Lilli Koisser

Wie du schlechte Nachrichten gut überbringst: Krisenkommunikation am Beispiel Pinterest

Eine schlechte Nachricht zu überbringen, die sehr wahrscheinlich negative Reaktionen hervorruft, ist nicht leicht. Das trifft auch auf ein beliebtes Social Network zu, das die Einführung von Werbung auf seiner bisher werbefreien Plattform bekanntgeben muss.

Pinterest befand sich in diesem Dilemma und hat eine sehr kluge und durchdachte Lösung für diese Art der Krisenkommunikation gewählt: Ein persönliches, extrem gut geschriebenes E-Mail an jeden User.

Aber der Reihe nach! Pinterest gibt es seit 2010, ich bin seit ca. einem Jahr begeisterte Pinnerin. Ich liebe den hochwertigen visuellen Content mit vielen nützlichen Tipps, lustigen Memes und atemberaubenden Bildern, sowie das generelle Zusammengehörigkeits-Gefühl der Pinner und die Running Gags darüber, dass man nicht aufhören kann zu pinnen.

Lilli Koisser auf Pinterest

Letzte Woche bekam ich eine sehr interessante E-Mail von Pinterest:

Hallo Lilli!

Vor etwas über einem Jahr wurden meine Frau und ich stolze Eltern eines Sohnes und seit seiner Geburt pinne ich auf meiner Pinnwand tolle Dinge, die wir zusammen unternehmen können, einmal für jetzt, wo er noch so klein ist , aber auch für später, wenn er mal größer ist.  Ich weiß, dass viele von euch das Gleiche tun. Pinterest ist der Ort, an dem man seine Wunschliste aufbewahrt, Reisepläne schmiedet, vom perfekten Haus träumt und andere Dinge sammelt, die man bald oder später einmal unternehmen möchte.

Aus diesem Grund ist es für uns so wichtig, dass Pinterest ein Service ist, der Zukunft hat. Und um genau das zu gewährleisten, werden wir mit der Unterstützung einiger Pins von einer kleinen Gruppe von ausgewählten Unternehmen herumexperimentieren.

Ich weiß, dass einige von euch jetzt denken werden: „Na toll, … jetzt gibt es bald überall nur noch Banner-Werbung“. Aber wir sind entschlossen, genau das nicht zuzulassen. Wir haben zwar noch nicht alle Einzelheiten ausgearbeitet, aber ich kann euch schon mal versichern, dass die Unterstützung dieser Pins Folgendes sein wird:

Geschmackvoll – keine protzige Banner- oder Popup-Werbung.
Erkennbar – wir werden euch immer wissen lassen, wenn jemand für die Pins, die ihr an einem bestimmten Ort sehen könnt, bezahlt hat.
Relevant – diese Pins sollen Dinge zeigen, die euch interessieren, wie zum Beispiel ein tolles neues Rezept oder eine Jacke, die ganz nach eurem Geschmack ist.
Basierend auf eurem Feedback immer bessere Pins – schreibt uns eure Meinung und wir werden weiterhin daran arbeiten, alles noch besser zu gestalten.

Für unsere erste Testrunde werden wir für Pins in den Suchergebnissen und Kategorie-Feeds werben. Zum Beispiel könntet ihr Werbung eines Pins für ein Darth Vader-Outift von einem Kostümladen in den Suchergebnissen für „Halloween“ finden. Noch bezahlt niemand für irgendetwas. Wir wollen lediglich sehen, wie das läuft und vor allem möchten wir eure Meinung dazu hören.

Vielen Dank für eure unermüdliche Unterstützung in den letzten Jahren. Wir hoffen, dass ihr noch lange bei uns pinnen werdet.

Mit den besten Grüßen,
Ben

Hier finden Sie die E-Mail auf Englisch.

Ich wusste bereits, dass Pinterest die Einführung von Werbung auf seiner Plattform plante. Außerdem bin ich Online-Texterin und schreibe selbst oft Newsletter. Dennoch sah ich es überhaupt nicht kommen, dass es in dieser Mail um die Ankündigung der Pinterest-Werbung ging! Ich war beeindruckt von den gefinkelten Texten, den dahinterliegenden Insights und der cleveren Art, negative Dinge so zu formulieren, dass sie sich positiv anhören.

Zerlegen wir also diese Hiobsbotschaft im trojanischen Pferd in ihre Einzelteile:

Persönlicher Einstieg

Ich werde mit meinem Vornamen angesprochen. Ben (Wer auch immer das ist!) wählt ein sehr intimes Thema als Einstieg: die Geburt seines Sohnes. Auch seine Frau erwähnt er. Sofort fühlt man sich persönlich mit ihm verbunden und denkt sich: Oh süß, der hat eine kleine Familie und pinnt Ideen für Aktivitäten mit seinem Kind. Gleich mal 100 Sympathiepunkte für den Absender. Klickt man auf die Links, erfährt man auch, dass sein Sohn Max heisst, was Ben für ihn geplant hat und wie Max als Baby ausgesehen hat.

Fazit: Schreiben Sie persönlich und menschlich! Stellen Sie eine Verbindung mit dem Leser her.

Pinterest Tattoos

Erwähnung des Lesers

„Ich weiß, dass viele von euch das Gleiche tun.“ Boom. Dieser Mann kennt mich. Wir sind eine große glückliche Gemeinschaft, die ihre Interessen und Ideen auf dieser Plattform teilt! Spätestens jetzt ist man in die Mail hineingezogen, da einen das Thema persönlich betrifft und interessiert. Pinterest-User wissen, wie süchtig das Pinnen machen kann und wie schnell die Zeit auf der Plattform vergeht.

