumsschub und du bist in so einem „ich verdiene Geld“. Und da kann es ganz schnell passieren, dass man, glaube ich, vergisst, was so dieser Genug-Punkt für einen selber eigentlich ist. Und das sind ja auch so Erfahrungswerte.

Da gibt es auch total viele Studien dazu, dass mit steigendem Einkommen ja auch der Lebensstandard dann steigt. Da habe ich die Studie gerade leider nicht parat, aber diese Statistik im Kopf, dass egal in welcher finanziellen Situation die sind, die du fragst, dass fast alle Menschen sagen, damit sie sich wohlfühlen hätten sie gerne so 20 Prozent mehr.

Ist mega lustig. Das heißt, du hechelst dein Leben lang, wenn man so eine Karriereleiter irgendwie sieht, diesen 20 Prozent mehr hinterher.

Lilli: Aber alle, egal wo sie stehen, wollen 20 Prozent mehr.

Ricarda: Ganz genau. Und das hat mich total ins Nachdenken gebracht.

Und deswegen ist der Tipp, dir wirklich aufzuschreiben, was sich wie genug anfühlt und das da zu referenzieren und irgendwie zu sagen: ah ja, wenn ich da angekommen bin, kann ich vielleicht einen Überschuss spenden oder sagen, jetzt nehme ich Mitarbeiter*in auf und kann die Person total gut bezahlen.

Oder ich probiere etwas mit einem sozialen Preismodell was. Das gibt dir ja dann Spielraum, um solche

Lilli: Voll.

Ricarda: Sachen zu machen.

Lilli: Einfach auch so ein Punkt, an dem man mal zufrieden sein kann, oder?

Ricarda: Voll.

Lilli: Und mal angekommen ist und nicht immer dem nächsten hinterherlaufen muss. Ich glaube, es gibt auch eine Studie aus Yale, wenn ich jetzt nicht falsch liege.

Ab einem gewissen Jahreseinkommen steigt unsere Wohlbefindens- oder Glückskurve nicht mehr wirklich an. Du kannst dann zwar noch mehr verdienen, aber es bringt dir jetzt nicht wirklich was.

Ricarda: Ja.

Lilli: Ich muss schauen, ob ich die noch finde. Und das war gar nicht so viel. Das waren, glaube ich, so 50.000 oder 65.000. Ich meine, nicht so viel ist natürlich relativ, aber

Ricarda: Na klar.

Lilli: es war jetzt nicht „ich bin Millionär“. Ich glaube, wenn einfach mal gewisse Bedürfnisse gedeckt sind, wir uns sicher fühlen und irgendwann einfach auch zufrieden fühlen können, dann braucht es nicht immer noch mehr.

Ricarda: Absolut, ja. Ja, und ich glaube, das ist natürlich auch so die Kunst in der Selbstständigkeit, dieses Pendeln zwischen „wow, ich bin irgendwo kurz vor der Armutsgrenze“ und „wow, ich bin fast Millionärin“. Das für einen selber irgendwo auch zu verarbeiten. Ich glaube, es öfters ansprechen würde ich auch noch so als Tipp mitgeben.

Auch echt so sagen: hey, wie ist es bei dir? Und vielleicht jetzt auch mal konkrete Zahlen in einem geschützten Bereich zu nennen, was dann natürlich wieder wahnsinnig davon abhängig ist, was du für Verpflichtungen, Erwartungen et cetera.

Lilli: Ja, es gibt auch so eine tolle Studie vom deutschen Familienministerium „Mitten im Leben“, die Lebenswirklichkeit von Frauen zwischen 30 und 50.

Ricarda: Die habe ich bei dir gesehen und ich habe Bauklötze gestaunt, ja.

Lilli: Wo wirklich rausgekommen ist, dass nur zehn Prozent der Frauen mehr als 2.000 netto alleine und unabhängig zur Verfügung haben. Und wo dann auch wirklich manche Kund*innen von mir gesagt haben: was, das kann doch nicht sein, das gibt es doch nicht?

Wo sie dann auch wieder mit ihren eigenen Privilegien konfrontiert wurden, ja, wo man merkt: oh, ich bin eine der zehn oder vielleicht sogar fünf Prozent. Vielleicht muss es dann gar nicht immer mehr, mehr, mehr sein, vielleicht reicht es auch einfach mal.

Ricarda: voll.

Lilli: Das kann ich auch gerne noch verlinken.

Ricarda: Ja, unbedingt. Ich werde nämlich noch einen Blog-Artikel zum sozialen Preismodell schreiben. Da kann ich das vielleicht auch aufgreifen.

Lilli: Cool.

Ricarda: Weil das spielt ja total in diese Selbsteinschätzungsfrage mit rein.

Lilli: Genau. Jetzt würde ich gerne nochmal den Bogen zurück zur Online-Präsenz machen. Du hast vorher schon gesagt, was eine gute Website bedeutet. Wie hängen jetzt auch die Themen Sozialunternehmen und Website beziehungsweise die ganze Online-Präsenz zusammen?

Ricarda: Ich würde sagen, dass eine gute Website eine gute Haltung hat und zeigt. Und die Website und die Person, die die Website macht, hat, glaube ich, auch den Mut, das tatsächlich auch so durchdringen zu lassen und zu zeigen.

Und da kommt auch wieder das große Thema Transparenz rein, was für mich ein antikapitalistisches genauso wie auch ein soziales Thema ist. Transparenz zu benennen: wo stehe ich? Wo stand ich? Was habe ich noch vor? Was läuft vielleicht auch noch nicht so gut? Das ist auch ein Thema, in dem ich jetzt gerade auch viel bin.

Und ich habe vor, so eine Art von Roadmap auch zu machen. Einfach aufzuzeigen: was sind denn die nächsten Punkte, die ich vorhabe, um noch sozialer und nachhaltiger zu werden? Womit habe ich vor zu experimentieren? Und das ist ja irgendwie das total Schöne, es ist ja eine Schnittstelle nach außen.

Und das heißt, wenn ich den Mut habe, so transparent zu sein und zu sagen: das sind jetzt die Themen, die auftauchen, können ja auch andere Menschen andocken. Und vielleicht sieht das dann jemand, der sich mit einem bestimmten Thema schon auskennt, da auch Ideen oder auch Lust dazu hat und kommt dann auf mich zu.

Und es gibt da dann die Möglichkeit eines Austausches oder einer Zusammenarbeit. Und das sind so diese schönen Nebeneffekte, finde ich, von der Seite, dem Podcast und allem, was wir machen. Ich mache seit Corona auch einmal im Monat so „wir sind nicht alleine“-Videokonferenzen.

Und das ist einfach nur ein Raum für Selbstständige, wo die kommen können und sich einfach in Kleingruppen darüber austauschen können, was sie gerade beschäftigt, so anliegt, was gut geht und was total schwer fällt.

Und dass man einen Platz hat, wo solche Experimente überhaupt stattfinden können und man irgendwie sagen kann: hey, das probiere ich jetzt aus. Hallo Universum, hat jemand Lust mitzumachen?

Und das ist, glaube ich auch, was ich mit einer Website als Werkzeug zu verwenden meine. Dass du wirklich eine Plattform hast, wo du sagst: ich habe eine Idee. Und übermorgen kann es da schon so drauf sein.

Lilli: Die Sichtbarkeit ist ja auch wieder ein Privileg, das uns Einfluss gibt. Ich merke es vor allem auf Instagram.

Ich kann da Sachen teilen und Leute sehen das, die sich vielleicht noch nie damit beschäftigt haben oder die sagen: oh, danke dass du das geteilt hast, weil da habe ich noch nie darüber nachgedacht oder das war mir nicht bewusst. Und das ist für mich dann auch wieder so eine soziale oder auch politische Komponente.

Ricarda: Absolut, ja. Eine Verantwortung, die ja viele haben und nicht alle nutzen.

Lilli: Ja, genau das. Was ich auch noch sagen wollte, ich finde es schön, dass du vorher auch noch angemerkt hast, dass wir auch in einer privilegierten Situation sind, um überhaupt mit solchen sozialen Preismodellen oder Sozialunternehmen experimentieren zu können. Weil bei mir war es genauso.

Wenn du damals bei meiner Gründung zu mir gekommen wärst und gesagt hättest: hey, schau mal, Gemeinwohl über Gewinn und mache doch alles total zugänglich und so, dann hätte ich gesagt: du, ich weiß nicht mal selbst, wie ich jetzt die Miete bezahlen soll. Jetzt, bitte. Genau dieser Druck, wo du gesagt hast

Ricarda: Ja.