Fazit: Gehen Sie auf Ihre Leser ein und zeigen Sie, dass Sie sie verstehen!

Damn you Pinterest ecard

Daseinsberechtigung von Pinterest

„Pinterest ist der Ort, an dem…“ Hier geht Ben auf fundamentale Träume vieler Menschen ein: Wunschlisten, Reisen und Haus bauen; und bietet Pinterest als Zuhause dieser Träume an. Nicht umsonst sind die populärsten Kategorien auf Pinterest Home, Arts and Crafts, Style & Fashion, Food und Inspiration. 87 % der User sind weiblich!

Fazit: Beschreiben Sie die Vorteile Ihres Produkts aus Sicht der Konsumenten!

Pinterest electronic hoarding

Umschreibung der Werbung

„Aus diesem Grund ist es für uns so wichtig, dass Pinterest ein Service ist, der Zukunft hat.“ Dies ist wahrscheinlich der genialste Satz der ganzen Mail.

1. Er impliziert, dass die geplanten Werbeschaltungen nur zum Besten der User geschehen – um die Plattform der Träume weiterhin anbieten zu können.

2. Pinterest wird als Service bezeichnet. Ein Service ist etwas, für das man normalerweise bezahlt, aus dem man einen großen Nutzen zieht. Der User sollte also quasi dankbar sein, dass er Pinterest kostenlos benutzen kann!

3. Jeder versteht, dass es Kosten verursacht, so eine Plattform zu betreiben. Jeder versteht, dass Social Networks irgendwie Geld verdienen müssen. Aber keiner will es hören. Ben benutzt das Wort „Zukunft“, um zu suggerieren, dass es Pinterest ohne Werbung nicht mehr lange (in dieser Form) geben könnte.

Danach spielt Ben das Ausmaß der Werbung extrem herunter: „die Unterstützung einiger Pins von einer kleinen Gruppe ausgewählter Unternehmen“. Werbung wird in der Mail zweimal „Unterstützung“ genannt.

Fazit: Umschreiben Sie das Unaussprechliche so, dass es sich wie ein Vorteil anhört!

Just not Pinterested

Ängste entkräften

Im nächsten Absatz geht Ben gleich auf den ersten Gedanken ein, der jedem nun im Kopf herumgeht. „Na toll, jetzt gibt es bald überall nur noch Banner-Werbung.“ Diese Angst wird sofort zerschmettert. Pinterest ist entschlossen, das nicht zuzulassen (als hätten sie es nicht selbst in der Hand…). „Wir haben noch nicht alle Einzelheiten ausgearbeitet.“ Lies: Wir arbeiten auf Hochtouren an der bestmöglichen Variante. Quasi Tag und Nacht. Nur für euch.

Fazit: Scheuen Sie sich nicht, die negativen Assoziationen Ihrer Leser anzusprechen!

Good Ideas on Pinterest

Positive Beschreibung der Werbung

In den Bulletpoints wird daraufhin die Aufmerksamkeit auf die positiven Aspekte der Werbung gelegt: geschmackvoll, erkennbar, relevant und sich stets verbessernd. Nach dieser Beschreibung kriegt man fast schon Lust, so einen gesponserten Pin mal zu sehen! Hört sich doch toll an!

Fazit: Finden Sie die Punkte, die Ihren Lesern wichtig sind und sie besänftigen könnten!

Pinterest friends

Einweihung und Beispiel

Ben verrät, was in der ersten Testrunde passiert, und wie so ein gesponserter Pin z.B. aussehen kann. Das Interessante dabei ist, dass er schreibt, man werde für „Pins in den Suchergebnissen und Kategorie-Feeds werben“. Das ist ganz Pinterest. Mehr gibt es nicht. Man kann aktiv etwas suchen oder in den Kategorien stöbern. Es klingt aber in dieser Formulierung so, als wäre es nur ein Teil von Pinterest. Aber gut, er versichert noch, dass es noch keine zahlenden Werbekunden gibt und das Projekt sich in der Testphase befindet. Und vor allem wollen sie natürlich unsere Meinung dazu hören. Wie, wird nicht erklärt…

Fazit: Lassen Sie Ihren Leser fühlen, dass er Teil der Veränderung ist und Bescheid weiß (auch wenn es nicht wirklich so ist)!

Pinterest awesome

Dank und Anbiederung

„Vielen Dank für eure unermüdliche Unterstützung in den letzen Jahren. Wir hoffen, dass ihr noch lange bei uns pinnen werdet.“ Ohne euch wären wir gar nichts. Wir stehen in eurer Schuld. Und jetzt pinnt weiter und akzeptiert, dass wir werben werden. Wir wissen genau, dass euch nichts anderes übrig bleibt!

Fazit: Zeigen Sie Ihren Kunden Wertschätzung, um sie für Ihr Anliegen zu gewinnen!

Thanks Pinterest

Nur der Vorname

Unterzeichnet ist die Mail nur mit „Mit den besten Grüßen, Ben“. Wer ist Ben? Wie heisst er im Nachnamen? Welche Position hat er bei Pinterest? Ist er Head of Irgendwas? Es tut anscheinend nichts zur Sache. Eine kurze Recherche zeigt: Er ist CEO und Co-Founder.

Fazit: Sprechen Sie von Mensch zu Mensch, nicht von Unternehmen zu Kunde!

Pinterest great friends

Wer von Ihnen ist auf Pinterest? Folgen Sie mir und möge das Pinnen beginnen!

Fotos: Pinterest, someecards

Im-going-to-introduce-you-to-pinterest..

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