Lilli: das sollen wir nicht, dass jetzt jeder sagt: oh mein Gott, ich muss alles von meinem Geld weggeben, was ich mir so hart verdient oder noch nicht mal erarbeitet habe. Aber andererseits ist das irgendwie auch ein schönes Ziel, ja, dass man sagt: okay, ich baue mir jetzt mal was auf.

Und wenn ich dann auf einem Niveau bin, wo ich sage, ich bin jetzt abgesichert, fühle mich wohl, bin zufrieden und habe jetzt keine Existenzängste mehr, dann habe ich auch den Raum, mir zu überlegen: was kann ich jetzt davon weiter- oder zurückgeben?

Ricarda: Absolut, ja. Und ich glaube, das ist für mich auch so ein Teil der Herausforderung, diese Schritte jetzt zu gehen und die vorzuleben, ohne irgendeine Wertung mitzugeben. Weil dieser ganz grundlegende Respekt vor den Lebenswegen und vor den Situationen, in denen die Menschen sind, ist so relevant.

Und ich kann nicht wissen, in welcher Situation jemand gerade ist, egal wie glänzig und toll das nach außen aussieht. Aber wir wissen eh alle, das kann im Hintergrund völlig anders sein. Ich weiß nichts über die psychische Gesundheit der Person, deren Vergangenheit und woraus sie sich diesen Weg erkämpft hat.

Und es hilft ja überhaupt nichts, wenn ich dann ankomme und sage: du musst jetzt das und das machen, damit das alles gut, schön, politically korrekt und sonst was ist. Das ist ja total Quatsch. Genau, deswegen, das finde ich auch einen wahnsinnigen wichtigen Punkt und auch was, wo ich selber wahrscheinlich auch noch viele Fehler machen werde.

Lilli: Ja, ich auch.

Ricarda: Wie können wir das vorleben und einfach sagen: hey, und das ist ein Punkt, wir dürfen das jetzt gerade so machen, weil ich auch Glück gehabt haben, weil wir diese Privilegien aus ganz vielen Gründen haben und das ausprobieren können.

Lilli: Genau. Glaubst du auch, dass du durch Corona sich jetzt mehr Leute damit beschäftigen?

Ricarda: Kann so ein Blasending sein, aber irgendwie glaube ich ja. Ist natürlich interessant, dass das gar nicht so politische Themen sind, glaube ich, die hier in Deutschland oder Österreich, also in Europa passiert sind, sondern die auch in den USA passiert sind.

Bei George Floyd angefangen, den Black Lives Matter und was danach passiert ist, was ja auch ein bisschen absurd ist. Weil wir auch alle insgesamt so viel englischsprachige beziehungsweise USA-lastige Medien konsumieren, hat das, glaube ich, auch tatsächlich auf ganz viele von uns so einen Einfluss.

Auch wenn unsere Themen in Europa ja überhaupt nicht weniger gravierend sind, aber ein bisschen anders gelagert sind. Und das finde ich total spannend, wo ich immer das Gefühl habe, da müssen wir irgendwie noch diesen Sprung schaffen, dass Rassismus hier noch ein bisschen anders aussieht.

Und speziell in Deutschland so ein Thema, was kaum betrachtet wird, ist zwischen Osten und Westen und was da nach der Wende passiert ist. Und das sind so Themen, das hat ganz konkrete Auswirkungen auf Biografien gehabt und auf die Möglichkeit, erwerbstätig zu sein.

In diesen Kontexten spielt es aber meist keine Rolle. Deswegen finde ich es total spannend. Ja, ich glaube, da hat Corona auf jeden Fall eine Auswirkung gehabt und diese ganze Zeit, was da jetzt im Nachgang alles passiert ist. Und ich glaube, wir müssen auch weiterdenken.

Lilli: Ja, auf jeden Fall. Wir bleiben dran. Wow. Ich glaube, das war ein gutes Schlusswort. Vielen Dank für die vielen Sachen, Ansätze und Anregungen, die du mit uns geteilt hast.

Ich finde es auch schön, dass du immer experimentieren gesagt hast, dass wir einfach Sachen mal ausprobieren dürfen. Und wenn jetzt Hörer*innen sagen, da möchte ich mehr erfahren, wo können die dich finden? Und du kannst auch gerne mit uns teilen. was du aktuell anbietest.

Ricarda: Sehr gerne. Danke dir auch noch, dass du deine Plattform auch für diese Gespräche nutzt.

Lilli: So gerne.

Ricarda: Bedeutet mir mega viel.

Lilli: Danke.

Ricarda: Genau, man findet mich für diese Themen hauptsächlich unter diegutewebsite.de. Und was ich ja vorhin schon angedeutet habe, mein Lieblingsmedium ist mein Newsletter, also meine Briefe. Da erfährt man am meisten und direktesten, was bei mir los ist.

Ich bin inzwischen auch so ein bisschen tastend vorsichtig, experimentell mit „Der guten Website“ auf Instagram. Da mache ich aber keine Versprechen, wie lange ich da bleibe, aber es ist für mich gerade spannend. Und ich habe unter meinem Namen ricardakiel.de eine eher privat-persönlich-künstlerische Website.

Und da habe ich in letzter Zeit viele Notizen angefangen, was so kleine Häppchen mit so kleinen Gedanken und so kleine Versuche sind, Sachen zu definieren und zu benennen. Und auch viel von dem, was wir heute angesprochen haben, findet sich auch dort wieder.

Und von den Angeboten her habe ich ganz grundsätzlich einen Basis-Selbstlernkurs zum Website selber machen. Und dann gibt es einen zum Website verbessern. Und ich habe, und da freue ich mich wahnsinnig drauf, weil das auch ein großes, schönes Experiment ist, jetzt im Juni einen Gruppenkurs zum gemeinsamen Erstellen einer guten Website.

Und da ist ganz viel Raum für diese antikapitalistischen Elemente, Gefühle und die Prozesse, die wir brauchen. Es ist sehr prozessorientiert. Es ist ein sehr weicher Raum, wo wir diese Themen angucken können. Für diesen Kurs gilt auch mein aktuelles soziales Preismodell.

Lilli: Cool. Werde ich gerne alles in den Shownotes verlinken. Ricarda, tausend Dank, es hat so viel Spaß gemacht. Hat mich total bereichert. Und ich hoffe, meine Community auch. Vielen Dank.

Ricarda: Vielen Dank dir, Lilli.

Links:

Shownotes, Transkript und Bilder zur Podcast-Folge: https://lillikoisser.at/31/ 

Ricardas Gastartikel in Lillis Blog: https://lillikoisser.at/squarespace/ 

Ricardas Manifest für gute Websites: https://www.diegutewebsite.de/manifest-gute-websites.html 

Ricardas Definition eines Sozialunternehmens: https://www.ricardakiel.de/notizen/definition-sozialunternehmen/ 

Ricardas Gruppenkurs zur Website-Erstellung: https://www.diegutewebsite.de/website-erstellen-gruppenkurs.html 

Ricardas Selbstlernkurs zur Website-Erstellung: https://www.diegutewebsite.de/website-selbermachen-online-kurs.html 

Kleine Einführung zur Gemeinwohlökonumie: https://web.ecogood.org/de/idee-vision/

Taschenbuch und Hörbuch „Gemeinwohl-Ökonnomie“ von Christian Felber: https://christian-felber.at/buecher/die-gemeinwohl-oekonomie/ 

Naomi Dunford, von der Ricarda gelernt hat: https://ittybiz.com/ 

Ricardas Podcast-Empfehlunghttps://realtalkradiopodcast.com/

Soziales Preismodell „Sliding Scale„: https://www.ridefreefearlessmoney.com/blog/2016/05/sliding-scale-1/ 

Foto von Ricarda: Max Bodenstedt

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3 Antworten

  1. Liebe Lilli, liebe Ricarda,

    wirklich, wirklich tolles Interview und Thema mit zwei starken feministischen Frauen, die über ihre Fehler und Visionen reden können.
    Da ich Ricardas Briefe schon lange lese, werde ich ihre Idee mit dem „anti-kapitalistischem“ Preismodell auf jeden Fall weiterempfehlen.

    Es ist ist spannend, welche Themen am Kapitalismus dranhängen, das hat mich sehr berührt.

    Weiter so. Lauter. Sanfter.

    Liebe Grüße nach Wien,

    Ulrike

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